5.

[94] Bootsmann, sagt, warum Ihr heute

Traurig seid wie nie zuvor?

Naher Hafen, frohe Leute,

Dicht vor uns liegt Sinkapor –

»Mich verwundert, Herr, die Frage;

Sind wir doch am Weihnachtstage!

Weib und Kinder habt ihr kaum;

Wollt den Pfeffer wachsen sehen,

Könnt die Sehnsucht nicht verstehen

Nach dem lichten Tannenbaum.«


Weihnachtsfreuden hoch im Norden?

Dank für die Erinnerung!

Traurig bin auch ich geworden,

Doch mein Herz bleibt ewig jung,[94]

Wird vielleicht – wer kann es wissen? –

Von der Heimat losgerissen,

Fern vom traulichen Kamin,

Ausgesöhnt mit seinem Lose,

Lieg' ich einst in deinem Schoße,

Inselgruppe von Bonin.1


Dort, umrauscht vom grünen Meere,

Wird die Kolonie gedeihn,

Wird mein Herz, das volle, leere,

Wieder hoffen und verzeihn.

Neue Wurzeln muß es schlagen

Nach versäumten Weihnachtstagen;

Doch der Alpen ew'ges Eis

Und das Fallen der Lawinen

Auf verglimmende Ruinen

Sei der Heimkehr später Preis.

Fußnoten

1 Von dem Verfasser zur Gründung einer Ackerbaukolonie ausgesucht.


Quelle:
Ludwig Ferdinand Schmid: Dranmor’s Gesammelte Dichtungen, Frauenfeld 41900, S. 94-95.
Lizenz:
Kategorien: