XCII.

Ein Soldat starb für Freude, da er die Nachricht hörte, daß er mit einer Frau, die er heftig liebte, sollte verheurathet werden.

[199] Daß unser Herz, wenn es von Traurigkeit beklemmet ist, bey einem jähen schmerzlichen Anfall, dem Blut keinen freyen Lauf mehr eröfnet, das ist ganz gut; aber bey einer jähen Freude kommet uns die Natur schlecht zu Hülfe, indem wir solche selten ohne die gröste Unordnung empfinden werden. Ein Soldat war sehr heftig in ein Mädchen verliebt, die aber gar zu sehr über seinen Stand war, als daß er sich hätte Hofnung machen können, sie zu heurathen, gleichwohl hatte er sich lange Zeit mit dieser Hofnung geschmäuchelt, denn die Liebe ist niemals ohne Hofnung; endlich fieng er aber an zu verzweifeln, daß er jemals mit seiner Geliebten könnte vereiniget werden; da man ihm plötzlich die Nachricht hinterbrachte, daß sich alles geändert hätte, und daß seine Geliebte seine Frau werden sollte: er lauft in diesem Augenblick ganz ausser sich zu ihr, er fliegt zu ihr, umarmet sie, und will mit ihr sprechen, aber die Stimme erstirbt ihm auf den Lippen, und er selbst fällt ihr in eben diesem Augenblick tod in die Arme, und stirbt an einem Schlag der Zärtlichkeit, wie ein mit dem[200] Schlagfluß behafteter an einem Schlag des Blutes stirbt: Man fande in dem toden Körper, daß das Pericardium, dieses Fell, welches das Herz umgiebet, völlig mit Blut angefüllet war.

Quelle:
[Dumonchaux, Pierre-Joseph-Antoine] : Medicinische Anecdoten. 1. Theil, Frankfurt und Leipzig 1767 [Nachdruck München o. J.], S. 199-201.
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