VI.


Cleobolus Lyndius / auß der Insel Rhodis.

[389] Je gwaltiger du immer bist /

Dest weniger stoltz dir ehrlich ist /

Eim gwaltigen vnd geleerten man /

Steht demůt über dmaß wol an.

Andern vergib willig vnd gern /

Dir aber selbs mit grossem bschwern.

Lastu den sünden jren gwalt /

So schadet es der tugent bald.

Zeitliche güter erbet man /

Zucht / tugent / kompt nit also an.

Für freunds list / feinds vnbillicheyt /

Hüt du dich wol zu aller zeit.

Hör vil / verantwort aber weng /

So bistu dir vor vil gedreng.

Das höchste werck der tugent ist /

Laster fliehen zu aller frist.

Der wollust volgn vnd gůtem můt /

Bringt args mit sich / thůt nimmer gůt.

Wer seinen fürwitz zäumen kan /

Der ist alls lobs ein wirdig man:

Kein grösser reichthumb ist auff erd /

Denn gschicklicheyt / kunst / gůt geberd.

Kein grewel ist so hoch vnd groß /

Als wann ein man wirt treweloß.

Eins můß ich hie erzelen auch /

Halt maß / das ist ein löblich brauch.

Lebt jr im frid: Ich far daruon /

Gesagt ists gnůg / wer es wil thon.

Quelle:
Egenolff, Christian: Sprichwörter / Schöne / Weise Klugredenn. Darinnen Teutscher vnd anderer Spraach-en Höfflichkeit [...] In Etliche Tausent zusamen bracht, Frankfurt/Main 1552. [Nachdruck Berlin 1968], S. 389.
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