CXIX. Brief

An Fanny

[126] Wie ich nach P.... kam, brauchst Du wohl nicht zu wissen, die Reise ist zu klein und zu unbedeutend; was aber da mit mir vorgieng, mag jede brave Schauspielerin zur Warnung lesen, damit sie sich vor einem solchen flegelhaften Direktor hüten möge, wie mir einer aufsties – Als ich in seine Wohnung eintrat, schnurrte mir ein Bedienter im Vorzimmer entgegen. –

»Mein Herr ist heute nicht zu sprechen! –«

Und warum denn nicht? –

»Weil der Namenstag der Mad. K... gefeiert wird. –«

Ei! wer ist denn die Mad. K...?

»Eines andern dummen Kerls sein Weib – aber izt die Favoritin des Direktors und eine sehr gute Komödiantin, sie spielt alle ersten Liebhaberinnen.«

Daß dich doch! – so finde ich denn überall lauter Favoritinnen! – Nun da komme ich wieder schön an. – Hier, mein Freund, etwas weniges für seine Aufrichtigkeit; – aber sag er mir doch, war diese Mad. K... nicht ehmals Mätresse eines gewissen Kardinals? –[126]

»Ja freilich ist das die nemliche – aber Sie müßen mich nicht verrathen; sie hat diesen Kardinal völlig ausgesogen, er stekt izt in Schulden bis über die Ohren – und sie mag ihn nun auch nicht weiter. – Dann kam sie hieher, schikte sich fürs Geld in alle Stände, niedrig und hoch, wie sie kamen; Bedienten, Kavaliere, Handwerkspursche, Fuhrknechte, Pfaffen, Studenten, Juden, Alles hatte freien Zutritt; bis sich endlich unser Herr – der sein armes Weib in Hamburg im Elend sizzen läßt, in sie verliebte. – Und nun thut sie den ganzen Tag nichts – als uns arme Teufel plagen, dem Herrn Hörner aufsezzen, mit dem Grafen K.... spazieren fahren, von den andern Schauspielerinnen Handküße mit stolzer Miene empfangen – und spielt alle Rollen, die ihr gefallen. –«

Genug für einmal! – dachte ich mir, und gieng nach meinem Gasthof. – Des andern Tags lies mich der Grobian von Direktor erst eine Stunde im Vorzimmer passen, eh es ihm gefiel mir seine plumpe Herrlichkeit zu zeigen, die noch äußerst nach der Werkstätte roch, wo er ehedessen im Eisen gearbeitet hatte. – Endlich öffnete sich auf einmal der Tempel des Hochmuths; ich sah eine aufgeblasene, hochnasigte, vierschrötigte Figur im Sessel sizzen, die mich kaum des Dankes würdigte. –

»Herr, ich bin Schauspielerin! –« fuhr ich zornig heraus, weil mir der Handwerksflegel keinen Stuhl anbot.

»Kann wohl seyn, daß sie Schauspielerin ist« (antwortete der unverschämte Kerl, der sich der einzige geschikte Schauspieler zu seyn dünkt – und seine Rollen doch dabei so affektirt herunterschnarrt, wie der ärgste Stuzzer, der bei der Toilette einer eiteln Dame durch diese Mode-Gewohnheit sein Glük machen will. Alles, was dieser Hasenfuß spielt, trägt das Gepräge des Hochmuths an sich, in jeder Rolle sieht man diese Leidenschaft hervorblikken. – Despoten, stolze Narren[127] spielt er mit vieler Natur; ob er gleich den Muth hatte unsern unsterblichen Schröder in seiner Kunst anzugreifen, und ihm aus Neid den Beifall in Wien streitig machen wollte. – Doch nun wieder auf meine Antwort, die ich ihm gab:)

»Herr! wollen Sie bewiesen haben, daß ich Schauspielerin bin, so lassen Sie mich debutiren. –«

»So etwas erlaube ich bei meiner Bühne durchaus nicht.«

»So despotisch kann nur ein Monarch sprechen, und kein Direktor, der vom Publiko abhängt! –« In vollem Zorn schlug ich ihm die Thüre vor der Nase zu, und gieng zu Herrn von H..., der mir ohne Anstand einen Debut zusagte. O dann fieng der Direktor und sein Kebsweib vollends zu rasen an, zettelten unter dem Publikum Kabalen wider mich an, so viel sie nur konnten. Ich lies dem boshaften Kerl verschiedene Stükke vorschlagen, worinnen gute Rollen waren, aber sie wurden mir unter verschiedenen Ausreden von ihm versagt. – Ich mußte am Ende in einer Rolle auftretten, die nicht so empfehlend für mich war, als ich sie gewünscht hatte. – Demungeachtet entschloß ich mich troz aller Kabale zum Debut. Der Zufall wollte es, daß sich gerade zu dieser Zeit die meisten Herrschaften auf dem Lande befanden, und die Zuschauer bestunden meistens aus zügellosen Offiziers und Schulbuben; nur in den vordern Logen schienen stille Kenner des Theaters zu sizzen. Wie man mein Spiel aufnahm, sollst Du hernach hören; izt zur Probe des Stüks zurük, die am gleichen Tage meines Debuts gehalten wurde. – Als ich in das Schauspielhaus eintrat, saßen die mitspielenden Personen in der Garderobe, und bewillkommten mich mit lautem Gelächter. – Eine gewisse Kreatur Namens R..., und ihre Konsortin Z... spieen ihren giftigen Geifer gerade so zügellos über mich aus, wie es einer ausgeschämten Zuchthaus-Kandidatin eigen ist, die einige Jahre zuvor zum Schubkarrenziehen nach Temeswar mit andern H.... verurtheilt[128] war. – Es erinnern sich einige Leute noch recht gut, wie eben diese saubere R... wegen lüderlicher Aufführung P... verlassen mußte. – Es ist zu wünschen, daß sie sich izt in Rußland besser aufführt. – Wer beim Theater sein Brod suchen muß, hüte sich vor den zwei Schandweibern R... und Kr... Selbst die Hölle speit keine schwärzern Kreaturen aus, als diese zwei Weiber sind. Die leztere wird zwar für ihr Lasterleben hinlänglich gestraft, sie zigeunert als Thaliens Lastträgerin bei kleinen Gesellschaften im Lande herum. –

Doch izt zu meinem Debut. – Kaum erblikte man meinen Kopf, – noch hatte ich kein Wort gesprochen, so gieng es schon an ein Räuspern, an ein Sumsen im Parterre, als ob die Kabale Luft hätte, mir den Hals umzudrehen, noch eh ich zu spielen anfieng. – Ich gestehe es offenherzig, die Angst stokte meinen Athem, ich spielte nicht so gut, wie ich es sonst in der Gewohnheit hatte; aber die Kabale trieb es auch so teuflisch, das jedes Menschenfreundes Herz geblutet haben muß! – Kaum klatschten einige mir Beifall zu, so trieben die bestochenen Buben so lange ihren Unfug, bis sie den Beifall übertäubt hatten. – Möchte sich jedes fühlende Herz in meine damalige Lage versezzen können und den Jammer empfinden, der meine Seele durchwühlte! – Ich war in einer wilden, verzweiflungsvollen Laune! – Hätte es die Kabale bis zum öffentlichen Auspfeifen getrieben, mein Ehrengefühl würde mich in der Wut zu einer Mordthat verleitet haben. – Doch zum Glük ließ man mich mit getheiltem Beifall durchschlüpfen; besonders wurde meine Geistesgegenwart in einer Stelle äußerst applaudirt, wo die boshafte Z..., als mein Kammermädchen, mir in der Sterbszene den Stuhl wegzog, um diesen Auftritt durch mein Bodensinken ins Lächerliche zu bringen; aber kaum hatte ich die tödtliche Wunde empfangen, so blikte ich rükwärts, gab meinem Körper ein gutes[129] Gleichgewicht, und sank so künstlich auf den Boden hin, daß das Bild unendlich viel dabei gewann. –

Ich duldete mehrere dergleichen Streiche, unter andern spielte der Herr Direktor an meiner Seite den Liebhaber mit halb weggewandtem Gesichte, u.s.w. Endlich gieng das Schauspiel zu Ende, und ich eilte mit zerrissenem Herzen nach Hause.

Ein gewisser Direktor Seipp schreibt mir izt aus Temeswar, und begehrt mich zu seiner Gesellschaft. – In wenig Tagen reise ich dahin ab. Lebe indessen wohl, meine gütige Freundin, und grüße mir deinen Karl tausendmal! –

Amalie.

Quelle:
Marianne Ehrmann: Amalie. Band 1–2, [Bern] 1788, S. 126-130.
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