CXL. Brief

An Fanny

[179] Meine Theuerste! –


Die Gesellschaft, die ich im Postwagen bis hieher hatte, war nicht merkwürdig genug, um Dir etwas ausgezeichnetes davon sagen zu können; also muß ich wohl blos bei St.... stehen bleiben. – Aber, wie ich es zum voraus vermuthete, der Direktor bewies mir beim ersten Anblik die Leere seines Kopfs, und seine wichtige Miene kürzte meinen Besuch ab. – Was mag denn diesen Mann so aufgeblasen machen? – fragte ich in einer Gesellschaft, in die ich eben eintrat. – Dann schrieen die anwesenden bösen Weiber mir entgegen:

»Seine Börse ist seit einiger Zeit durch die Gutherzigkeit der treuen Ehehälfte so gespikt worden, daß er nun nicht mehr nöthig hat als Hanswurst mit dem hölzernen Degen Possenstreiche zu machen. – Ein reicher Kauz schoß ihm Kapitalien vor, verschrieb Leute, und gab aus Empfindsamkeit dem ganzen Theaterwesen bald ein anderes Ansehen. – Nun tragen die Schauspieler keine papiernen Manschetten mehr, wie ehedessen – und die Schauspielerinnen dürfen in keinen wollenen Kleidern mehr ihre Rollen aus Aerger verhunzen. – Aber wie dergleichen Leute es nun machen – (fuhren die plauderhaften Frau Basen fort) – wie sie es nun machen; sobald sie ein Bischen fliegen können, flattern sie dann wieder andern Eroberungen entgegen. – So machte es gerade unsere Direktrise auch. – Ihr flüchtiges unbesonnenes Temperament, womit sie sogar durch übles Beispiel die Verführerin ihrer eigenen Kinder wurde, riß sie bald wieder von dem reichen Kauzen[179] weg – und aus Zufall fiel sie dann in einer starken Erhizzung ganz ohnmächtig in die Arme eines Tänzers. – Sie sollten diesen Gekken nur erst kennen! – Er stinkt vor Hochmuth, trägt eine Eselsnase, womit er zu riechen vorgiebt, daß alle Frauenzimmer in ihn verliebt seyn müßen. Er soll auch dabei ziemlich brutal seyn, und unsinnig über alles wizzeln, was ihm aufstößt – ob er gleichwohl der größte Dummkopf von der Welt ist.« – Die geschwäzzigen Dingerchen hatten Lust mir noch mehr ins Ohr zu sagen, aber ich mußte mich entfernen, um der ganzen Gesellschaft meinen Besuch abzustatten. –

Ganz natürlich wies mich die Etikette zuvorderst an die Thüre der ersten Favoritin des Direktors. – Da fand ich dann ein runzlichtes, eingefallenes, überschminktes, gelbhäutiges Ding, das mich mit ziemlich spöttischem Nasenrümpfen empfieng. – Die schwarzen buhlerischen Augen bestättigten den schlechten Ruf, den ich in einigen Ländern schon von diesem Geschöpf gehört hatte. –

Bei meiner Durchreise in D.... sagte man mir, daß sie wegen ihrer Buhlerei mit dem dortigen Landesfürsten von seiner Gemahlin, nebst der ganzen Schauspielergesellschaft, seye fortgejagt worden; – und seither darf auch keine Schauspielergesellschaft mehr an diesem Orte spielen. –

Auf der Universität E... soll ein neunzehnjähriger Jüngling in seiner lezten Stunde ihr Bildnis in Stükke zerrissen haben, weil sie ihm hinlängliches Gift mitgetheilt hatte, um ins Elysium hinüber zu segeln. – Mehrere solcher Histörchen hat man mir auf meiner Reise von ihr erzählt. – Mein Herz war schon mit Abscheu angefüllt, noch eh ich sie sah. – Sie schwazt recht artig von der Theaterkunst; stellt sich aber dabei so albern, ziert sich so hochmüthig, ist so verschlossen für Gefühl und Ehre, daß man sie bei der ersten Unterredung hassen muß. – Ich wette tausend gegen eins, in Koketten- und buhlerischen Rollen ist sie Meisterin. –[180]

Von da gieng ich zur Madame ....; ein Weib, die von Eigenliebe strozt, und die ziemlich boshafte, neidische Launen haben mag. – Ihr ganzes Wesen verräth Mangel an Bildung und Erziehung. – So faul und kalt sie auch immer scheint, so hat sie demungeachtet ein ziemlich spizziges Züngelchen, ihre Nebenschauspielerinnen durchzuhecheln. –

Nun führte mich mein Weg zur Mademoiselle ...., einem erzdummen Gänschen von der ersten Gattung. – Sie affektiert heuchlerisch die Tugendhafte – und soll doch ihre ganze Garderobe von ihren Anbetern erhalten haben. – Wie das zugieng – das mag ich nicht untersuchen – geht mich auch nichts an. –

Endlich zur Madame ....; ein Weib, die in ihrem Betragen mehr einem Grenadier ähnelt, als einer Dame, wofür sie sich ausgiebt. – Sie hatte einen französischen Windbeutel geheirathet, der sie hernach sizzen lies. – Sie hat im Gebrauch, ziemlich von ihren Verdiensten zu schwadronnieren – räsonniert von der Schauspielkunst wie eine blinde Kuhe – zeigt ihre Garderobe jedem der sie besucht – ist falsch – verläumderisch, pöbelhaft – und affektiert die Vielwisserin. –

Von den übrigen Frauenzimmern weis ich nichts zu sagen – weil ich keine weiter besuchte. – In einigen Wochen soll ich debutiren; bis dorthin bekomme ich Anlaß mehrere Beobachtungen zu machen. Unterdessen verbleibe ich deine Dich auf das zärtlichste liebende Freundin

Amalie.

Quelle:
Marianne Ehrmann: Amalie. Band 1–2, [Bern] 1788, S. 179-181.
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