CLXII. Brief

An Amalie

[240] Mein Malchen, das verzeihe ich Dir in Ewigkeit nicht, daß Du mir bis jezt den Namen deines Freundes verschwiegst! – Wilhelm B.... wird dein Gatte? Der liebe B...., der so oft an dem vertrauten Busen meines Karls lag, als sie zusammen in G.... studierten? – Jener B...., dessen große Seele, dessen menschenfreundliche Handlungen in ganz G.... bekannt sind? – Jener B...., der sich zum Aerger Anderer schon so frühe zum Denker emporschwang, der allen Ergözlichkeiten der Jugend entsagte, um die Nothleidenden unterstüzzen zu können! – Mein Karl betheuert, daß er nie einen biederern Freund gehabt habe, als ihn. – Er betheuert, überall herrsche Feuer, Wohlwollen, mit reizender Begeisterung begleitet, in seinen Handlungen. – O Du glükliches, glükliches Weibchen! – Karl taumelt vor Entzükken! – Eine herrlichere Ueberraschung hättest Du uns gewis nicht bereiten können, ob sie gleich vielleicht wider deinen Willen geschah, denn ich glaube nicht, daß Du von der ehemaligen Verbindung dieser zween Freunde etwas gewußt hast. – Das Schiksal entfernte sie von einander, der junge B.... gieng auf Reisen, mein Karl hatte das Gleiche im Sinne, bis ich ihm dazwischen kam, seinen Plan scheitern machte, und ihr Briefwechsel aus Zufall unterbrochen wurde. –

Aber sage mir doch, wie geriethest Du denn an diesen vortreflichen Jüngling? – Wo lerntet ihr euch kennen? – Wie gieng denn das zu? – Wie kam es? – O daß Du mir nicht auch alles bis auf den kleinsten Umstand schriebst! – Um aller Welt willen, verhele ihm meine mistrauischen[240] Anmerkungen! – Er müßte mir gram werden, daß ich ihn, freilich unbekannter Weise, so beleidigen konnte. – O Malchen! – Malchen! – mein Entzükken über diese Entdekkung ist gränzenlos! –

Schmiege Dich fest an den Edeln, und wenn seine Verwandten sich in Furien verwandelten, so lasse ihn doch nicht! – An der Seite eines Wilhelm B.... wird jedes Weib zur beneidungswürdigen Sterblichen! – Und gesezt, sie entzögen ihm alle Glüks-Güter, so wirst Du bei seinen ausgezeichneten Talenten doch nie darben dürfen. –

Wenn ich ihn doch nur schon von Person aus kännte; Karl und ich können den Augenblik kaum erwarten, wo wir ihn sehen werden! – Guter, guter Vater im Himmel, so machst du denn meine Amalie auf einmal ganz glüklich! – Hast Du ihn endlich gefunden, Freundin, den, der einer Amalie würdig ist, – den, der Dir in Allem so gleicht, als ob die Natur bei der Schöpfung nur Einen Gedanken, nur Einen Endzwek zur engsten Harmonie gehabt hätte, – den, der Dir alle trüben Schiksale wird vergessen machen, – den, der Dir, mir und meinem Karl Thränen der innigsten Freude entlokt! – – Amalie, es giebt Wonne-Gefühle, die die Zunge fesseln, aber das Herz desto mehr erweitern zur Empfänglichkeit für die Freuden der Freundschaft; das ist jezt der Zustand deiner entzükten

Fanny.[241]

Quelle:
Marianne Ehrmann: Amalie. Band 1–2, [Bern] 1788, S. 240-242.
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