XXVIII. Brief

[56] Theurer, guter Friz! – daß ich über Deinen Zustand sehr unruhig bin, wirst Du mir vielleicht nicht so leicht glauben, weil Du mich als die Quelle Deiner Leiden betrachtest. Laß mich um alles in der Welt wißen, ob Du beßer bist, und ob ich Dich auf den Abend sehen werde? – Im widrigen Falle laufe ich schnurstraks in Dein Haus, und wenn mich auch Deine Verwandten lieblos zurükwiesen,[56] gleich viel! – Was kümmert mich ihre Grausamkeit. Du bist mehr werth, als das, was ich in hundert Jahren an meinen Augen abweinen könnte! –

Heute Abend scheint uns zwar ein Gewitter zu drohen, der Himmel sieht gerade so übellaunigt aus, wie Deine Nina; Auch sollte mich der Ausguß der Elemente nicht abschrekken, wenn ich an Deinem Busen schlummere, und Dein Herz wieder ruhiger schlagen höre! – – – – –

Zu allem bin ich bereit, was Du für gut findest, um uns heute noch zu sehen. – Wenn Du kein Feiger bist, der vor dem Geklatsch Deiner Verwandten zittert, so siehst Du mich heute, oder Deine Krankheit ist erdichtet.

Heiliger Gott! – Was ich da für Unsinn plaudere. – – – Laß mich um Gottes willen wißen, ob Du beßer bist? – Nun so bin ich denn zum immerwährenden Kummer geboren! –

Gerade jezt erhalte ich Dein zweites Billet. – Friz, vermag meine Liebe nicht Dich zu beruhigen? – Wenn Du denn durchaus nicht kommen kannst, so schreib mir bis halb drei Uhr, wie es um Dich steht? – Komm lieber nicht, als daß Du wieder so unendlich leiden solltest, so rasend unmenschlich hätte ich doch die Deinigen nicht geglaubt! – Und mir drohen? – Die Elenden! – Mir? – Ha! Kommt nur ich will euch empfangen! – Ihr sollt die Wuth eines liebenden Weibs kennen lernen! – – Zittern sollt ihr, oder weichen! – Eigennuz, – – Verdammtes, höllisches Laster, Du schufst Barbarei in des Menschen Gehirn!!! – –

Verkuppeln wollen sie Dich also? An wen denn? – Warum nennst Du mir die glükliche Prinzeßin nicht, der Du Falschheit auftischen solltest, weil Dein Herz mein gehört! – Merk Dir's Jüngling, es gehört mein, und sollte ich seinen Besiz durch Blut erringen! Mögen dann die Dummköpfe über meine Heftigkeit lachen, das kümmert mich nicht! – Ich halte mich in der Liebe an Mutter Natur, sie schuf unser[57] Herzen ohne politische Neben-Absicht, blos zur Liebe, und ich will ihre Rechte so lange vertheidigen, bis Menschen-Bosheit meine Kräften durch Gewaltthätigkeit schändet!!! –

Aber dazu werden es doch Deine Verwandten nicht bringen, der Monarch hat Ohren, und ich habe Muth und Entschloßenheit ihm Dinge zu entdekken, die er als Mensch vertheidigen muß! –

Narren sind das, kalte Narren, die Hinderniße in der Liebe nicht zu übersteigen wißen. –

Ich wundere mich nicht über das Gespötte, das sie über die Beharrlichkeit meiner stolzen Seele treiben werden, ich wundere mich nicht, daß sie Standhaftigkeit und große Leidenschaften für überspannte Thorheit halten. Wie kann ihr Schnekken-Blut in eine edle feurige Wallung kommen, um männliche Vestigkeit zu begreifen? –

Glaube sicher Friz, wer über unsere Geschichte lacht, wer sie für unbegreiflich hält, der ist gewiß in der Liebe keiner Beharrlichkeit fähig! – Helden haben ihr enthusiastisches Feuer, Patrioten ihren wahren Eifer, biedere Bürger feste Treue, und warum sollten Wahrhaftliebende keine Beharrlichkeit haben? – – Vorausgesezt, daß sie überzeugt sind, ohne Neben-Absicht zu lieben, so bald sie untersucht haben, ob es nicht blos jugendliche Uebereilung ist, worunter feurige Sehnsucht nach Genuß stekt, so bald sie wißen, daß die Natur sie an einander kettete, so bald sie bei gegenseitiger Untersuchung einer reinen Kritik fähig sind; – Kurz, so bald zwei Köpfe zusammen kommen, denen es nicht an Menschenkenntniß fehlt, die lange vorher unter freundschaftlicher Beobachtung die gegenseitige Gemüthsart untersuchten. – – Warum sollten solche Menschen nicht dem Vorurtheil trozzen können? – Blinde Liebe, die blos Eigensinn, Wollust, kindische Uebereilung, oder Empfindelei zu ihrem Grunde hat, artet leicht in ausschweifende Romanen-Züge aus, aber geprüfte[58] Vereinigung zweier denkenden Köpfe muß sich nicht stören laßen, wenn es der Dummheit einfällt, Bande zu zerreißen, die nicht aus Uebereilung geknüpft sind. –

Daß die unbesonnene Jugend bei Hindernißen in der Liebe nur zu oft eigensinnige, unvernünftige Streiche macht, will ich Deinen Verwandten gerne glauben. – Aber so etwas thun doch nur meistens Alltags-Köpfe, die ihr Ideal aus einem Roman entlehnten, und von ihren lüsternen Sinnen bei dem ersten Anblik des geliebten Gegenstandes schon so berauscht werden, daß in ihnen keine moralische Besorgniß mehr wegen der Harmonie des Karakters aufsteigt. – Dann bereuen solche junge Leute bei ungestörter Freiheit meistens ihre Wahl. – Bei uns ist aber das der Fall nicht, wir brauchen weder Schulmeister, noch Gouvernante, um unsern harmonischen Karakter untersuchen zu laßen. – Aus Erfahrung sind wir überzeugt, daß wir für einander taugen, kennen unsere Leidenschaften, empfinden wechselsweise die Güte unserer Herzen, rechnen nicht auf Nebenabsichten, und weh dem, der uns je trennen soll! – – So denkt Deine

Nina.

Quelle:
Marianne Ehrmann: Nina’s Briefe an ihren Geliebten, [o. O. ] 1788, S. 56-59.
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