LV. Brief

[100] Das war wieder eine jammervolle, schrökliche Nacht! – Friz, ende Deine eifersüchtigen Vorwürfe wegen Schark, oder Du bringst mich in's Grab! – –

Hatte ich nicht gestern mit dem Buben Holbaur Verdruß genug? – – War das von Dir vernünftig sich so zu vergeßen, und mir bittere Dinge zu sagen? Mußtest Du auch noch kommen und mir den lezten zufriedenen Gedanken wegstehlen? – Ueberdenke heute bei kälterem Blute unsere Lage, vergiß nicht einen Blik auf die Folgen zu werfen, die daraus entstehen könnten; und zittere! – –

Du kennst meine Rasereien, wenn ich anfange; Du weißt, zu welchen Thorheiten ich fähig bin, wenn Dein Mißtrauen und Dein beleidigter Stolz fortfährt auf mich loszustürmen. Ist es denn meine Schuld, daß ich noch hier bin? – Ist es nicht die Schuld der Umstände, daß meine Abreise noch auf wenige Zeit verschoben werden muß? – Und kann ich meine Base zwingen, daß sie dem Schark unser Haus verbietet? –[100]

Noch mehrere solche ungerechte Vorwürfe, Friz, und ich stehe weder für Scharks, noch für mein Leben! – Der Gedanke, daß meine feurige Liebe von Dir verkannt wird, machte mich so hart, so wahnsinnig, daß mir mein Leben um eine Steknadel feil würde! – – Ich habe Schark mit aller Gewalt zu einer Zänkerei zwingen wollen, ich hätte ihn gerne aus Verzweiflung mit Vorsaz verleitet, mir ein Messer in's Herz zu stoßen, so sehr war ich meiner Lage müde! – Zum Glükke donnerte ihn meine Wuth zusammen, daß er weggieng und staunte! – Nenne es immer sträfliches Extrem; aber wer brachte mich dazu? – – Wer ist sträflicher, ich, oder Du? – – Gott! – Was hast Du mir für herzangreifende Vorwürfe gemacht! – Du sprachst mir alles Gefühl ab, nanntest mich eine Lieblose, eine Undankbare, und das blos, weil mir ein unbedeutendes Wort über Schark entwischte, daß Du zu seinem Vortheil auslegtest. – Du bist wahrlich überzeugt, daß ich die wenige Nachsicht, die ich gegen Schark brauche, blos aus Politik brauchen muß; Du mußt davon überzeugt seyn, sonst würde ich Dich verachten, wenn Du mich ohne diese Gewißheit lieben könntest. – –

O Friz! – Friz, ist es möglich, daß Du so lange Zeit aus Liebe nachzugeben wußtest, und jezt auf einmal überfällt Dich eine höllische Eifersucht? – Sey sanft, sey vernünftig, um Deines guten Herzenswillen bittet Dich Deine

Gattinn. –

Quelle:
Marianne Ehrmann: Nina’s Briefe an ihren Geliebten, [o. O. ] 1788, S. 100-101.
Lizenz:
Kategorien: