LXVIII. Brief

[124] Rosenthal, den 30 November.


Ewig theurer Friz! – Gestern konnte ich Deinen Brief kaum abwarten, es trieb mich, ich mußte wenigstens Röschen entgegengehen. – Lies aus beiligendem Aufsaz, was ich die zween Tage ausstund, weil die Post nicht kam. – Gott, so macht denn eine Sorge der andern Plaz? – Kaum entzükte mich eine Nachricht von Dir, so sehne ich mich schon wieder nach einer andern. – O warum bin ich denn ein so ungedultiges Geschöpf? – Sonst war ich überall sanft, nachgebend, nur in der Liebe kennen meine Wünsche keine Gränzen. – Diese Entfernung Friz, diese Entfernung ist härter, als ich glaubte! – Ich bin so ganz taub für alle Ruhe; Dein Andenken, Dein Bild, Deine Stimme, Dein Wesen folgt mir in meiner Einöde, wie ein Schatten; bald sehe ich Dich lächelnd, bald mit einer Thräne im Auge, bald finster, bald ruhig, bald gepeinigt von Verdrießlichkeiten wegen meiner. – Ich wünsche, daß Du Dich bald von Deiner Familie losrißest! – O Ja Friz! – O ja, sieh Dein Weib bittet Dich darum. – Du sollst meine Dankbarkeit kennen lernen, ein dankbares, durch Liebe beseeltes Herz ist doch wohl im Stande das Leben eines fühlenden[124] Mannes zu beglükken? – Nicht wahr, Friz, Dankbarkeit ist die erste Tugend und der größte Beweis eines unverdorbenen Herzens. –

Englische, herrliche Seele von einem jungen Mann, sag, wer hat Dich denn so groß, so hervorragend in der Liebe und Freundschaft, in der Großmuth und Menschenfreundlichkeit geschaffen? – – Ich würde mein Leben, meine Seligkeit Deinen Händen anvertrauen. – – O sey mir gesegnet fünfter April, wo ich Dich zum erstenmal sah! – Sey mir gesegnet Augenblik, wo Du von mir Liebe fodertest, die ich schon so lange heimlich für Dich im Busen trug. – Und wie ich dann so hastig zugriff, wie ich nach Dir haschte, wie ich Die wurmstichigen Seelen, die ich vor Deiner kannte, gleich alle von mir wies und nur Dir anklebte. – Weißt Du noch, Friz, – wie ich Dich gleich vor jenen Galanterie-Helden verehren mußte, – wie Du mich hinzogst an Dich mit Göttermacht, wie ich alle kleinen Eitelkeiten vergaß, wie ich nur Dich sah, nur Dich hörte, nur von Dir wißen wollte? – Ha! – Seliges, seliges Andenken, daß mich in meiner lezten Stunde noch erquikken soll! – Nun gehe hin Du Liebling und suche Dir in der weiten Welt ein Weib, die das fühlt und die jedes Gefühl durch Denken verfeinert, vergrößert, die das kleinste Theilchen von Deinen Verdiensten sich zum Himmel schaffet. – – Mit dieser Ueberzeugung Deiner moralischen Verdienste lieben gewiß wenige Mädchen ihre Liebhaber, ich kenne mein Geschlecht, es hängt sich zu gerne an die Schale, zu gerne blos an Körper. – Unter dem Schwarm meiner Anbeter war ich in Rüksicht Deiner immer mißtrauisch gegen mich, ich glaubte Dich nicht wonnetrunken genug, um Dich an meine mächtige Liebe hinzureißen, nur zuweilen flüsterte mir meine Eitelkeit in's Ohr: Vielleicht würde ihm doch mein Herz willkommen seyn, wenn er es recht kännte, weil ich nur zu gut die elenden[125] Fleischbrokken von andern Mädchenherzen kenne. – Du, in den Händen einer solchen kaltblütigen Seele, von Gleichgültigkeit und Dummheit zusammen gestoppelt, Du in den Händen einer solchen hökkerichten Alltags-Seele, die an Dir abglitschte, wie an einem harten Stein. – O bei Gott, wenn Du einem solchen Geschöpfe in die Hände gerathen wärst, ich würde als Freundinn über Dein Schiksal rasend geworden seyn, wenn ich Dich auch nur in der Entfernung hätte lieben dürfen. – –

Eine solche Erinnerung kann mich trübe machen, Du kennst meine Begriffe von Dir, sie sind hell, trügen mich nicht leicht, aber wenn ich auch einmal den Werth einer Person einsah, dann lies ich mich nicht von ihr entfernen, und wenn mich das Vorurtheil in Stükke zerriße! – –

Nun denn, lieber Gatte, laß mich Dir künftigen Montag nicht umsonst entgegen zittern, wenn es anders die Klugheit erlaubt und Du kommen kannst. – Sey vorsichtig, daß man Dir nicht etwa auflauert. – – Komm, o komm sicher in die Arme Deiner treuen Gattinn. – –

Nina.

Quelle:
Marianne Ehrmann: Nina’s Briefe an ihren Geliebten, [o. O. ] 1788, S. 124-126.
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