III.

[40] Rasenplatz vor einem Dorfe. Bauernhochzeit. Tanz und Gesang.


REIGEN.

Wir dampfen,

Im Stampfen,

Und nimm es nicht krumm,

Dein Bengel

Mein Engel

Der schwenkt dich herum.[40]

KÖNIG der sich lustwandelnd nähert.

Oh, ein bukolisches Vergnügen,

Zwei Herzen, die einander kriegen!


Ein Bursch und ein Mädchen treten rasch aus dem Tanz.


ER.

Du sollst nicht nach den Burschen schaun!

SIE.

Und du nicht nach den jungen Fraun!

ER.

Ich laß' mich unter die Soldaten werben!

SIE.

Ich werd' drum nicht ab Jungfer sterben.

KÖNIG.

Die zanken ja recht grob und laut.

Wer bist du, holdes Kind?

SIE.

Die Braut.

KÖNIG.

Braut? Du? Ei, ei – ha, ich verstehe –

Ein harter Vater – gezwungne Ehe

Du kannst den Jüngling dort nicht lieben?

SIE.

Warum nicht? Hat'nen hübschen Hof da drüben,

Drei bunte Kuh und ein fettes Schwein.

KÖNIG.

Ach, das ist ja ganz gemein.

Hymen, nur Seele an Seele reiht er –

SIE.

Da kommt der Vater, mit dem gackelt weiter.


Läuft fort.


KÖNIG zum Vater.

Hört, aus der Partie wird nichts, ihr Herrn!

VATER.

Oho, ein fremder Lustigmacher,

Die wittern den Hochzeitsbraten von fern.

KÖNIG.

Zärtliche Herzen, sie sind nicht zum Schacher.

VATER.

Zu schachern? Topp, Jude! heut kauf' ich gern!

KÖNIG.

Des Starrkopfs Tücken hier will ich wandeln.

EIN BAUER.

Wie? Mit Kopfstücken will er handeln?

KÖNIG.

Ja, ich verlange höh're Gesittung –

VATER.

Was! und darüber verlangt er noch Quittung?

KÖNIG.

Hoch in der Luft –

BAUER.

Wo?

KÖNIG.

Walten und schlummern –[41]

VATER.

Wo siehst du Nummern?

KÖNIG.

Was denn?

BAUER.

Bei Gott, da kommen sie an.

BAUERN UND TÄNZER plötzlich nach allen Seiten auseinanderstiebend.

Die Nummernjäger! rett' sich, wer kann!

KÖNIG.

Was kommt denn da für ein entsetzlich Schnattern?

Die Luft wird dunkel, Papiere flattern.


Fliegende Hefte im Wind, hinterdrein die Nummernjagd.


ERSTER JÄGER.

Das ist fürwahr jetzt ein unruhig Wetter,

Der Wind verwirrt uns die zahmsten Blätter.

OBERJÄGERMEISTER.

Das müßige Volk hat da auch noch Zeit

Zu Narreteien und Lustbarkeit!

Nun ja, nicht rechts und nicht links geblickt,

Gestoßen, gehascht und aufgespickt,

Der hohen Bestimmung nicht vergessen!

ZWEITER JÄGER.

Das ist einmal ein Aktenfressen.

DRITTER JÄGER.

Da seht, ein kapitales Stück,

An die zweihundert Folien dick!

KÖNIG.

Halt, halt! ich seh's an den Tintenfässern,

Sind meine Leut', die die Welt verbessern.

OBERJÄGERMEISTER.

Wer ist allhier denn so verwegen,

Sich dem Geschäftsgang in den Weg zu legen?

ERSTER JÄGER.

Gewiß ein Poet, so ein Allotrientreiber.

Seid nützlich, Mensch, engagiert euch als Schreiber.

KÖNIG.

Aber so hört' doch – ein Herz bricht vor Leid,

Ein tyrannischer Vater, der zum Himmel schreit –

OBERJÄGERMEISTER.

Ach was da, wir haben keine Zeit!

DIE ANDERN.

Platz hier, halt' das Gemeinwohl nicht auf!

Für König und Vaterland, hurra, frisch drauf!


Sie stürmen weiter.


EIN BAUER steckt den Kopf vorsichtig aus dem Gebüsch hervor.

Ich trau noch nicht recht, ist's wieder vorüber?

KÖNIG.

Aber, was war denn das eigentlich, mein Lieber?

Das trampelt ja über Beete und Saat –[42]

BAUER.

Man nennt das hier zu Lande den Staat,

Das pflegt so manchmal heraufzurucken

Wie Hagel und andre Kalamität

Man muß sich eben ein wenig ducken,

Und nur nicht mucken, es kommt und geht

Und bleibt am Ende alles beim Alten.

KÖNIG.

Ich glaube, ihr seid hier alle verdreht.

Ich kann vor Verwunderung den Kopf noch nicht halten.

REIGEN wieder hervorbrechend.

Jetzt hampelt

Und trampelt

Von frischem herum!

KÖNIG.

Und auch der Tanz da, das wilde Schwenken,

Gar keine Grazie in den Gelenken!

REIGEN.

Wer schwatzt da?

He, Platz da!

Wir rennen dich um!


Der König wird tanzend von der Bühne gedrängt.


Quelle:
Achim von Arnim: Das Loch. Berlin 1968, S. 40-43.
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