VI.

[54] Früher Morgen. Garten des Paphnutius, im Hintergrunde sein Schloß mit Balkon, von dem Stufen hinabführen. Paphnutius tritt auf.


PAPHNUTIUS.

Wahrhaftig, da graut der Tag noch kaum.

Ich könnt' nicht schlafen auf meinem Kissen,

Ich träumt' und träumt' – das war ein Traum!

Nun, nun, man kann nicht wissen, man kann nicht wissen –

Die das Schicksal machen, die hohen Herrn,

Sie sehen auch auf Schickseln gern.

Der König war kaum angekommen,

So hatt' er schon die Lorgnette gekommen:

»Es haben mir hier Töchter zu sein geschienen. –«

»Nur eine Base, Ew. Majestät zu dienen.«


Er blickt umher.


Der Morgen mich ordentlich in die Augen sticht.

Ja, wer pries da Jehovahs Allmacht nicht!

Die Blumen, die Bäume, Garten und Wiesen

Lauter Diamanten, Smaragden und Türkisen,

Der Himmel von Dukatengold, auch nicht schlecht –

Mein! was hat er davon, 's ist ja doch nicht echt.

Ja, im Traum erblickt' ich mich voll Entzücken,[54]

Ich mußte mich vor mir selber bücken:

Auf der Brust einen Stern von den reinsten Brillanten,

So eine Art Hausorden von hohen Verwandten –

Unsre Leut' hatten all' die Hüte abgenommen

Und zischelten, ob da nicht der Messias gekommen?

Der Offizier, wie er mich so sieht promenieren,

Ruft selbst: Heraus! Läßt die Trommel rühren

Ich nick' ein wenig, die Wachen präsentieren –


Er promeniert vorüber; währenddes erscheint der Narr mit Kron und Szepter auf dem Balkon.


NARR.

Fürwahr, ich seh' recht würdig aus.

So tret' ich freundlich denn hinaus,

Mich dem entzückten Volk zu zeigen;

So – rechts und links mich huldvoll erst verneigen –

Aber wer kommt denn dorther so verwegen,

Als war die Welt an ihm gelegen?

FREIMUND im Garten.

Genug bin ich nun in die Hütten gekrochen,

Da war es schmutzig und hat übel gerochen,

Nun will ich an die Paläste pochen –

Da steht ja gleich einer.


Er klopft an die Schloßtür.


NARR.

Herein.

FREIMUND.

Es scheint mir der König selbst zu sein.

Da komm' ich ja eben wie gerufen

Und trete keck an des Thrones Stufen.

NARR.

Guten Morgen, mein lieber Untertan.

FREIMUND in erhabener Stellung.

Es führt ein Gott hier einen freien Mann

Zu Ihnen, Sir', eh' Sie der Tag verschachtet –

Ich stand und sann und eine Träne rann,[55]

Denn dunkel war es und das Land umnachtet.

O Sire, lösen Sie des Lichtes Bann,

Wonach die Menschheit freiheitdürstend schmachtet

Und Volkes Schrei wird orgelndes Entzücken!

NARR.

Es hängt der Zopf recht stattlich dir im Rücken.

FREIMUND erschrocken hinter sich sehend.

Zopf? mir?

NARR.

Und wenn ich dich dran hängen ließe? –

FREIMUND.

Und richtend Sie die Nachwelt: Narr hieße?

NARR mit über der Brust gekreuzten Armen.

Welt – Nachwelt – ha, papierne Knabendrachen.

FREIMUND.

O Sire, nicht dies schneidend kalte Lachen!

NARR.

'S ist so mein gähnendes Hyänenlächeln. –

Mich lüstert recht, mit einem Herren Vetter

Um der erschrocknen Gauen Los zu knöcheln.

Es fragt der Blitzstrahl nicht, wen er zerschmetter',

Und über und Völkerröcheln

Geht unbekümmert hin das Donnerwetter! –

Reich's schriftlich ein, ich will dich drauf bescheiden,

Nun geh' und laß dir drinn den Zopf verschneiden.

FREIMUND für sich.

Mir graut zwar nicht vor des Tyrannen Wink,

Doch wende ich mich stolz und etwas flink.


Er verneigt sich kalt und springt dann hastig in die Schloßtür.


NARR.

Ha, Marquis Posa, der da dithyrambte,

Fand'st deinen Philipp, der dich überjambte!

PAPHNUTIUS wieder unten im Garten erscheinend, den Narr erblickend.

Aha, der schwärmt – von jeher ja beliebten,

So mit sich selbst zu reden die Verliebten.

Ich verstecke mich hier hinter die Ranken

Vielleicht spricht er wieder in Gedanken.


Er tritt hinter eine Laube.


NARR.

Da schweift ein Mädchen schon so früh durch's Grüne.[56]

PAPHNUTIUS.

Ja, dacht' ich's doch – er sieht die Colombine.

NARR.

Ich seh' nur Streifen des Gewands.

PAPHNUTIUS.

Ich, Schwiegervater des Vaterlands –

NARR.

Mein großer Tubus, ha, wo ist er?

PAPHNUTIUS.

Elefantenorden – Premier-Minister! –

COLOMBINE tiefer im Garten singt.

Pensionsanstalt, wie liegst du so weit,

Langweilige Zeit!

Vor der Anstalt an der Linde

Saß und strickt ich ganz verschneit

Von den Blüten – nicht vom Winde,

Denn der Abend atmet kaum

'S war der Kasperl auf dem Baum.

NARR.

Kasperl? – ja so heiß' ich – welcher Ton?

Woher kennt mich die Person?

COLOMBINE singt wieder.

Rosinen und Mandelkern,

Die eß' ich so gern!

Warf er mir auf Schoß und Nacken,

Ja, da sah der Abendstern

Mich so oft zufrieden knacken –

Und nun hat er sich verlaufen,

Muß mir selbst die Mandeln kaufen.

NARR.

Das ist richtig. Ja, sie ist es ohne Frage,

Kenn' die Nachtigall an ihrem Schlage!


Er stürzt in den Garten hinab und prellt mit Paphnutius zusammen.


Ihr kommt ja grade zurecht wie ein Wechsel auf Sicht!

Ihr seid doch hier auch auf die Gleichheit erpicht,

Runkelrüben und Menschenbeglückung?

PAPHNUTIUS.

Ja wohl, mit untertäniger Entzückung.

NARR.

Vortrefflich! die Lieb' gehört auch in dies Fach:

Ein Ach, ein Bach, einer Hütte Dach

Und zweier zärtlicher Herzen Vereinung –

PAPHNUTIUS.

Bin ganz derselben hohen Meinung.[57]

NARR.

Drum mach' ich mir auch nichts draus,

Ob meine Braut aus einem alten Haus,

Es weiß ja keiner, wie's ihm morgen gehe.

PAPHNUTIUS.

O, ich verstehe. –

Und in der Lieb aufs Herz nur sehe!

NARR.

Was ist Rang, Geld, wenn ich's recht betrachte!

PAPHNUTIUS.

Ha, wie ich diesen Mammon verachte!

NARR.

Kurz: kann ich Euere Jungfer Tochter kriegen?

PAPHNUTIUS.

Sie soll an's klopfende Herz Euch fliegen.

NARR.

Laß't Euch embrassieren, Schwiegerpapa!

PAPHNUTIUS.

Das geht ja ganz vortrefflich, Sassa!


Beide unter heftigen Umarmungen ab.


Quelle:
Achim von Arnim: Das Loch. Berlin 1968, S. 54-58.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Das Incognito
Das Incognito

Buchempfehlung

Tschechow, Anton Pawlowitsch

Drei Schwestern. (Tri Sestry)

Drei Schwestern. (Tri Sestry)

Das 1900 entstandene Schauspiel zeichnet das Leben der drei Schwestern Olga, Mascha und Irina nach, die nach dem Tode des Vaters gemeinsam mit ihrem Bruder Andrej in der russischen Provinz leben. Natascha, die Frau Andrejs, drängt die Schwestern nach und nach aus dem eigenen Hause.

64 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.

468 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon