Dreizehn Jahre alt

[15] Wie du im Abendqualm

So einfältig an mir vorübergehst,

Tauchst du in meinen Gleichmutblick den deinen –

Den deinen

Der in dem mageren Gesicht wie eine Frage,

Wie feuchter grauer Schimmer schwimmt –

O unbewußte Mädchenklage –

Dein Auge frägt – dein Auge glimmt –


Du hast so sehnsuchtmagere Glieder,

Du trägst noch zartgeflochtene falbe Kinderhaare,

Du hast so aufgeschossene Glieder,

Du bist wohl dreizehn Jahre alt – schon dreizehn Jahre –

Du trägst das blaugepunkte kurze Kleid

Aus Waschkattun,

Du gehst in lächerlichen Kinderschuh'n –

Du steckst noch ganz in Kindlichkeit,

Doch dein Auge – dein Auge allein....


Doch gehst du wie in trübem Bangen,

Doch gehst du so befangen –

Ich weiß, es weht der Frühjahrswind –

Die Luft ist dunstigblau, blütenlind –

Du möchtest gern dich selbst erlösen –


Geh weiter – weiter, kleines blasses Kind –


Quelle:
Gerrit Engelke: Rhythmus des neuen Europa, Jena 1921, S. 15-16.
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Rhythmus des neuen Europa: Gedichte (German Edition)