Neuntes Kapitel

[128] Weckte sie Leichtsinn, oder Vernunft? – genug sie erwachte zuerst aus dem schönsten der Träume, und wollte auch mich daraus wecken.

Die Grausame! fühlte sie nicht daß es mein Leben galt? – fühlte sie nicht, daß die erbärmliche Wirklichkeit die sie mir anprieß, mich elend machte! – jetzt da ich sie mit der namenlosen Womne, die mein ganzes Wesen durchströmte, und die sie Täuschung nannte, vergleichen konnte! –

Ach die Kalte! Treulose! ich suchte sie wieder an meinem brennenden Herzen zu erwärmen – aber das göttliche Feuer[128] drang nicht bis zu dem ihrigen! – sie war und blieb todt in meinen Armen.

Da schäumte ich vor Wuth – da lief ich hinaus in Sturm und Regen und wußte nicht wo ich war, und kannte mich selbst nicht mehr. Das Herz wollt' ich mit eignen Händen mir zerfleischen, in die Fluth wollt' ich mich stürzen, um den verzehrenden Brand in meinem Innern zu löschen.

Ach Gott! da zog es mich wieder gewaltsam zu ihr hin – da fühlte ich, daß ich noch lebte, und nur lebend sie noch sehen, sie noch umarmen konnte. –

Da gingen die wonnevollen Stunden noch einmal wehmüthig lächelnd vor mir vorüber. – »Flieht nicht! flieht nicht auf ewig«! – rief ich; und breitete meine Arme weit aus, als wollte ich meine ganze scheidende Glückseligkeit noch einmal umfangen.[129]

Aber es war nur die Luft die ich umarmte – und das Wesen was in diesen Armen sonst vor Wonne erbebte – das Wesen war fern – vergaß mich vielleicht – dieser Gedanke öffnete eine Hölle! – ich stürzte zurück, und fand mich an ihrer Thüre, ohne zu wissen, wie ich dahin gekommen war.[130]

Quelle:
Karoline Auguste Ferdinandine Fischer: Gustavs Verirrungen. Leipzig 1801, S. 128-131.
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