Sechstes Kapitel.

[191] Da wollen wir bald Rath schaffen, sagte der Prior, und befahl dem Bruder Glöckner, zu läuten. Die ganze Brüderschaft versammelte sich, der Prior trat an ihre Spitze, und so zogen sie in Prozession zu Don Fernandez.

Der Prior winkte Bruder José, der ein Tabernackel trug, und sie giengen hinein. Don Fernandez küßte ihnen die Hände, und stotterte Danksagungen für die empfangene Wohlthat. Die Mönche behaupteten ihre Gravität, und forderten die heilige Reliquie zurück.

Don Fernandez öffnete den Schrank, legte die Hosen in ein seidenes Tuch, und überreichte sie dem Pater Prior mit einem Fußfall. Der Prior steckte sie in das Tabernackel, und ließ sie die Anwesenden küssen. Die beiden Schwestern thaten es mit Inbrunst, und er drückte ihnen verstohlen die Hand.

Die Prozession gieng zurück; ihr feierlicher Gesang rief das Volk herbei, und jeder wollte[191] die Hosen küssen, die Weiber, um fruchtbar, die Männer, um mannhaft dadurch zu werden.

Mundus vult decipi, sagte der Prior leise zu seinem Schildträger. – Ergo decipiatur! gab Bruder José zur Antwort: auf den Abend ist er wieder fort.

Wirklich stellten sich auch die Wunderthäter wie der ein, und die frommen Schwestern hatten die Freude, nicht nur die irdische Hülle, sondern auch ihren Heiland im Fleische zu schauen.

Fußnoten

1 Man würde dem Verfasser Unrecht thun, wenn man glauben wollte, er habe die Absicht, die ächten heiligen Reliquien lächerlich zu machen. Er kennt und verehrt sie, wie er soll. Seine Satyre trifft nur die Bosheit und die Irreligiosität des schändlichen Mißbrauches.


2 Haarnez, welches die spanischen Weiber statt der Haube tragen.


3 Gebenedeiet seien die Hosen des heil. Bernhard.


Quelle:
Christian Althing: Dosenstücke, Rom; Paris; London [o.J.], S. 192.
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