5. Auf eines Kindes Ableben

[41] Wo ist der Gärten Pracht, der Blumen Königin,

der Augen liebe Lust, die Anemone hin,

die so nur gestern noch in ihrem Purpur-Munde

und keuschem Angesicht' allhier zugegen stunde?

Wo ist denn heut' ihr Schmuck, ihr wollustvolles Häupt

und mit einander sie? Sie ist schon abgeleibt.

Hier steht ihr grüner Fuß, der Stengel, noch zu schauen,

der schon auch matt und welk. Hier siehst du, was zu trauen,

Mensch, auf dein Leben ist! Der, den man itzt begräbt,

das herzeliebe Kind, hat neulich noch gelebt,

und itzt, itzt starb es hin! Es war wie eine Blume,

wo nur nicht leichter noch, mit seiner Schönheit Ruhme.

Hier liegt sein leerer Leib; ihr Stengel steht noch hier.

Bald wird der Keins mehr sein. Beklagt es doch mit mir!

Was hilft es Menschen sein, was liebe Blumen küssen,

wann sie sind schöne zwar, doch balde nichts sein müssen!

Quelle:
Paul Fleming: Deutsche Gedichte, Band 1 und 2, Stuttgart 1865, S. 41.
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