|
[296] 1632 Mai.
Recht so, liebe, traute Beide!
Ihr bequemt euch nach der Zeit
und geht an die süße Freude,
welcher itzt sich Alles freut.
Alles freiet in dem Maien:
solte denn der Mensch nicht freien?
Der verliebte Himmel lächelt
in die gleicherwärmte Luft,[296]
welche gleichsam Küsse fächelt
auf der schwangern Erden-Kluft,
die bald Beiden, so sie liebet,
tausent' schöner Kinder giebet.
Die demantenen Gewässer
fliegen durch den jungen Moß,
und die Wellen flechten besser
einen in den andern Stoß,
daß es an den Ufern klinget,
als wenn Mund mit Munde ringet.
Diese Tropfen, die wir schauen,
wenn der Tag noch ist ein Kind,
auf den aufgedeckten Auen,
gläubt es, daß es Küsse sind,
die die bulerischen Sternen
lassen sinken her von fernen!
Und wer zweifelt an dem Bulen,
das ihr Federvölker treibt
in den grünen Wälderschulen?
Niemand lebt nicht, der nicht gläubt,
daß die süßen Melodeien
nichts als Buler-Lieder seien.
Sei gegrüßt, du Fürst der Zeiten,
du des Jahrs Apell, o Mai!
Wer wird mich wol überstreiten,
daß itzt nicht gut freien sei,
da doch Alles, was sonst liebet,
uns befugten Anlaß giebet?
Wenn die Tage länger werden,
und der güldnen Sonnen Schein
noch zur Zeit der muntern Erden
nicht gelernt beschwert zu sein,
wenn ihm Alles, was wir sehen,
lässet billich wol geschehen:
das sind deine schönen Stunden,
o du Herzog aller Zier!
Alles hastu dir verbunden,
und diß liebe Paar allhier[297]
giebet dir den Preis der Ehren,
daß du wol kanst freien lehren.
Schöne Braut, gedenkt zurücke
und erwägt des Himmels Gunst,
der euch, helfe Gott zu Glücke!
einen Weinman, eure Brunst,
einen Weinman, der euch liebet,
für den Wasserführer giebet!
Gehet nun, umfangt den Lieben
und tut, wie ihr vor getan,
setzet fort, was vor verblieben,
weiset euren Weinman an,
daß er eurer Planken Netze
wol um seinen Weinberg setze!
Ich verhoff' es zu erleben,
daß, wenn uns der warme Wein
pflegt am meisten Lust zu geben,
dort, wenn es noch kalt muß sein,
zu dem Trunk' ein süßes Lachen
euch das liebe Kind wird machen.
Ausgewählte Ausgaben von
Deutsche Gedichte
|
Buchempfehlung
Dem Mönch Medardus ist ein Elixier des Teufels als Reliquie anvertraut worden. Als er davon trinkt wird aus dem löblichen Mönch ein leidenschaftlicher Abenteurer, der in verzehrendem Begehren sein Gelübde bricht und schließlich einem wahnsinnigen Mönch begegnet, in dem er seinen Doppelgänger erkennt. E.T.A. Hoffmann hat seinen ersten Roman konzeptionell an den Schauerroman »The Monk« von Matthew Lewis angelehnt, erhebt sich aber mit seiner schwarzen Romantik deutlich über die Niederungen reiner Unterhaltungsliteratur.
248 Seiten, 9.80 Euro
Buchempfehlung
1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.
396 Seiten, 19.80 Euro