Schwerin

[212] Nun aber soll erschallen

Dir Preis und Ruhm, Schwerin,

Der du vor Prag gefallen

Beim Sturme der Batt'rien;

Es lebt in eins verschlungen

»Schwerin« und »Schlacht bei Prag«,

Drum sei dein Lob gesungen

Durch deinen Ehrentag. –[212]


Des sechsten Maies Morgen

Schwebt über Berg und Au,

Der Feind ist wohlgeborgen

Durch Gräben und Verhau;

Es halten seine Flügel

Die Höhen rings besetzt,

Ein feuerspei'nder Hügel

Ist jede Kuppe jetzt.


Hier wird die Schlacht geschlagen!

Steil ist die Bergesbahn,

Doch siegen und nicht wagen,

Das heißt nur halb getan;

Die Grenadiere stürmen,

Kartätschen prasseln drauf,

Und vor den Hügeln türmen

Sich Leichenhügel auf.


Am Boden liegt vernichtet

Schwerins Leibbataillon;

Ein Eichwald, tief gelichtet,

So steht ein zweites schon;

Getroffen sinkt danieder

Gen'ral von Winterfeld,

Und die zerschoßnen Glieder

Nichts mehr im Feuer hält.


Sie fliehn. Die alte Erde

Bebt selbst, als ob ihr's graut,

Da steigt Schwerin vom Pferde:

»Mir nach!« so ruft er laut;

Er faßt die alte Fahne,

Noch nie zur Flucht gewandt,

Daß er den Sieg erbahne

Mit seiner Greisenhand. –


Die Hügel sind erstiegen,

Die Kaiserlichen fliehn,[213]

Doch trauervolles Siegen,

Im Sterben liegt – Schwerin;

Vier Kugeln, erzgegossen,

Sie haben ihn zerfetzt,

Die Fahne, die zerschossen,

Sein Bahrtuch ist sie jetzt.


Die Truppen ziehn vorüber

Mit dumpfem Trommelschlag,

Solch Tag des Glücks ist trüber

Als mancher Unglückstag;

Wie Wetterwolkenschwere

Sieht man's am Himmel ziehn,

Sie ziehen vorauf dem Heere,

Sich lagernd über – Kolin.


Quelle:
Theodor Fontane: Sämtliche Werke. Bd. 1–25, Band 20, München 1959–1975, S. 212-214.
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