Prinz Louis Ferdinand

[219] Sechs Fuß hoch aufgeschossen,

Ein Kriegsgott anzuschaun,

Der Liebling der Genossen,

Der Abgott schöner Fraun,

Blauäugig, blond, verwegen

Und in der jungen Hand

Den alten Preußendegen –

Prinz Louis Ferdinand.


Die Generalitäten

Kopfschütteln früh und spät,

Sie räuspern sich und treten[219]

Vor Seine Majestät,

Sie sprechen: »Nicht zu dulden

Ist dieser Lebenslauf,

Die Mädchen und die Schulden

Zehren den Prinzen auf.«


Der König drauf mit Lachen:

»Dank' schön, ich wußt' es schon;

Es gilt ihn kirr zu machen,

Drum: Festungsgarnison;

Er muß in die Provinzen

Und nicht länger hier verziehn,

Nach Magdeburg mit dem Prinzen –

Und nie Urlaub nach Berlin.«


Der Prinz vernimmt die Märe,

Saß eben bei seinem Schatz:

»Nach Magdeburg, auf Ehre,

Das ist ein schlimmer Platz!«

Er meldet sich am Orte,

Und es spricht der General:

»Täglich elf Uhr zum Rapporte

Ein für allemal!«


O Prinz, das will nicht munden,

Doch denkt er: ›Sei gescheit,

Volle vierundzwanzig Stunden

Sind eine hübsche Zeit.

Relais, viermal verschnaufen,

Auf dem Sattel Nachtquartier,

Und kann's ein Pferd nicht laufen,

So laufen's ihrer vier.‹


Hin fliegt er wie die Schwalben,

Fünf Meilen ist Station,

Vom Braunen auf den Falben,

Das ist die Havel schon,[220]

Vom Rappen auf den Schimmel,

Nun faßt die Sehnsucht ihn,

Drei Meilen noch – hilf Himmel,

Prinz Louis in Berlin.


Gegeben und genommen

Wird einer Stunde Glück,

Dann, flugs wie er gekommen,

Im Fluge geht's zurück,

Elf Uhr am andern Tage

Hält er am alten Ort,

Und mit dem Glockenschlage

Da steht er zum Rapport. –


Das war nur bloßes Reiten,

Doch wer so reiten kann,

Der ist in rechten Zeiten

Auch wohl der rechte Mann;

Schon über Tal und Hügel

Stürmt ostwärts der Koloß –

Prinz Louis sitzt am Flügel

Im Rudolstädter Schloß.


Es blitzt der Saal von Kerzen,

Zwölf Lichter um ihn stehn,

Nacht ist's in seinem Herzen,

Und Nacht nur kann er sehn,

Die Töne schwellen, rauschen,

Es klingt wie Lieb' und Haß,

Die Damen stehn und lauschen,

Und was er spielt, ist das:


›Zu spät zu Kampf und Beten,

Der Feinde Rosses-Huf

Wird über Nacht zertreten,

Was ein Jahrhundert schuf,

Ich seh' es fallen, enden,

Und wie alles zusammenbricht –[221]

Ich kann den Tag nicht wenden,

Aber leben will ich ihn nicht!‹


Und als das Wort verklungen,

Rollt Donner schon der Schlacht,

Er hat sich aufgeschwungen,

Und sein Herze noch einmal lacht,

Vorauf den andern allen

Er stolz zusammenbrach,

Prinz Louis war gefallen,

Und Preußen fiel – ihm nach.


Quelle:
Theodor Fontane: Sämtliche Werke. Bd. 1–25, Band 20, München 1959–1975, S. 219-222.
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