An den Märzminister Graf Schwerin-Putzar

[224] Dein Ahnherr – mit dem Schwerte,

Du selber – mit dem Wort!

So lebt das Ruhmeswerte

Bis auf den Enkel fort.

Was einst in letzter Stunde

Der greise Feldmarschall sprach,

Aufs neu aus deinem Munde

Erklang es uns: »Mir nach!«


Du stehst, in Lieb' und Treue,

Zu Thron und Herrscherhaus,

Und baust doch, für das Neue,

Die alten Pfeiler aus.

Nicht trägst du der Verneinung

Im Kampfe die Fahne vor,

Doch für die freie Meinung

Schwingst du sie hoch empor.


Du bist von jenen Alten

Im Geiste noch gezeugt,

Die keinem Stirnefalten

Jemalen sich gebeugt.

Du sprichst noch, wie der Zieten

Sonst wohl bei Hofe sprach,[224]

Was dem die Schranzen rieten,

Er fragte nichts danach.


Der Zieten, ja, beim Fürsten

Zu Tafel saß er gern,

Einst aber andres Dürsten

Trieb ihn zum Tisch des Herrn;

Erst als er da genossen

Von Christi heil'gem Mahl,

Ernst noch und abgeschlossen

Trat er in Schloß und Saal.


Der König sieht den Degen

Und wie so fromm er schaut;

Da ruft er ihm entgegen:

»He, Zieten, schon verdaut?!«

Der hört es; unter Blitzen

Blickt er den König an,

Daß selbst das Aug' des Fritzen

Nicht Stich ihm halten kann.


Dann laut: »Für Euch in Nächten

Geblutet hab' ich gern,

Nun will ich auch mal fechten

Für Christum, meinen Herrn!«

Wohl stutzet da und staunet

Das höfische Geschlecht,

Der König aber raunet:

»Still, Zieten, Er hat recht!«


So war's und – ist's geblieben

Durch ein Jahrhundert fort:

Die Hohenzollern lieben

Ein freies Manneswort.

Auch du, für heil'ge Rechte

Ficht weiter, sonder Scheu:

Treulos sind alle Knechte,

Der Freie nur ist treu![225]


Quelle:
Theodor Fontane: Sämtliche Werke. Bd. 1–25, Band 20, München 1959–1975, S. 224-226.
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