[Wenn die augen vergebens verlangen]

[23] Wenn die augen vergebens verlangen

Nach der erde blumengewand

O wie bist in dem winter dem langen

Du so traurig o mütterlich land! –


Doch sind nicht schön wir berge und wälder

Von dem fuss bis zum gipfel beschneit

Und wir auen und wiesen und felder

In dem weissen und glänzenden kleid:


Wenn die finsteren wolken zerronnen

Die den horizont schwarzgrau bemalt

Und auf einmal im glanze der sonnen

Unsre schneehülle wird überstrahlt[24]


Oder auch wenn der sterne geflimmer

Und das mondlicht über uns lacht

Über dem blendenden silbernen schimmer

Breitet in zaubrischer schönheit die nacht? –


Ja das herz und das sehnende auge

Bliebe von euch auch im winter entzückt

Würde nicht von einem eisigen hauche

Jede empfindung eilig erstickt.

Quelle:
Stefan George: Die Fibel. Gesamt-Ausgabe der Werke, Band 1, Berlin 1927, S. 23-25.
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