Nun ist der Regen hin

[124] Danklied vor einem gnädigen Sonnenschein


1.

Nun ist der Regen hin;

Wohlauf, mein Herz und Sinn,

Sing nach betrübtem Leiden

Gott, deinem Herrn, mit Freuden!

Gott hat sein Herz gekehret

Und unser Bitt erhöret.


2.

Sein Zorn war sehr entbrannt

Auf uns und unser Land;

Er sprach: Ihr Menschenkinder,[124]

Geht, seid und bleibet Sünder,

Wollt von der Bosheit Straßen

Euch gar nicht wenden lassen.


3.

Drum soll mein Himmelslicht

Sein klares Angesicht

In schwarze trübe Decken

Und dunkle Wolken stecken

Und für das helle Scheinen

Nur immer zu euch weinen.


4.

Bald aber fiel sein Grimm

Durch unsers Seufzens Stimm;

Das ewige Gemüte

Dacht an sein ewge Güte

Und ließ auf unser Schreien

Ihm seinen Zorn gereuen.


5.

Die Wolken flohen weg,

Der feuchten Winde Steg,

Daher die Wasser flossen,

Nahm ab und ward verschlossen;

Des hohen Himmels Tiefen,

Die hörten auf zu triefen.


6.

Steh auf, du mattes Feld,

Aus deinem Trauerzelt,

Steh auf und laß nun wieder

Die süßen Sommerlieder

Zu deines Schöpfers Ehren

Mit Lust und Freuden hören.


7.

Sie hie, der Sonnen Zier

Geht wieder schön herfür,

Bringt nach dem Schlag und Regen[125]

Den lieben warmen Segen

Und wirkt auf Berg und Talen

Mit wunderlichen Strahlen.


8.

Die Erde wird erquickt,

Und was durch Näß erstickt,

Das wird nun wieder leben

Und reife Früchte geben:

Die Äcker gut Getreide,

Die Wiesen Gras und Weide.


9.

Die Bäume werden schön

In ihrer Fülle stehn,

Die Berge werden fließen

Und Wein und Öle gießen,

Das Bienlein wird wohl tragen

Bei guten warmen Tagen.


10.

Davon wird unser Teil

Das ewge Gut und Heil

Uns allensamt zumessen,

Wir werdens sehn und essen

Und mit dem Gut der Erden

Zur Gnüg ersättigt werden.


11.

Nun, Gott ist fromm und treu,

Sein Huld ist immer neu

Und läßt sich leicht versühnen,

Gibt, was wir nicht verdienen,

Läßt gnädiglich sich finden

Und nicht nach unsern Sünden.


12.

Darum so richte nun,

O Mensch, auch du dein Tun

Zu Gottes Lob und Liebe,[126]

Daß dein Herz nicht betrübe

Mit mehrem Zorn und Schmerze

Das allerfrömmste Herze.

Quelle:
Paul Gerhardt: Dichtungen und Schriften, München 1957, S. 124-127.
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