1774

[138] 2/198.


An Heinrich Christian Boie

Franckfurt 8. Jan. 1774.

Bey der Rückkunft des Herrn Merck von Petersburg hab ich den Göz über mich genommen, und bitte Sie also mir ein bissgen herauszuhelfen, der ich mich zu nichts weniger als einem Handelsmann[138] schicke. Sie haben 150 Exemplare auf zweymal erhalten, Herr Dietrich hat sie verkaufft wie er mir selbst schreibt, und so scheints billich daß ich ein Aequivalent dagegen erhalte. Sollte es nicht zu thun seyn das Ganze oder ein Teil in Baarem Gelde zu erhalten. so seyn Sie wenigstens so gut und schaffen mir Papier, zu dem Ende bitt ich Sie um Dietrichs Verlags Catalogus, und um eine Erklärung von ihm wie ers halten will. Ich lache manchmal drüber wie gut das Stück aufgenommen, wie schnell verkaufft, nachgedruckt worden und ich die Druckerkosten noch nicht einmal wieder habe.

Für Ihre Sammlung hab ich noch nichts als einige Sinngedichte eines Freunds. Leben Sie wohl.

Goethe.


2/199.


An Hans Buff

[Frankfurt, Januar 1774.]

Hier schick ich ihm, lieber Hans, ein praemium virtutis et diligentiae zum neuen Jahr. Und dass er sieht was wir Franckfurter für Leute sind, auch einen neuen Heller.

Grüs er mir alle liebe Leute und behalte er mich lieb.

G.[139]


2/84.


An Johann Heinrich Merck

[Frankfurt, Januar 1774.]

Schicke dir hier in altem Kleid

Ein neues Kindlein wohl bereit,

Und ist's nichts weiters auf der Bahn,

Hats immer alte Hosen an.

Seyn immer nach den alten Nasen.

Und hast ia auch wies ieder schaut

Dir Neuen ein altes Haus gebaut.

Darum wies steht sodann geschrieben,

Im Evangelium da drüben,

Daß sich der neu Most so erweist,

Daß er die alten Schläuch zerreißt.

Ist fasst das Gegentheil so wahr

Das alt die iungen Schläuch reißt gar.

[9] Und können wir nicht tragen mehr

Krebs, Panzerhemd, Helm, Schwerdt und Speer,

Und erliegen darunter todt

Wie Ameis unterm Schollenkoth,

So ist doch immer unser Muth

Wahrhafftig wahr und bieder gut.

Und allen Perrückeurs und Fratzen

Und allen Literarschen Katzen

Und Räthen, Schreibern, Maidels, Kindern

Und wissenschaftlich schönen Sündern

Sey Trotz und Hohn gesprochen hier

Und Haß und Ärger für und für.

Weissen wir so diesen Philistern

Kritikastern und ihren Geschwistern

Wohl ein ieder aus seinem Haus

Seinen Arsch zum Fenster hinaus.[10]


2/200.


An Sophie von La Roche

[Frankfurt, 21. Januar 1774.]

Ich bin im Stande, Ihnen ein groses Schauspiel zu geben, wenn Sie mir den morgenden Nachmittag schencken wollen, ich bitte um eine Sylbe Antwort; heut Abend Seh ich Sie im Conzert. Doch ob Sie können; mögte ich gleich wissen und dann soll morgen Nachtische um ein Uhr die Kutsche vor Ihrer Thür stehn. Meine Mutter wird dabei seyn und wir wollen die bübgen mit nehmen.

Grüßen Sie die liebe Max.

G.


2/201.


An Sophie von La Roche

[Frankfurt, 21. Januar 1774.]

Wenn Sie wüsten was in mir vorgegangen ist eh ich das Haus mied, Sie würden mich nicht rückzulocken dencken liebe Mama, ich habe in denen schröcklichen Augenblicken für alle Zukunft gelitten, ich bin ruhig und die Ruhe lasst mir. –

Daß ich Sie nicht drinnen sehn würde, was die Leute sagen würden pp., das hab ich alles überstanden. Und Gott bewahr ihn vor dem einzigen Fall in dem ich die Schwelle betreten würde. –

Hier liebe Mama sind Abdrücke nach meinen[140] Zeichnungen. Morgen also holt meine Mutter Sie und die Kleinen. Es wird Sie nicht gereuen.

G.


2/202.


An Johanna Fahlmer

[Frankfurt, Ende Januar 1774.]

Heut war Eis Hochzeittag! Es musste gehn, es krachte, und bog sich, und quoll, und finaliter brachs, und der Hr. Ritter pattelten sich heraus wie eine Sau.

Hier ist eine Romanze.

Und Betty meinem Herzlein Grus, und Lolo inliegendes

Dass allen wohlgehe

sint mirs wohl ist. Amen.

Und auch weiter pp. pp.

Wir haben gestern gessen Wildprettsbraten und Geleepastete und viel Wein getruncken und zwischen Houries gesessen bis ein Uhr Nachts, und uns geweidet mit Löffeln. Vom zeitigen abermaligen Herrn Burgemeister Reus, wo ich scharlach mit Gold, das Neue Jahr verkündigt hatte – Wohin! – Kutscher an Rhein. Ich die Treppe hinauf, wo der Drat noch in der Ecke hing. – Klingl ich! – Kommt die kleine Kähde! kennst du mich noch? – Ey lieber Gott. – Der Gattern ward eröffnet, ich fasste sie freundlich beym Kopf und verzaus ihr die Haube – Und drinnen ist der H. G. Scho. 1p 2p 3p 4p 5p Gut! Ich[141] Präsentir mich. Die Mama schenckt Caffee und sieht mich vor ihren eignen Ermeln nicht biss ich vor ihr stehe – Und dann –


2/203.


An Sophie von La Roche

[Frankfurt, Ende Januar 1774.]

Hier schick ich den Herder, die Zeichen bedeuten Druckfehler nichts weiter, Gestern Abend las ich Rosaliens Zusammenkunft mit der armen Hennriette, Sie ist herrlich rührend aber der Eintritt ist wahrhaftig groß. Wollen Sie mir erlauben zu der Geschichte des braven Buben einige Züge hinzuzusezen, die Sie neulich in der Kutsche in die Erzählung webten, und auf dem Papier fehlen?

Der lieben Max meinen herzlichen Grus.

G.


2/204.


An Sophie von La Roche

[Frankfurt, 30. oder 31. Januar 1774.]

Hier kommt der alte Reutersmann, und fragt: ob die jungen Ritter ihn mitnehmen wollen, und wollen ihn dem Hrn. Geheimde Rath vorstellen. Ich hoffe noch Abschied nehmen zu können.

Indessen einen recht freundlichen Grus guten Morgen.

G.[142]


2/205.


An Betty Jacobi

[Frankfurt, Anfang Februar 1774.]

Mir ist's recht wohl liebe Frau, und danck Ihnen für Ihren doppelt und dreyfachen Brief. Diese dritthalb Wochen her ist geschwärmt worden, und nun sind wir zufrieden und glücklich, als mans seyn kann. Wir sag ich, denn seit dem funfzehnten Jenner ist keine Branche meiner Existenz einsam. Und das Schicksaal mit dem ich mich herumgebissen habe so offt, wird ietzt höflich betittelt, das schöne, weise Schicksal, denn gewiss das ist die erste Gabe, seit es mir meine Schwester nahm, die das Ansehn eines Aequivalents hat. Die Max ist noch immer der Engel der mit den simpelsten und werthesten Eigenschafften alle Herzen an sich zieht, und das Gefühl das ich für sie habe worinn ihr Mann nie Ursache zur Eifersucht finden wird, macht nun das Glück meines Lebens. Brentano ist ein würdiger Mann, eines offnen starcken Charackters, viel Schärfe des Verstands, und der tähtigste zu seinem Geschäfft. Seine Kinder sind munter einfach und gut. Thun Sie noch den lieben Dümeix dazu und eine Freundinn so haben Sie unser ganzes Klümpgen. Unsere Mama la Roche hat uns am lezten Jenner verlassen, und meine gelassene Freundschafft hat sich wieder belohnt gesehen. Ich fühle daß ich ihr weit mehr binn, sie mir weit mehr ist, als vor zwey Jahren, ia als vorm[143] halben Jahr. So wahr ist's dass wahre Verbindungen Zeit brauchen, wie Bäume um Wurzeln zu treiben, Kronen zu bilden und Früchte zu bringen.

Wenn Sie wüssten liebe Frau mit welchem Herzen und welchen Worten wir offt Ihrer erwähnt haben, Sie würden Sich zu uns gesehnt haben, und sollten an unserm Tische nicht gewesen seyn. Dancke für den Anteil an Andres Schicksaal. Er ist gifftig, läßt mir aber nichts merken, scheints traut er mir nicht, und glaubt ich hätte Ihnen gar nichts geschickt. Genug wir haben das unsrige gethan – Am meisten schierts ihn dass man seine Producktion unter die Nachahmungen gesetzt hat. Tirelireli! Was ist's um einen Autor!

Eine mächtige Kälte zieht durchs Fenster bis hierher an mein Herz, zu tausendfacher Ergözung. Ein groser Wiesenplan draussen ist überschwemmt und gefroren. Gestern trugs noch nicht, heut wird gewagt. Vor 10 tagen ohngefähr waren unsre Damen hinausgefahren unsren Pantomimischen Tanz mit anzusehen. Da haben wir uns prästirt. Gleich drauf thaut es. und iezt wieder Frost. Halleluja! Amen!

Lotten und der Tante meinen Danck und meine Grüsse.


2/206.


An Betty Jacobi

[Frankfurt, Februar 1774.]

Die Violin wird ehestens ankommen, Mamachen, wie eine Comödiantinn in der Probe, in flanellnem[144] Wamms, mit Bändern bunt auf der Haube. Glauben Sie nur immer wenn's Ihnen ankommt mir einen Brief zu schreiben, daß es ein guter Geist ist, wenigstens mein guter Geist, und fühlen Sie wie willkommen mir Ihre Briefe sind, da ich so allein binn. Aber gewiss doch glücklicher als jemals, und auch mit herzlich lieben Geschöpfen umgeben.

Vom Vätergen haben Sie nun ein Exemplar rouinirt. Ich schick Ihnen doch die folgenden Bogen. Aber sie zu verbrennen, find ich unhaushältlich. Bey Gott. Sanftes tapfres Druckpapier! Zu verbrennen! Ich halte meine Makulatur besser in Ehren.

Ihre Buben sind mir lieb, denn es sind Ihre Buben, und der lezte ist mir immer der nächste. Ob sie an Crist glauben, oder Göz, oder Hamlet, das ist eins, nur an was lasst sie glauben. Wer an nichts glaubt verzweifelt an sich selber. Hat iemand meine Hanoversche Lotte gesehn. Es sieht sie niemand mit meinen Augen doch haben andre Leute auch Augen pp. –

Der Potpourri im eigentlichen Verstand, ist ein gar unbedeutendes Möbel, er macht einer Stube eine Teinture Wohlgeruch, wie manche Leute eine Teintüre von Geschmack haben. Aber der Pot – den man aus Sittbaarkeit pourri nennt, und ders auch eigentlicher heissen könnte, verdiente weit eher dass derselbe emblematisch und Apophtegmatisch nuzbaar auch der Seele gemacht würde. Ich habe einige gute Gedancken[145] dazu aber das ganze! – eine Epopee ist nicht auf Einen Tag gereimt.

Den Bogen hab ich vom Violingen gelassen er sperrt nur, und den kriegen Sie überall.


2/207.


An Gottfried August Bürger

Ich schicke Ihnen die zweyte Auflage meines Göz. Ich wollt Ihnen schon lang einmal schreiben, und die Paar Stunden die ich mit Ihrem Freund Tesdorpf zugebracht habe haben mich determinirt.

Ich thue mir was drauf zu gute, dass ich's binn der die Papierne Scheidewand zwischen uns einschlägt. Unsre Stimmen sind sich offt begegnet und unsre Herzen auch. Ist nicht das Leben kurz und öde genug? Sollen die sich nicht anfassen deren Weeg mit einander geht?

Wenn Sie was arbeiten schicken Sie mirs. Ich wills auch thun. Das giebt Muth. Sie zeigens nur den Freunden Ihres Herzens, das will ich auch thun. Und verspreche nie was abzuschreiben.

Tesdorpf ist mit mir auf dem Eise gewesen, mein Herz ist mir über der holden Seele aufgegangen. Leben Sie wohl. Frankfurt am 12. Februar 1774.

Goethe.[146]


2/208.


An Sophie von La Roche

[Frankfurt, Mitte Februar 1774.]

Ich dancke Ihnen liebe Mama für die beyden Briefe, sie haben mir die ganze wahre Lage Ihrer Seele ausgedruckt, und ich binn gewiss dass wenn Sie fortfahren, in Ihrem eignen Ton über vorwaltende ineressante Gegenstände zu schreiben das Ganze eine fürtreffliche Würckung thun muss. Nur müssen Sie mir erlauben dass ich Ihnen über die Verbindung und Stellung der Theile meinen guten Rath ertheile. So ist zum Exempel die Apotheose Brechters im zweyten Brief evident zu früh. Der Altar muss erst gebaut, geziert und geweiht sein eh die Reliquien hineinverwahrt werden, und ich wünschte dass die ganze Stelle erst weiter hinten, wenn der Charackter und der Sinn Rosaliens sich mehr entfaltet haben, eingepflanzt zu seyn, wie ich denn auch mit der süsen Melankolie von verirrter Empfindung die den ersten Brief füllt, das Ganze gewürzt seyn möchte, und Sie bitte wenn es nicht zu sehr ausser der Stimmung Ihres Vorsazes liegt, die ersten Briefe mit ganz simplem Detail wo Gefühl und Geist nur durchscheint zu eröffnen. Hier haben Sie alles was ich zu sagen habe. Das liebe Weibgen hat Ihnen was von einer Arbeit geschrieben die ich angefangen habe seit Sie weg sind, würcklich angefangen denn ich hatte nie die Idee aus[147] dem Suiet ein einzelnes Ganze zu machen. Sie sollens haben sobalds fertig ist. Nach Düsseldorf kann und mag ich nicht, Sie wissen dass mirs mit gewissen Bekandtschafften geht wie mit gewissen Ländern, ich könnte hundertiahre Reisender seyn ohne Beruf dahin zu fühlen.

G.


2/209.


An Johanna Fahlmer

[Frankfurt, Ende Februar 1774.]

Nun zum Teufel Täntgen was soll das! Nach Lottens Aussage kommen Sie Ende März her, und dem Major domus nicht zu schreiben, keine Ordre für den Tapezier, Speisemeister pp. Verlassen Sie Sich etwa drauf dass Sie die Iris im Lohn haben, und dencken das soll nun alles flincker gehn. Nani. Ein schön Kammermädge hat immer so viel eigne Angelegenheiten, dass p. Wenn Sie recht artig wären so sollten Sie eine schöne glattgestrichne Epistel ansenden, worinn Dero sonderbaar aufschwellende Hoffnungen nach dem heiligen Pfarrturn, dem Akazia Baum, und dem Fischerfeld mit Poetischen Lackfarben zur Seelenweide solcher Gemüther aufgemahlt wären, die auch ein bissgen gern sich in andern bespiegeln...

Nun denn das wärs was mir so eben auf dem Herzen lag, und weiter fürdiesmal nichts als einen[148] schönen Grus an die liebe Frau, ferner eine solche Art Burzelbäume der Freundschafft an Lotten

und dann zulezt die wahre Monogrammatische Unterschrifft Dero Ergebnen Dieners.


1774

2/210.


An Johann Christian Kestner

[Frankfurt, März 1774.]

Auf einen Brief vom 1ten Weynachtstage erst den 13. Februar Antwort zu haben, ist nicht schön. Künftig, Kestner, schick mir deine Briefe mit der Post. Und schreib öfter, sonst wend ich mich an Lotten dass die mir schreibt.

Die Max la Roche ist hierher verheurathet, und das macht einem das Leben noch erträglicher, wenn anders dran was erträglich zu machen ist. Wie offt ich bey euch binn, heisst das in Zeiten der Vergangenheit, werdet ihr vielleicht ehestens ein Dokument zu Gesichte kriegen. Und wenn ihr nicht oft schreibt, und wenns Häusliche Kleinigkeiten wären. Ihr wisst dass mir daran am meisten gelegen ist.

Der Jacobi hat Lotten in so fern Gerechtigkeit wiederfahren lassen. Er hat eine sehr vorteilhafte Schilderung von ihr gemacht, und wie man mir es schrieb, so wusst ich warrlich nicht dass das all an ihr war, denn ich hab sie viel zu lieb von jeher gehabt,[149] um auf sie so acht zu haben. Die Iris ist eine kindische Entreprise, und soll ihm verziehen werden, weil er Geld dabey zu schneiden denkt. Eigentlich wollen die Jackerls den Merkur miniren, seit sie sich mit Wieland überworfen haben.

Was die Kerls von mir dencken ist mir einerley. Ehdessen haben sie auf mich geschimpft wie auf einen Hundejungen, und nun müssen sie fühlen dass man ein braver Kerl seyn kann ohne sie iust leiden zu können. Dass Lotte in der Reihe der Protecktrices steht, kleidet sie gut zu Gesichte.

Von meinen Wünschen und Hoffnungen zu euch zu kommen mag ich nichts reden. Mir gehts wie euch – und also wollen wir's unterdessen auf sich beruhen lassen.

Dass ihr Herdern nicht näher gesehn habt, ist doch fatal. War er denn alleine? Oder sein Weib mit? Ich binn wohl fleissig, und meine Lebens Wirthschaft ist immer die alte. Wenn ich manchmal deine alten Briefe ansehe, erstaun ich dass ich nach so mancherley Veränderungen noch derselbe binn. Desswegen schreibt mir öffter oder bittet Lotten dass sie mir nur manchmal ein Wörtgen schreibt, wenn's ihr ums Herz ist. Das könnte sie wohl thun. Sie soll mir die Pestel grüssen, das muss auch ein braves Weib seyn.

Die Kunckel hat dem Magistrat viel Schererey gemacht. Sie sas in Strasburg. Der dortige Magistrat[150] wollte sie nicht ausliefern, und da der Kurfürst sich an den König gewendet, ist sie auf und davon in die Schweiz. Das sind die neusten und noch zur Zeit geheimen Nachrichten.

Dass wir sehr Kayserlich sind ist kein Wunder, da wir des Kaysers sind.

Adieu. Lasst bald wieder was hören. Ich binn der Alte von Ewigkeit zu Ewigkeit Amen.

G.


2/211.


An Charlotte Kestner, geb. Buff

[Frankfurt, März 1774.]

Liebe Lotte, es fällt mir den Augenblick so ein, dass ich lang einen Brief von dir habe, auf den ich nicht antwortete. Das macht du bist diese ganze Zeit, vielleicht mehr als jemals in, cum et sub (lass dir dass von deinem gnädigen Herrn erklären) mit mir gewesen. Ich lasse es dir ehstens drucken – Es wird gut meine Beste. Denn ist mirs nicht wohl wenn ich an euch dencke?

Ich binn immer der Alte, und deine Silhouette ist noch in meiner Stube angesteckt, und ich borge die Nadel davon wie vor Alters. Dass ich ein Tohr binn, daran zweifelst du nicht, und ich schäme mich mehr zu sagen. Denn wenn du nicht fühlst dass ich dich liebe, warum lieb ich dich? –!

Goethe.[151]


2/212.


An Sophie von La Roche

[Frankfurt, März 1774.]

Mit herzlichem Danck Ihre Briefe zurück, Sie wissen dass so was bey mir angewendet ist. Auch hier die andern Dinge: vielleicht wundern Sie sich die Farce gedruckt zu sehn und also – wie jener Mühlstein der vom Himmel fiel – Leben Sie wohl Ihre Lieben hab ich einige Zeit nicht gesehen. Ich hatte mein Herz verwöhnt.

Nein liebe Mama Sie haben meine Hand darauf ich will brav seyn.

G.


Das andre Exemplar Wieland ist für Trosson.


2/213.


An Johanna Fahlmer

[Frankfurt, März 1774.]

Ich muß Ihnen melden gute Tante dass ein gewisses Schand und Frevel Stück, Götter Helden und Wieland, durch öffentlichen Danck vor kurzem bekannt gemacht worden. Ich habe der erste seyn wollen Sie davon zu benachrichtigen, daß wenn Sie etwa darüber mit dem Verfasser zu brechen Willens wären Sie's da bonne grace thäten und ohne weiter zu brummen[152] und zumutzen ihm einen Tritt vorn Hintern gäben und sagten: schert euch zum Teufel, ich habe nichts gemeines mehr mit euch.

Ubrigens schlendert das Leben hier so fort, und meine Zeichnung ist das beste an mir. Sagen Sie Mamachen, dass das versprochne Fassnachtsstückel nicht ausbleiben soll. Ich binn fleisig gewesen, nur ist noch nichts produzibel, und ein bissgen früher und später thut doch in der Welt nichts wo das gar nicht so manchmal einem das Nachsehn läßt. Adieu. Ist's wahr, daß Sie Lotten wieder mit bringen. Ich mag ihr wohl manchmal etwas vorplaudern, Sie wissen ia wies geht wenn ich in's prophetische radotiren komme. Adieu. Wollen Sie mich behalten wie ich binn, so binn ich immer der Alte.


2/214.


An Johann Christian Kestner

[Frankfurt, März 1774.]

Ohngeachtet nicht viel an gegenwärtigem Ding ist hab ichs doch weil zur Schnurre gehört und nur drey bazen kost, gekauft für euch und so geseegnes euch Gott.[153]


2/215.


An Ludwig Julius Friedrich Höpfner

[Frankfurt, Anfang April 1774.]

Lieber Höpfner, da schick ich euch einen Franckfurter, der ein braver Mensch ist, wie ihr ihm ansehn müßt. Er ist eures Beystandes Werth, und er bedarf sein. Jura will er studiren, ich bitte euch macht daß er Geschmack dran findet. er hat viel Fleis, viel Talente und eine gute Seele, seine häuslichen Umstände sind nicht die besten. Sprecht ihm Muth und Trost zu, und – ich kenne euch und hab schon zu viel gesagt.

Eurem Weiblein ist's doch wohl an eurer Seite, und Euch? Merck ist fort. Ich treib ein unruhiges Leben, und vergesse meine Freunde nicht.

Ich dachte diese Messe als Autor dem geehrten Publiko einen abermaligen Reverenz zu machen, ist aber in Brunne gefallen. Lebt wohl und grüsst eure Liebe herzlich.

Goethe.[154]


2/215a.


An Jakob Jonas Björnstahl

[Frankfurt, 9. oder 13. April 1774.]

Si vous aves envie Monsieur de voir notre Bibliotheque j'aurai l'honneur de venir Vous prendre a deux heures, le Bibliothecaire m'a promis de s'y trouver a ce temps. Un mot de reponse s'il Vous plait.

Goethe.[353]


2/216.


An Johann Kaspar Lavaterund Johann Konrad Pfenninger

Bruder, was neckst du mich wegen meines Amusements. Ich wollt ich hätt eine höhere Idee von mir und meiner Bestimmung, so wollt ich weder meine Handlungen Amusements nennen, noch mich statt zu handeln amusiren. Doch du hast deinen Zweck erreicht.


An Pfenninger.

Danke dir lieber Bruder für deine Wärme um deines Bruders Seeligkeit. Glaube mir es wird die Zeit kommen da wir uns verstehen werden. Lieber du redest mit mir als einem Unglaubigen der begreifen will, der bewiesen haben will, der nicht erfahren hat. Und von all dem ist grade das Gegentheil in meinem Herzen. Du wirst viel Erläuterung finden in dem Mspt. das ich euch bald schicke.

Bin ich nicht resignirter im Begreifen und Beweisen als ihr? Hab ich nicht eben das erfahren als ihr? – Ich binn vielleicht ein Tohr dass ich euch nicht den Gefallen thue mich mit euern Worten auszudrücken, und dass ich nicht einmal durch eine reine Experimental Psychologie meines Innersten, euch darlege daß ich ein Mensch binn, und daher nichts anders sentiren kann als andre Menschen, dass das alles was unter uns Widerspruch scheint nur Wortstreit ist der daraus entsteht weil ich die Sachen unter andern Combinationen sentire und drum ihre Relativität ausdrückend, sie anders benennen muß.

Welches aller Controversien Quelle ewig war und bleiben wird.

Und dass du mich immer mit Zeugnissen packen[155] willst! Wozu die? Brauch ich Zeugniß dass ich bin? Zeugniß dass ich fühle? – Nur so schäz, lieb, bet ich die Zeugnisse an, die mir darlegen, wie tausende oder einer vor mir eben das gefühlt haben, das mich kräftiget und stärcket.

Und so ist das Wort der Menschen mir Wort Gottes es mögens Pfaffen oder Huren gesammelt und zum Canon gerollt oder als Fragmente hingestreut haben. Und mit inniger Seele fall ich dem Bruder um den Hals Moses! Prophet! Evangelist! Apostel, Spinoza oder Machiavell. Darf aber auch zu iedem sagen, lieber Freund geht dirs doch wie mir! Im einzelnen sentirst du kräfftig und herrlich, das Ganze ging in euern Kopf so wenig als in meinen.

An Lavatern.

Dein Schwager bringt dir nichts. Doch will ich verschaffen dass ein Mspt. dir zugeschickt werde. Denn biss zum Druck währts eine Weile. Du wirst grosen Teil nehmen an dem Leiden des lieben Jungen den ich darstelle. Wir gingen neben einander, an die sechs Jahre ohne uns zu nähern. Und nun hab ich seiner Geschichte meine Empfindungen geliehen und so machts ein wunderbaares Ganze.

Da schick ich dir ein Profil. Der Kerl |: sagt man :| war Steuermann, hat in der Sklaverey zu Tunis viel ausgestanden, und zieht nun in der Welt herum Mitleiden zu erregen. Ich hab ihn nach dem Leben gezeichnet. Das ist nur indeß flüchtige Copie davon,[156] das Original drückt besser den Eigensinn im Leiden, und das niedergedrückte einer starcken Menschheit aus. Du sollst auch haben.

Der Stirn Höhe ist übertrieben. Oder vielmehr sas er zu Zeiten mehr als Profil, da wölbte es sich so starck. Adieu Bruder ich binn nicht lass, solang ich auf der Erde binn erobr ich wenigstens gewiss meinen Schritt lands täglich! Steiner hat gefunden dass mein Portrait das du hast nicht ich sey. Er ist ein gar lieber Mann. [Frankfurt] Am 26. Apr. 1774.


2/217.


An Ernst Theodor Langer?

Ihr seyd nicht der einzige der sich über meine lakonische Briefleins beklagt, und doch dünckt mich wäre ein krafftiger Text willkommner als eine angerührte Predigt, mir wenigstens ist's so.

Die zweyte Ausgabe des Berlichingen ist ia ganz unverändert. Es ist mein Probstück, und soll bleiben wie's ist. Wenn ich ie wieder ein deutsch Drama mache, daran ich sehr zweifle, mögen alsdenn wahre Seelen fühlen, inwiefern ich zugenommen habe. Sonst binn ich sehr emsig, um nicht zu sagen fleisig, advozire scharf zu, und verfasse doch noch manch Stückgen Arbeit guten Geistes und Gefühls. Jetzt ist nichts zum Druck bereit. Vielleicht nächstens, da ich's denn melden will. Gebt auf ein Lustspiel acht, das die[157] Ostermesse herauskommen wird der Hofmeister oder die Vortheile der Privaterziehung. Ihr hört am Titel dass es nicht von mir ist. Es wird euch ergözzen.

Hier leg ich ein Specktakul bey, sagt niemanden wo ihrs her habt. In mysterio voluptas. Ich vermuthe ihr habt die biblischen Fragen auch noch nicht gesehen. Wenn's euch interessirt kann ich euch manchmal so was schicken, in meinem Zirkel haben die Kerls immer drollige Einfälle. Wenn ihr Lessingen seht so sagt ihm dass ich auf ihn gerechnet hätte, und ich pflegte mich an meinen Leuten nicht zu betrügen. Grüßt Beyrisch von mir, auch von Hornen. Ich weis der dürre Teufel wird sich gefreut haben so unerwartet etwas von seinem ehemaligen Jonathan zu sehen. Vielleicht kommt noch auf die Ostermesse was von mir, ich weis noch nicht ob es einen Verleger finden wird, es ist ein Bissgen toll, kommts heraus, so sollst du's erfahren.

Adieu und schreibt mir noch einmal eh ihr diese Welt verlasst.

Frankfurt am 6. May 1774.

Goethe.


2/218.


An Johann Christian Kestner

[Frankfurt, Mai 1774.]

Ist mir auch wieder eine Sorge vom Hals. Küsst mir den Buben, und die ewige Lotte. Sagt ihr ich[158] kann mir sie nicht als Wöchnerinn vorstellen. Das ist nun unmöglich. Ich seh sie immer noch wie ich sie verlassen habe, (daher ich auch weder dich als Ehmann kenne, noch irgend ein ander Verhältniss als das alte, – und sodann bey einer gewissen Gelegenheit, fremde Leidenschaften aufgeflickt und ausgeführt habe, daran ich euch warne, euch nicht zu stosen.) Ich bitte dich lass das eingeschlossne Radotage bis auf weiteres liegen, die Zeit wirds erklären. Habt mich lieb, wie ich euch, so hat die Welt keine vollkommnern Freude.

G.


Mein garstig Zeug gegen Wieland macht mehr lärm als ich dachte. Er führt sich gut dabey auf wie ich höre, und so binn ich im Tort.


2/219.


An Johann Christian Kestner

[Frankfurt, 11. Mai 1774.]

Es hat mich überrascht, ich erwartete das nicht. Gehofft hat ichs, doch da dein Brief nichts davon sagte, beschied ich mich dass die erstgebohrnen der Famille gehören. Nun aber – ich wünsche dass Lotte – denn getauft ist der Knabe am 11. May da ich das schreibe – dass Lotte alle Ueberlegung möge auffahrend durchgebrochen haben, und gesagt: Wolfgang heist er! und der Bub soll auch so[159] heisen! – du scheinst dahin zu neigen, und ich wünsche dass er diesen Nahmen führe weil er mein ist. – Habt ihr ihm den andern gegeben, so halt ich mir aus dem nächsten den Nahmen Wolfgang zu geben, da ihr doch mehr Gevatter nehmt – und ich – wohl all eure Kinder aus der Taufe heben möchte weil sie mir all so nah sind wie ihr. – Schreibt mir gleich was geschehen ist. – Ich habe närrische Ahndungen darüber, die ich nicht sage sondern die Zeit will walten lassen.

Adieu ihr Menschen die ich so liebe (dass ich auch der träumenden Darstellung des Unglücks unsers Freundes, die Fülle meiner Liebe borge und anpassen musste) Die Parenthese bleibt versiegelt bis auf weiters.

G.


2/220.


An Johann Kaspar Lavater

[Mit Frl. v. Klettenberg.

Frankfurt, 20. Mai 1774.]


ER! Der weiter keinen Nahmen braucht, hat mich einst in einer Seeligen Stunde Versicherd, daß Er mir immer viel mehr geben wolte als ich vermuthen könte, unbeschreiblich hat Er bisher sein Versprechen erfült.

Die brüderliche Verbindung und Bekanntschafft mit Lavater ist eins von diesen Geschenke, und ein noch größeres, das nicht ausbleiben kan, wird die Nahmenlose Freude seyn einst aus dieses Bruders Munde die erklärung zu hören: nicht weill du es sagst, sondern weil ich es erfahre Glaube ich daß Gott in Christus ist.

[160] Er wandelt mit Lavater und mit Goethe – ich kenne Ihn am Gang, noch werden Ihre Augen gehalten, daß Sie Ihn nicht erkennen. Aber; ein etwas – ein sanfter Zug – eine Empfindung – die alle Empfindungen übertrifft, so lebhaft diese beyde sonst fühlen können, macht daß sie sich von dem Unbekannten nicht trennen mögen.

Entfernt Er sich manchmal, oder Ihr euch vielmehr von Ihm, so ruft Ihn doch gleich zurück – ruft Ihn auch in Abwege die eben nicht die schönste sind, Er komt doch. Er ist nicht zu zärtlich, auch durch die Hecken zu brechen.

Sie! Lieber Bruder, hier zu seyn, wird ebenfalls eines Seiner die Erwartung übertreffenden Geschenke seyn; Aber Strafe – Plage – und Kummer wäre vor mich jede zärtliche freundschaftliche Verbindung, wann die gewißheit nicht mit verknüpft wäre daß sie Ewig dauern solte – Ja wir werden Ihn und unß bei Ihm ewig schauen erneuet, und viel lebhafter als jezo leben und Lieben.

Goethe besorgt den Schattenriß – dreymahl bin ich gemahl dreymal gezeichnet – und nie getroffen worden, ich will gerne sehen was Sie geliebts Gott diesen Sommer bei Vergleichung des Originals mit dem Schattenriß sagen werden. Vielen herzlichen Danck vor die gedruckte Blätgen. Der! deß Blut der Golgatha auftranck, Seegne Sie mit Seinem besten Seegen – der ist vor mein Herz, der erneuete gefühlvolle Eindruck, daß Er Mensch war, als Mensch sturbe, noch Mensch ist – und ich so gewis seyn werde was und wo Er ist als Er war was und wo ich bin.

Franckfurt am 20. may 1774.

Cordata.


Hier ist ihr Bild das ich gemacht habe, und das ihr gleicht wie eine Schwester der andern. Es ist die Familie, sie selbst ist's nicht.

[161] Im Schattenriss bezeichnet sich diese himmlische Seele noch weniger.

Sie wird dir wenn du kommst mehr seyn als ich, ob sie mir gleich so viel ist als dir; so binn ich doch in meinem schwärmenden Unglauben, der Ich! Und wie ich binn, dein Bruder.

Herkules Geschwäzze ist warrlich nicht mein Gefühl. Es ist nur daß man die Hansen bey der Parrücke zupft und Sachen sagt, die wie Du sprichst, niemand Wort haben will.


2/221.


An Friedrich Gottlieb Klopstock

Schönborn in einem Briefe aus Algier den ich gestern empfangen habe, schreibt mir: »Klopstock wird Sie durch Boie um einige Ihrer Arbeiten ersuchen lassen.« Und warum soll ich Klopstock nicht schreiben, ihm selbst schicken was es auch sey, und was für einen Anteil er auch dran nehmen kann! Soll ich den Lebenden nicht anreden, zu dessen Grabe ich wallfahrten würde. Hier haben Sie also ein Stück das wohl nie gedruckt werden wird, das ich bitte mir gerade zurückzusenden. Sobald einige Dinge von mir die fertig liegen gedruckt sind, schick ich sie Ihnen oder meld es wenigstens, und wünsche daß Sie empfinden mögen mit welch wahrem Gefühl meine Seele an Ihnen hängt. Frankfurt am 28. May 1774.


Goethe.[162]


2/222.


An Sophie von La Roche

[Frankfurt, Ende Mai 1774.]

Sind Sie heute Abend in Dechants Garten zu treffen, Mlle. Ravanelle wird bis dahin wohl weg sein. Ich muß Sie sehn! Adieu.

la grosse bête.[163]


2/222a.


An Heinrich Christian Boie

Ich habe einen Brief von Schönborn von 16 Apr. aus Algier, der mich sehr gefreut hat. Er enthält eine umständliche Beschreibung seiner Reise und das was für mich merckwürdig seyn konnte.

Der H. Ziegler hat noch keine Anweisungen das Geld quaest. zu zahlen. Auch bitt ich Sie mir zu melden: was von dieser Summe für Götz ist? denn das ist alleine Mercken gehört.

Ich begreife nicht wie Wiel. sich über die Farce so ungebärdig stellen konnte.

Daß ich eine Schandschrifft auf die Jakobi gefertigt habe ist wahr, allein gedruckt ist wahr, allein gedruckt ist nicht, soll auch nie aus meinen Händen kommen. Wie denn die Farce nie gedruckt worden wäre, wenn ich sie nicht Freunden kommunizirt hätte.

[4] Von kleinen Sachen hab ich gar nichts, und was ich habe ist so ungezogen, daß es sich in Taschenformat und verguldt aufm Schnitt nicht darf sehn lassen. Was ich sonst gefertigt habe will ich ehstens in's Publikum sprengen.

Schreiben sie mir doch wie das Stück Der Hofmeister ein Lustspiel aufgenommen worden.

Leben Sie wohl, und wenn Ihre Freunde was auszeichnendes produziren, lassen Sie mich auch Theil dran nehmen.

[Frankfurt] am 4 Juni 1774.

Goethe.[5]


3/589.


An Johann Kaspar Lavater

[Frankfurt, vor Juni 1774]

Lieber Lavater, eine Bitte! Beschreibe mir mit der Aufrichtigkeit eines Christen, aber ohne Bescheidenheit[148] – Gerechtigkeit ist gegen die was Gesundheit gegen Kränklichkeit – deine ganze That wider den Landvogt Grebel, was deine Schrift oder Rede veranlaßt, was darauf erfolgt ist – Plutarchisch, damit ich dich mit deiner That messe, du braver Geistlicher! Du theuerer Mann! Eine solche That gilt hundert Bücher, und wenn mir die Zeiten wieder auflebten, wollt' ich mich mit der Welt aussöhnen. Schreib mirs ganz, ich beschwöre dich – um deinetwillen.[149]


2/223.


An Sophie von La Roche

[Frankfurt, Anfang Juni [Mai!] 1774.]

Liebe Mama. Ich habe des künftigen Merkurs Stellen gelesen, die mich betreffen. Er tracktirt die Sache wie ein braver Kerl, der vest im Sattel sizt. Ich habe nie was gegen ihn gehabt, und nun verzeih ich ihm auch seine Lästerungen wieder meine Götter!

Zu Sindlingen auf der goldnen Hochzeit, da ich ach den Geburtstag Ihrer lieben Max herbeytanzte, hab ich Ihrer viel gedacht. O Mama! es waren viel Lichter da, und Schweyzers Willemine kriegte mich am Arm und fragte: warum zündt man so viel Lichter an? Das war eine Frage einen ganzen Sternhimmel zu beschämen, geschweige eine Ilumination. Ich hab mich nach Ihnen umgesehen, hab Ihrer Max den Arm gegeben wenig Augenblicke.

Wenns Ihnen auch nicht ums Herz ist sich zu repandiren, sagen Sie mir doch ein Wort vom Herzen. Sie werden seyn, wie Sie meinem Rad Schwung geben[163] wenn Sie meinen Werther lesen, den fing ich an als Sie weg waren den andern Tag, und an einem fort! fertig ist er.


2/224.


An Sophie von La Roche

[Frankfurt, Juni 1774.]

Ich habe Ihren Brief geküsst und an mein Herz gedruckt. Es sind meine ein – innige Gefühle. Ja liebe Mama es ist wahr, Feuer das leuchtet und wärmt nennt ihr Seegen von Gott, das verzehrt – nennt ihr Fluch! Seegen denn und Fluch! – binn ich euch mehr schuldig als die Natur mir schuldig zu seyn glaubte, leuchtets nicht mir, wärmts nicht – und verzehrt auch – nennen Sie mich bös, und lieben Sie mich.

Un livre croyez moi n'est pas fort dangereux.

Das Gute und das Böse, rauscht von den Ohren vorbey die nicht hören. Und ist das böse nicht gut und das gute nicht bös? Hass ich Wielanden, lieb ich ihn? – es ist wahrhafftig all eins – ich nehme Anteil an ihm –


2/225.


An Sophie von La Roche

[Frankfurt, Mitte Juni 1774.]

Liebe Mama ich begreiffe die Menschen nicht, ich muss mich noch so offt über sie wundern, und daran spür ich dass ich iung binn.[164] Sonst wenn ich von einem grosen Geiste hörte, so gab meine Einbildungskrafft dem Mann eine Stärcke, eine hohe Vorstellungsart, und übrige Apertinenzien, und nun wie ich sie kennen lerne die Herrn, ists mit ihnen nicht besser, als einem eingeschränkten Mädgen deren Seele überall anstöst, und deren Eitelkeit mit einem Winckgen zu beleidigen ist. Ich dachte Wieland sollte sich so albern nicht gebärden. Denn was ist an der ganzen Sache? Ich hab ihm ein Gartenhäusgen seines papiernen Ruhms abgebranndt, ihm ein wächsern Desert Parterrgen verheert, kommt er darüber auser sich, was wird er erst gegen das Schicksaal toben, das mit unerhörter Impertinenz den Seschianischen Pallast, mit soviel Kunstwerken und Kostbaarkeiten, die Arbeit sovieler Hundert Menschenseelen, in Vierundzwanzig Stunden in die Asche legt. Meinen Werther musst ich eilend zum Drucke schicken, auch dacht ich nicht dass Sie in der Lage seyen, meiner Empfindung, Im magination, und Grillen zu folgen.

Meine Schwester trägt gegenwärtig die Unbequemlichkeiten guter Hoffnung, ich habe wohl in zwey Monaten keinen Brief von ihr.

Die liebe Max seh ich selten, doch wenn sie mir begegnet ists immer eine Erscheinung vom Himmel.

Meine Mutter grüsst Sie herzlich.

Wann werden Sie kommen, und sich wieder überzeugen[165] dass Sie wohl bessere Söhne und Freunde haben, treuer aber keinen als

Ihren

Goethe.


2/226.


An Sophie von La Roche

[Frankfurt, Juni 1774.]

Ich wollte Ihnen eben schreiben liebe Mama, und unter Bedingungen zusagen Sie zu holen, da krieg ich einen Brief von Lavater, der wird kommen, und ich hab ihm schon lang versprochen ihm entgegen zu gehen, das werd ich also thun.

Und so kommts |: wenn Sie unterdessen keine andere Einrichtung treffen :| auf die Zeit an da die Kutsche von hier ab soll. kann ich in Rücksicht des Obigen dann; so komm ich gewiß, kann ich nicht so seh ich Sie hier! wo Sie wollen – – Einen einzigen Platz ausgenommen. Ich binn immer der Ihrige

Goethe.


2/227.


An Charlotte Kestner, geb. Buff

[Frankfurt, 15.? – 16. Juni 1774.]

Ich komme von Meyers liebe Lotte, hab mit Ihnen zu Nacht gegessen, und gestern auch, heute den Tag über waren sie zu Darmstadt. Es sind recht gute Menschen ich schwöre sie lieben mich denn ich liebe sie auch. Wir waren so offen in der ersten Viertelstunde.[166] O Lotte was ich ein Kind bin! Wie mich's gleichsam überraschte da mir die Meyern sagte, dass du noch an mich denckst. Sagen mir das nicht Kestners Briefe, sagt mir's nicht mein Herz, und doch war mir's so ganz neu, da mir das liebe Weibgen, mit der wahren Stimme des Anteils sagte: dass du noch an mich denckst. O sie fühlte was sie mir sagte, sie ist eine liebe Frau. Schon gestern Nacht wollt ich dir schreiben, aber es war nicht möglich, ich ging in meiner Stube auf und ab, und redete mit deinem Schatten, und selbst ietzt fällt mir's schweer das dahin zu krizzen! – Soll ich denn niemals wieder, niemals wieder deine Hand halten Lotte? Ich habe der Meyern viel erzählt von dir, sie war mit mir im Wald und versprach mir, dich auf der Ellrie von mir zu unterhalten. Ja Lotte ich hab lang so keine Freude gehabt – Ihr Mann ist iust einer der Menschen wie ich sie haben muss, die Erfahrung des Lebens, die schönen Kenntnisse und Wissenschafften ohne Pedanterey und die gute offne Seele. Wir haben uns recht gut gefunden. Und so mit gute Nacht. Morgen früh gehn sie und ich will ihnen noch was schicken. Adieu! Adieu! Und mein Pathgen ist wohl, und Mamagen wills auch bald wieder werden; ich schwöre dir Lotte das ist für meinen sinnlichen Kopf eine Marter, dich als Mamagen zu dencken und einen Buben der Dein ist[167] und der einen seiner Namen durch meinen Willen trägt. Ich komme damit nicht zurecht, ich kann mir's nicht vorstellen, und bleibe also dabey: Lotte liebe Lotte, es soll alles seyn wie's war, und ist so, und die Meyern sagt du habest dich auch nicht verändert. Und so grüse und Küsse Papa Kestnern, und er soll mir hübsch schreiben, und du sollst mir auch hübsch schreiben, wenns Mamagen nicht beschweerlich fällt. Hier ist von der Meyern ein Brief an ihre Schwester, denck ich. Hans schickte mir einen an sie den ich richtig bestellt habe. Ich hoffe sie wird aus dem Bade wieder durch gehen, und da geb ich ihr eine Hand und Grus für dich mit. Adieu, liebe Lotte, ich schick euch ehstens einen Freund der viel änlichs mit mir hat, und hoffe ihr sollt ihn gut aufnehmen, er heisst Werther, und ist und war – das mag er euch selbst erklären.

[Frankfurt] am 16ten Juni 1774.

Goethe.


2/228.


An Sophie von La Roche

Den 20ten wird seyn künftigen Montag, ist Lavater hier, ich habe eine ganz neue Freude in der Erwartung des Menschen. Er geht in ein Bad. Ich hätte freylich gewünscht, daß Sie ihn wenigstens berührt hätten, doch vielleicht macht sichs noch. In der Welt ists würcklich nicht so schlimm, es ist nur anders als wir's uns vorstellen. Glauben Sie mir dass das Opfer[168] das ich Ihrer Max mache sie nicht mehr zu sehn, werther ist als die Assiduität des feurigsten Liebhabers, dass es im Grunde doch Assiduität ist. Ich will gar nicht anrechnen was es mich gekostet hat, denn es ist ein Capital von dem wir Beyde Interessen ziehen. Behalten Sie mir Ihr Herz offen.

Merck ist wieder da mit Sack und Pack, das ist: mit Weib und Kindern, noch hab ich nichts von ihm gehört. Von der Messe hab ich drei Meisterstücke Herders älteste Urkunde des Menschengeschlechts. Klopstocks gelerten Republik und eines Ungenannten Laidion.

[Frankfurt] am 16. Juni 74.

Goethe.


2/229.


An Heinrich Christian Boie

Ich habe das übersandte Geld 8 Ld'vr. richtig empfangen, danke für den Anteil den Sie an unserm kleinen Handel genommen haben und wollen nicht wieder beschweerlich seyn. Für das übrige wollen wir gerne Bücher nehmen, für die restirenden Exemplare auch. Nur melden Sie was für Bücher wir verlangen können.

Kommen Sie nur recht bald und gewiß, man redet mehr in einer Stunde und herzlicher als man in Jahren schreibt.

Morgen erwart ich Lavatern den das Glück auch zu mir herführt. Sie haben wohl gerathen der Hofmeister[169] ist von den Verfasser der Plautinischen Comödien.

Was ich drucken lasse ist: Die Leiden des jungen Werthers Geschichte, und Clavigo ein Trauerspiel. Das sind zwar nur Titels ist unterdeß zur Nachfrage. Wenn Sie die Exemplare von Götzen nicht los werden können, bringen Sie mir sie mit, oder schicken sie mit Gelegenheit, auch von den biblischen Fragen ein paar Duzzend. Freylich möcht ich nicht viel Porto zahlen. [Frankfurt] Am 22. Jun. 1774.

Goethe.


2/230.


An eine Frankfurter Freundin

[Frankfurt? Ende Juni 1774.]

Das ist mein Mann! Er hat Hunderten das Wort vorm Maule weggenommen. Eine solche Fülle hat sich mir so leicht nicht dargestellt. Ich halte dafür, daß sich nichts über ihn sagen läßt. Man muß ihn bewundern oder mit ihm wetteifern. Wer etwas Anderes thut, oder sagt so! und so! ist eine Canaille. Adieu.


2/231.


An Gottlob Friedrich Ernst Schönborn

[Frankfurt, 1. Juni – 4. Juli 1774.]

Am 25. Mai erhielt ich Ihren Brief er machte uns allen eine längst erwartete Freude, ich schnitt[170] mir gleich diese reine Feder um Ihnen einen Aequivalenten Bogen vollzupfropfen, kann aber erst heut d. 1. Jun. zum schreiben kommen. In der Nacht vom 28. auf den 29. May, kam Feuer aus in unsrer Judengasse das schnell und grässlich überhand nahm, ich schleppte auch meinen Tropfen Wasser zu, und die wunderbaarsten, innigsten, manigfaltigsten Empfindungen haben mir meine Mühe auf der Stelle belohnt. Ich habe bei dieser Gelegenheit das gemeine Volk wieder näher kennen gelern, und binn aber und abermal vergewissert worden dass das doch die besten Menschen sind. Ich dancke Ihnen herzlich, dass Sie so ins Einzelne Ihrer Reise mit mir gegangen sind, dafür sollen Sie auch allerlei hören aus unserm Reiche. Ich habe Klopstocken geschrieben und ihm zugleich was geschickt, brauchen wir Mittler um uns zu kommuniziren? Allerhand neues hab ich gemacht. Eine Geschichte des Titels: die Leiden des iungen Werthers, darinn ich einen iungen Menschen darstelle, der mit einer tiefen reinen Empfindung und wahrer Penetration begabt, sich in schwärmende Träume verliert, sich durch Spekulation untergräbt, biss er zuletzt durch dazutretende unglückliche Leidenschafften; besonders eine endlose Liebe zerrüttet, sich eine Kugel vor den Kopf schiesst. Dann hab ich ein Trauerspiel gearbeitet Clavigo, moderne Aneckdote dramatisirt mit möglichster Simplizität und Herzenswahrheit; mein Held ein unbestimmter, halb gros[171] halb kleiner Mensch, der Pendant zum Weislingen im Götz, vielmehr Weislingen selbst in der ganzen Rundheit einer Hauptperson; auch finden sich hier Scenen die ich im Götz um das Hauptinteresse nicht zu schwächen nur andeuten konnte. Auf Wielanden hab ich ein schändlich Ding drucken lassen, unterm Titel: Götter, Helden und Wieland, eine Farce. Ich turlupinire ihn auf eine garstige Weise über seine moderne Mattherzigkeit in Darstellung iener Riesengestalten der marckigen Fabelwelt. Ich will fluchen euch nach und nach das Zeug durch Gelegenheit nach Marseille zu spediren, übers Meer kann das Porto nicht viel tragen. Noch einige Plane zu grosen Dramas hab ich erfunden, das heisst das interessante Detail dazu in der Natur gefunden und in meinem Herzen. Mein Cäsar der euch einst freuen wird, scheint sich auch zu bilden. Mit Critick geb ich mich gar nicht ab. Kleinigkeiten schick ich an Claudius und Boje, davon ich diesem Brief einige beyfügen will. Aus Frankfurt bin ich nicht gekommen, doch hab ich so ein verworren Leben geführt, dass ich neuer Empfindungen und Ideen niemals gemangelt habe. Von der Landung vergangener Leipziger Messe Morgen. Für heute Adieu.


am 8. Juni. Ich fahre fort. Herder hat ein Werk drucken lassen: Aelteste Urkunde des Menschengeschlechts. Ich hielt meinen Brief inne um Ihnen auch Ihr Theil übers Meer zu schicken, noch aber[172] binn ich's nicht in Stande, es ist ein so mystisch weitstrahlsinniges Ganze, eine in der Fülle verschlungner Geschöpfsäfte lebend und rollende Welt, dass weder eine Zeichnung nach veriüngtem Maasstab, einigen Ausdruck der Riesengestalt nachäffen, oder eine treue Silhouette einzelner Teile, melodisch sympathetischen Klang in der Seele anschlagen kann. Er ist in die Tiefen seiner Empfindungen hinabgestiegen, hat drinne all die hohe heilige Krafft der simpeln Natur aufgewühlt und führt sie nun in dämmerndem, wetterleuchtendem hier und da morgendfreundlichlächelndem, Orphischem Gesang von Aufgang herauf über die Weite Welt, nachdem er vorher die Lasterbrut der neuern Geister, De – und Atheisten, Philologen, Textverbesserer, Orientalisten, mit Feuer und Schwefel und Fluthsturm ausgetilget. Sonderlich wird Michaelis von Skorpionen getödtet. Aber ich höre das Magister Volck schon rufen: er ist voll süsen Weins, und der Landpfleger wiegt sich auf seinem Stule und spricht: du rasest! Sonst hab' ich nichts von der Messe kriegt das der Worte unter uns werth wäre. Klopstocks Republick ist angekommen. Mein Exemplar hab ich noch nicht. Ich subscribirte ausserhalb. Der Trödelkrämer Merkurius fährt fort seine philosophisch moralisch poetische Bijouteries, Etoffes, Dentelles pp. nicht weniger Nürnberger Puppen und Zuckerwerck, an Weiber und Kinder zu verhandeln, wird alle Tage gegen seine Mitarbeiter schulmeisterlich impertinenter,[173] putzt sie wie Buben in Noten und Nachreden pp. Nun auch ein vernünftig Wort aus dem Leben, meine Schwester ist schwanger und grüst euch, wie auch ihr Mann. Der Dechant war einige Zeit kranck, jetzt sind wir in dem Garten fleisig, säen, binden, gäten und essen, er will in der Apathie was vor sich bringen, ich aber der ich sehe es geht nicht, übe mich täglich in der Anakatastasis. Unter den übrigen die Sie haben kennen lernen hat sich nichts merckwürdiges zugetragen. Höpfner ist glücklich in seinem Ehestande. Lavater, der mich recht liebt, kommt in einigen Wochen her, wenn ich ihm nur einige Tropfen Salbstständigen Gefühls einflösen kann, soll michs hoch freuen. Die beste Seele wird von dem Menschenschicksaal so innig gepeinigt, weil ein krancker Körper und ein schweiffender Geist ihm die kollecktive Krafft entzogen, und so der beste Freude, des Wohnens in sich selbst beraubt hat. Es ist unglaublich wie schwach er ist, und wie man ihm, der doch den Schönstens schlichtesten Menschenverstand hat, den ich ie gefunden habe, wie man ihm gleich Rätsel und Mysterion spricht, wenn man aus dem in sich und durch sich lebenden und würckenden Herzen redet.


am 10. Juni. Klopstocks herrliches Werck hat mir neues Leben in die Adern gegossen. Die Einzige Poetick aller Zeiten und Völcker. Die einzige Regeln die möglich sind! Das heisst Geschichte des Gefühls[174] wie es sich nach und nach festiget und läutert und wie mit ihm Ausdruck und Sprache sich bildet; und die biedersten Aldermanns Wahrheiten, von dem was edel und knechtisch ist am Dichter. Das alles aus dem tiefsten Herzen, eigenster Erfahrung mit einer bezaubernden Simplizität hingeschrieben! Doch was sag ich das Ihnen der's schon muß gelesen haben. Der unter den Jünglingen den das Unglück unter die Rezensentenschaar geführt hat, und nun wenn er das Werck las nicht seine Federn wegwirft, alle Kritick und Kriteley verschwört, sich nicht gerade zu wie ein Quietist zur Contemplation seiner selbst niedersezt, aus dem wird nichts. Denn hier fliesen die heiligen Quellen bildender Empfindung lauter aus dem Trone der Natur.


d. 4. Juli. Lavater war fünf Tage bey mir und ich habe auch da wieder gelernt, dass man über niemand reden soll den man nicht persönlich gesehen hat. Wie ganz anders wird doch alles. Er sagt so offt daß er schwach sey, und ich habe niemand gekannt der schönere Stärcken gehabt hätte als er. In seinem Elemente ist er unermüdet thätig, fertig, entschlossen, und eine Seele voll der herzlichsten Liebe und Unschuld. Ich habe ihn nie für einen Schwärmer gehalten und er hat weniger Einbildungskrafft als ich mir vorstellte. Aber weil seine Empfindungen ihm die wahrsten, so sehr verkannten Verhältnisse der[175] Natur in seine Seele prägen, er nun also iede Terminologie wegschmeisst, aus vollem Herzen spricht und handelt und seine Zuhörer in eine fremde Welt zu versetzen scheint, indem er sie in die ihnen unbekannte Winckel ihres eignen Herzens führt; so kann er dem Vorwurf eines Phantasten nicht entgehen. Er ist im Emser Bade, wohin ich ihn begleitet habe.

Mit Klopstocks Gelehrten Republick ist die ganze Welt unzufrieden, es versteht sie kein Mensch. Ich sah wohl voraus was für eine erbärmliche Figur das herrliche Buch in den Händen aller Welt machen würde.

Lavaters Phisiognomick giebt ein weitläufiges Werck mit viel Kupfern. Es wird große Beiträge zur bildenden Kunst enthalten, und dem Historien und Portraitmahler unentbehrlich seyn.

Heinse den Sie aus der Ubersetzung des Titels: Laidion oder die eleusinischen Geheimnisse. Es ist mit der blühendsten Schwärmerei der geilen Grazien geschrieben, und lässt Wieland und Jakobi weit hinter sich, obgleich der Ton und die Art des Vortrags, auch die Ideen Welt in denen sich's herumdreht mit den ihrigen coinzidirt. Hinten an sind Ottave angedruckt die alles übertreffen was ie mit Schmelzfarben gemahlt worden.

Die letzte Seite will ich mit Reimen besetzen. Ich habe die Zeit her verschiednes geschrieben, doch nichts[176] ist völlig zu Stande. Schreiben Sie mir bald von Ihrem Leben. Meine Eltern, Schwester und Freunde grüsen.

Leben Sie wohl aber und abermal und behalten mich lieb.

G.


2/232.


An Johann Georg Christoph Steche

Wohlgebohrner

Hochgeehrtester Herr.

In unsrer Sache gegen den Hrn. Amtmann Luther, ist auf dessen Exzeptions Schrifft decretirt worden dentur acta ad referendum. Weilen nun aber wenn hier sollte gesprochen werden Hr. Horn wahrscheinlich noch einmal verlieren dürfte so bin ich um einen 14 Tägigen Termin, et pro venia replicandi eingekommen da ich denn wie neulich schon gemeldt zugleich um Transmissionem actorum in vim concipiendae sententiae bitten werde. Da aber solches mit Kosten verknüpft in deren Auslagen ich mich nicht einlassen kann, wie denn Dieselben meine neulich übersandte Rechnung noch nicht zu berichtigen beliebt haben; so muss ich Denenselben melden, dass wenn ich nicht über obgedachte Rechnung noch 25 hiesige Gulden erhalte ich nicht nach meiner Uberzeugung in der Sache fortfahren, sondern ihr den gewöhnlichen Lauf lassen muss. Ich bitte an Hrn. Horn meinen Empfel, die Berichtigung meiner[177] ersten Rechnung, sodann Dero Gesinnungen wegen des andern Puncktes auf das schleunigste ehe der mir vergönnte Termin zu Ende gehet.

Worüber p.

Franckfurt d. 12. Jul. 1774.

Ew. Wohlgeb. ergebenster

Goethe. Dr.[178]


2/240.


An Johann Kaspar Lavater

[Anfang Juli 1774.]

Hier lieber Bruder ist das versprochne und mehr. Das Dram das ich der Meyern versprochen habe, ist auf dem Weege ziemlich fertig worden, ich schreib es ab uns aus, und dann schick ichs, das kannst du dem kleinen Wibli einweil sagen. Auch schick ich dir eine Bouteille Himbeersafft. Grüs mir Hrn. Schmoll.[183] Sey brav so will ich auch wohl gut seyn. Schreib mirs wie dirs geht. Adieu.

G.

Den Merkur schick ich nach.

Ich will dir einige Sachen zeichnen und schicken.[184]


2/234.


An Sophie von La Roche

Mir ist mehr als einmal durch den Kopf gefahren dass es so seyn muss. Hier am Hofe ehrt man liebt man Sie, und wo nicht? als nur da wo Sie angebetet werden sollten. Doch wie ists worden? Ich hab die Liebe Kleine bey der Dester gesehn. Adieu Mama. Kommen Sie hierher! Lavater predigt auf den Sonntag hier. Empfehlen Sie mich Fr. v. Stein.

Neuwied am 19. Jul. 1774.

Goethe.


2/235.


An Betty Jacobi

Sie erwarten keinen Brief von mir am wenigsten datirt

Düsseldorf d. 21. Juli 1774

gegen zwölfe Mittags, in dem Gasthofe zum Prinzen von Oranien. Kommend von der Gallerie, die meines Herzens Härtigkeit erweicht, gestärckt und folglich gestählt hat.[179]

Vor acht heut früh lief ich nach Ihrem Hause, in die neu Strase, ans Flinger oder Flinder Tohr/. Deswegen geh ich so in's Detail, dass Sie sich des überzeugen dass ich hier bin, das ich selbst kaum glaube/. Cathrine machte auf, und grose Augen, stuzte, erkannde mich, und schien vergnügt zu seyn. Das Haus war leer! Die Herrschafft verreist der iüngste schlief, die andern in Pempelfort. Ich hinaus nach Pempelfort pppppp. Lottgen, Lehngen, Papa, ppp. Friz, George, der Kleine ppp.

Dass mir's weh thut Sie nicht zu treffen fühlen Sie – iust iezo – eben ietzo. –

Was weiter wird? Steht in der Götter Hand.

Goethe.


2/236.


An Betty Jacobi

[Köln, 25. Juli 1774.]

Ihr Friz Betty, mein Friz, Sie triumphiren Betty und ich hatte geschworen ihn nie zu nennen vor seinen Lieben, biss ich ihn nennen könnte, wie ich ihn zu nennen glaube, und nun nenne. Und so willkommen tausendmal willkommen. Die gesperrte Schiffahrt geöffnet, handelt und Wandel im Flor, und gnade Gott dem scheelsüchtigen Nachbaarn. Wie schön, wie herrlich dass Sie nicht in Düsseldorf waren daß ich that was mich das einfältige Herz hies. Nicht eingeführt, marschallirt, exküsirt; grad rab vom Himmel[180] gefallen vor Friz Jacobi hin! Und er und ich und ich und er! Und waren schon, eh noch ein schwesterlicher Blick drein präliminirt hatte, was wir seyn sollten und konnten. Adieu liebe Frau, Küss sie mir die Buben und die Mädgen.


2/237.


An Sophie von La Roche

[Ems, Ende Juli 1774.]

Dienstag werden wir kommen bei Ihnen zu Mittag essen, um mit wahrer Freud zusammen zu seyn, so viel die Welt giebt. Mein Sinn hat sich noch nicht ganz erholt, wo vier Knaben gestern Nacht ertranken und keiner gerettet wurde. Nur in solchen Augenblicken fühlt der Mensch, wie wenig er ist. und mit heisen Armen und Schweiß und Thränen nichts würkt. Adieu Mama schicken Sie mir doch einige Flaschen Weins, oder vielmehr ich will sie mitnehmen wenn ich komme, hier vergiften sie mich mit Getränk.

G.


2/238.


An Sophie von La Roche

[Ehrenbreitstein, Anfang August 1774.]

Hier Mama ist die Grabschrifft, mich würde unedlich freuen wenn sie Prinzessinn ... wählte. Schicken[181] Sie sie doch bald der Fr. v. Bretlach. Kommen Sie mir bald nach. Küssen Sie den leidenten Engel von mir. Und so geh ich zur Lulu.

G.


2/239.


An Friedrich Heinrich Jacobi

[13. und 14. August 1774.]

Ich träume lieber Fritz den Augenblick, habe deinen Brief und schwebe um dich. Du hast gefühlt daß es mir Wonne war, Gegenstand deiner Liebe zu seyn. – O das ist herrlich daß jeder glaubt mehr vom andern zu empfangen als er giebt! O Liebe, Liebe! Die Armuth des Reichthums – und welche Kraft würkts in mich, da ich im andern alles umarme was mir fehlt und ihm noch dazu schenke was ich habe. Ich habe vorige Nacht ausm Postwagen durch Basedows Grille geseßen. Es ist wieder Nacht. – Glaub mir, wir könnten von nun an stumm gegen einander seyn, uns dann nach Zeiten wieder treffen, und uns wärs als wären wir Hand in Hand gangen. Einig werden wir seyn über das was wir nicht durchgeredt haben. Gute Nacht. Ich schwebe im Rauschtaumel, nicht im Wogensturm, doch ists nicht eins welcher und an Stein schmettert? – Wohl denen die Trähnen haben. – Ein Wort! Laß meine Briefe nicht sehen! Versteh! – Erklärung darüber nächstens wenns braucht. am 13. Nachts.[182]


am 14. Abends.

Ich habe Tanten gesehen, und bin froh daß der Dammweg ist, der über ihr ander garstig Verhältniß, noch manches Gefühl zurückschwellte in ihr Herz. – Sie darf mit mir von ihrem Fritz reden – Heute zum erstenmal – Wohl! Wohl! – Wenn Sie diese Jahre her das gekonnt hätte wärs nichts – Jetzt aber – und so – ihr triumphirender Glaube: sie werden sich lieben! – Frau, Schwester, Bruder, Rosten, alles Grüße, jeglichem nach seiner Art. Ich danke den Mädchen für ihre Briefgen. Sie sollen mir manchmal schreiben, wenn ich auch todt scheine. Es würkt innerlich doch und so ein Briefchen weckt schlafende Kräfte, sie sollen Dramas haben Lieder, allerley. – Adieu meine neuen. Schick doch Jung einen Clavigo.

G.[183]


2/240a.


An Johann Kaspar Lavater

[Frankfurt, Mitte August 1744.]

Kriegst diesen Brief statt durch Meyern durch mich. Ich habe mein Schifflein abermal geflickt und wag's weiter. Habe gute Tage genossen in Ems u. Coblenz. Auch mit Basedow der mit mir herkommen ist. Schreib mir kürzlich von deiner Reise. Grüs Pfenninger u. Passavant. Sie sollen was von sich hören lassen. Basedow kommt zu euch auf Pfenningers Brief. Möcht du Ruhe finden nur so viel als nötig ist, dir deine Reise zu fruchten. Grüs die Fr. Schulthes, u. dein Weib. Adieu. Schick mir mit Messgelegenheit all meine Schreibereyen zurück.[5]


2/241.


An Johann Georg Christoph Steche

Wohlgebohrner Herr

Hochgeehrtester Herr Docktor.

Dero wertheste Zuschrifft vom 30. Juli habe bey meiner vorgestrigen Ankunft aus dem Bade nebst zwey Dukaten richtig gefunden und zugleich zur verlangten Abschrifft Anstalt gemacht. Es folgen hierbey die vor Burgemeisterlicher Audienz gewechselten Rezesse nebst dem Bescheide von welchem ich an Schöffenrath provocirt habe. Das ganze Protokoll abschreiben zu lassen habe für unnötig gefunden, weil übrigens nichts denn citation, Fristbitten und Erstreckungen dazwischen enthalten. Ew. Wohlgeb. werden aus dem Verlauf der Sache ersehen daß freylich in favorem Hrn, Gegners gesprochen ist, welches auch in zweiter Instanz zu befürchten stehet, wenn nicht gebeten wird daß acta ad concipiendam sententiam Extraneis zugesendet werde.

In zweyter Instanz steht es ietzo auf der Replik, cujus veniam cum termino quatuor hebdomadarum impetravi. Klage und Exzeption enthalten auch hier[184] ut fieri solet nichts was nicht schon in Rezessen erster Instanz vorgebracht worden.

Mir viel Empfel an Hrn. Horn, habe die Ehre zu verharren um baldige Resolution bittend

Franckfurt den 16. August 1774.

Ew. Wohlgeb. ergebenster

JWGoethe Dr.


2/242.


An Sophie von La Roche

[Frankfurt, 20.? August 1774.]

Hier Mama das versprochene, ist's so recht? Mit der fahrenden schick ich mehr, vergüldt aufm Schnitt, dabey des lieben Mädgens Briefe, das ein fürtreffliches Mädgen ist, dabei Zeitungen von Hrn Deinet. Wollen Sie mir dann schreiben, was ich Ihnen soll für den Tee? was Sie ausgelegt haben für mich? so will ichs mit denen 2 Carolin an Dumeix geben oder wohin Sie wollen. Mit der Anecht[?] Sill[?] will ich dann warten aber nicht lang. Hat Hohenfeld einen Clavigo?

Groschlag mögt ich gar gerne sehen wenns halbweg mit Manier geschehen kann.

D'abord que Wieland est curieux de savoir ce que je ferois de lui, si le hasard me l'amenoit – il est perdu – vous m'entendés bien. Sobald ein Werther kommt, soll er bey Ihnen seyn, hier ist auch wieder das Testament daß nicht Cristi ist.[185]


2/243.


An Friedrich Heinrich Jacobi

[Frankfurt, 21. August 1774.]

Nach frugalem Abendbrot, auf meinem Zimmer, schreib ich dir noch auf der Serviette, mein Schöppgen Wein vor mir. Nach einem dürren Nachmittag, dein Brief, und hundert Ideen in Cirkulation. Akademie ist Akademie, Bohlheim, Berlin oder Paris, wo die satten Herren sitzen, die Zähne stochern und nicht begreifen warum kein Koch was bereiten kann das ihnen behage. Du bist grob mit ihnen umgegangen, hat dirs doch wohl gethan, und ist eines braven Jungens etwas wohl über die Schnur zu hauen zu Schirm des Mädgens, das ihm alles gab was es hatt, und dem rüstigen Knaben Freund genung, frisch iunges warmes Leben. Ich hab mich mit dem Mährgen die ganze Woch getragen als hätts mir geahndet, und ist schön daß es so eintraff. Wie ich so das hochadliche Urteil ablas, stellte ich an meiner Statt einen guten Kerl hin, der vors Publikum geschrieben hätte, elementarisch, pracktisch, prophetisch, zur Beßerung Herzens, Verstandes und Wizzes, hätte nun sich dahin gegeben mit Leibs und Geistskrafft, und die Herrn für allen Danck fändens unter der Erwartung, Erwartung dem Narren dem wie bekannt unser Herr Gott selbst nichts zu dancke machen kann.

Sieh Lieber, was doch alles schreibens anfang und Ende ist die Reproducktion der Welt um mich, durch[186] die innre Welt die alles packt, verbindet, neuschafft, knetet und in eigner Form, Manier, wieder hinstellt, das bleibt ewig Geheimniß Gott sey danck, das ich auch nicht offenbaaren will den Gassern und Schwäzzern.

Ich wollt ich könnt so gegen dir über sizzen und noch Einen dazu, ich hab so tausend Sachen auf dem Herzen. Indeß ist das gestückte Geschreib auch was. Daß mich nun die Memoires des Beaumarchais de cet avanturier francois freuten, romantische Jugendkraft in mir wecken, sich sein Charackter seine Taht, mit Charackteren und Thaten in mir amalgamirten, und so mein Clavigo ward, das ist Glück, denn ich hab Freude gehabt drüber, und was mehr ist ich fordre das kritische Messer auf die blos übersezten Stellen abzutrennen vom Ganzen, ohn es zu zerfleischen, ohne tödliche Wunde (nicht zu sagen der Historie) sondern der Strucktur, Lebensorganisation des Stücks zu versezzen! Also – Was red ich über meine Kinder, wenn sie leben; so werden sie fortkrabeln unter diesem weiten Himmel. Aber wer auch fürs Publikum Kinder machte! damit er hörte que ce cul est tiré en partie du Huron de Mr. d. Voltaire. Aber ich bitte dich laß mir die Menschen, die sind vor mir gestempelt, und die wird Merkurius und Iris nicht wiedergebähren so wenig als der Bär auf den Schrifften Gottschedischen aevi.

Offt wohn ich mit Jappachs Geist, und ich bitte dich daß du's verborgen haltest vor mir; wenn der[187] gute Krah, wohlmeynend das Heiligtuhm seines Gottes beraubt pour le mettre aux pieds de son Altesse.

Werthes ist ein gar guter Junge, und die Art wie er sich in die Chinoises und Sofas schicken thut, ist so menschlich.

Ich wünschte Rost regalirte mich mit einem Mährgen dessen Stoff wäre wollüstig ohne geil zu seyn, dessen Ausdruck wäre ohne Wielandische Mythologie i.e. ohne Hippiasse und Danaes, die ich sehr müd bin, und ohne Allusion auf alte Schrifftsteller. Thät das Rost mich würds sehr freuen, sag's ihm doch, dagegen soll er sich auch was in meiner Dichtart und Krafft vorsetllen das er gerne von mir sähe.

Du kriegst bald kleine Sachen von mir wie ich sie finde, es liegt allerley hier und da.

Jung ist nicht der erste der zweifelt ob das Stück von mir ist? Immer zu. Ich hoffe auf gute Tage wieder eins zu machen, und wieder so ohne Rücksicht, obs schaden möge meinem Ruhm oder aufhelfen pp. d. 21. Aug. den 28. ist mein Geburtstag, gönn ihm ein Andencken.

Ich lese deine Epistel ab die Akademisten noch einmal, entfalte mein Brieflein noch einmal dir zu sagen: daß zwar herrlich ist selbstständig Gefühl, daß aber antwortend Gefühl würckender macht ist ewig wahr, und so danck deinem Geist und[188] so wohl unsern Geistern daß sie sich gleichen. Gute Nacht.

Schick mir doch Rosts Brief an Werthes über Jappachs Garten.


2/244.


An Sophie von La Roche

[Frankfurt, 24. und 28. August 1774.]

Was ist liebe Mama, was ist das Herz des Menschen? sind der würcklichen Uebel nicht genug? Muss es sich auch noch aus sich selbst phantastische schaffen! doch was klag ich! Die Unruhe und Ungewissheit sind unser Theil und lassen Sie uns die tragen mit Muth, wie ein braver Sohn der die Schulden seines Vaters übernommen hat. Unsre Briefe haben sich gekreuzt. Hier ist Reichens Brief wieder. Mein voriger Brief antwortet auf das übrige. Nur mit dem Dechant hab ich nicht gesprochen, mag auch nicht mit ihm von der Max reden. Warum sie hinab will? – Sie sagte mir gestern: »es seye eine Idee von Brentano. Sie mögten nur ia dazu sagen, vielleicht wendete er wieder seinen Sinn« – Und dann Mama es geht in solchen Fällen wie in der Kranckheit, in das Bett, aus dem Bett, und wieder hinein, man hofft, und verbessert seinen Zustand wenigstens den Augenblick der Veränderung. Der Brief an Kalckhoff ist gleich wie Sie ihn schickten, fort.

[189] So weit schrieb ich den 24. Heut d. 28ten schick ich Ihnen beyde Briefe zurück. Danck vielen Danck. O lassen Sie mich immer was von meinem Nachbaar Gorgias hören. Sie sollen auch dafür was hören mit der Zeit. Adieu.

Grüsen Sie Hrn. v. Hohenfeld herzlich. Schreiben Sie mir wann und was Sie das Herz heisst.

Adieu. G.


2/245.


An Charlotte Kestner, geb. Buff

[Frankfurt und Langen, 26. – 31. August 1774.]

Wer geht den Augenblick aus meiner Stube? Lotte, liebe Lotte, das räthst du nicht. Räthst ehr von berühmten und unberühmten Leuten eine Reihe als die Frau Catrin Lisbet, meine alte Wetzlarer Strumpfwaschern, die Schwäzzern die du kennst die dich lieb hat wie alle die um dich waren dein Lebenlang, sich nicht mehr in Wetzlar halten kann, der meine Mutter einen Dienst zu schaffen hofft. Ich hab sie mit herauf genommen in meine Stube, sie sah deine Silhouette, und rief: Ach das herzelieb Lottgen, in all ihrer Zahnlosigkeit voll waren Ausdrucks. Mir hat sie zum Willkomm in voller Freude Rock und Hand geküsst. und mir erzählt von dir wie du so garstig warst, und ein gut Kind hernach und nicht verschwäzt hättest, wie sie um dich zum Lieutenant Meyer führte der in[190] deine Mutter verliebt war, und dich sehn und dir was schencken wollte, das sie aber nicht litt pp. alles alles. Du kannst dencken wie werth mir die Frau war, und dass ich für sie sorgen will. Wenn Beine der Heiligen, und leblose lappen die der Heiligen Leib berührten, Anbetung und bewahrung und Sorge verdienen, warum nicht das Menschengeschöpf das dich berührt, dich als Kind aufm Arm trug, dich an der Hand führte, das Geschöpf das du vielleicht um manches gebeten hast? Du Lotte gebeten. Und das Geschöpf sollte von mir bitten! Engel vom Himmel. Liebe Lotte noch eins. Das machte mich lachen. Wie du sie oft geärgert hast mit denen schlocker Händgen, die du so machst, auch wohl noch, sie machte mir sie vor, und mir wars als wenn dein Geist umschwebte. Und von Carlinen, Lehngen allen, und was ich nicht gesehn und gesehn habe, und am Endlichen Ende war doch Lotte und Lotte und Lotte und Lotte, und Lotte und ohne Lotte nichts und Mangel und Trauer und der Todt. Adieu Lotte. kein Wort heut mehr. 26. Aug.


Ich habe gestern den 26. einen Brief an dich angefangen, hier sitz ich nun in Langen zwischen Franckfurt und Darmstadt, erwarte Merken, den ich hierher beschieden habe, und mir ist im Sinn an dich zu schreiben. Heut vor zwey Jahren sas ich bey dir fast den ganzen Tag da wurden Bohnen geschnitten biss[191] um Mitternacht, und der 28te feyerlich mit Thee und freundlichen Gesichtern begann o Lotte, und du versicherst mich mit all der Offenheit und Leichtigkeit der Seele, die mir so werth immer war an dir, dass ihr mich noch liebt, denn sieh es wäre gar traurig wenn auch über uns der Zeiten Lauf das Uebergewicht neh men sollte. Ich werde dir ehestens ein Gebetbuch, Schatzkästgen oder wie du's nennen magst schicken, um dich Morgends und Abends zu stärken in guten Erinnerungen der Freundschaft und Liebe. Morgen denckt Ihr gewiss an mich. Morgen bin ich bey euch, und die liebe Meyern hat versprochen mir ihr Geistgen zu schicken mich abzuhohlen. Ein herrlicher Morgen ists, der erste lang ersehnte Regen nach einer Dürre über vier Wochen, der mich erquickt wie das Land, und dass ich ihn auch eben auf dem Lande geniesse! Vorgestern war Gotter da, er geht mit zwey Schwestern nach Lyon, dort eine Schwester zu besuchen, ist immer gut, und sehr krank, doch munter, es ward unser altes Leben rekapitulirt, er grüste herzlich dein Schattenbild, ich schwäzt ihm allerley vor pp. und so ging er wieder. Darinn hab ich's gut, wenn meine Freunde halbweg reisen so müssen sie zu mir, bey mir vorbey und zollen.


d. 31. Aug. Hier herein gehört meine Liebe, beyliegendes Blättchen das ich in Langen schrieb letzten Samstag eh Merck kam. Wir verbrachten einen glücklichen[192] Tag, der Sonntag war leider sehr trocken. doch die Nacht traumt ich von dir wie ich wäre wieder zu dir gekommen und du mir einen herzlichen Kuss geben hättest. Solang ich von dir weg binn hab ich weder wachend noch träumend, dich so deutlich vor mir gesehn. Adieu. von den Silhouetten hierbey ist eine für euch, für Meyers, für Zimmermann. Kestner soll mir doch auch wieder einmal schreiben. Adieu Lotte ich danke dir dass du wohl lesen magst was ich schreibe und drucken lasse, hab ich dich doch auch lieb. Küss mir den Buben. und wenn ich kommen kann, ohne viel zu reden, und schreiben, steh ich wieder vor dir, wie ich einst von dir verschwand, darüber du dann nicht erschröcken, noch mich ein garstig Gesicht schelten magst. Grüs Meyers. Ich möchte dich doch sehen den Buben aufm Arm. Adieu Adieu.


2/246.


An Johanna Fahlmer

[Frankfurt, Ende August 1774.]

Muss erst den zweyten Theil suchen. Dancke besonders für die gütige Theilnehmung an der Schwäzzung des Volcks die ich vornehme, vielleicht wird während der Zeit ein neuer Messias im Stall gebohren.

Sie haben mich herzlich zu lachen gemacht! Hier den Franzosen auf den Deutschen. Heut oder Morgen giebts noch Clavigos.

G.[193]


2/246a.


An Johann Kaspar Lavater

[Frankfurt, zweite Hälfte August 1774.]

. . . Lieber Lavater, eine Bitte! Beschreibe mir mit der Aufrichigkeit eines Christen, aber ohne Bescheidenheit – Gerechtigkeit ist gegen die, was Gesundheit gegen Kränklichkeit – deine ganze That wider den Landvogt Grebel, was deine Schrift oder Rede veranlast, was darauf erfolgt ist, plutarchisch – damit ich dich mit deiner That messe, du braver Geistlicher! du theurer Mann! Eine solche That gilt hundert Bücher, und wenn mit die Zeiten wieder auflebten, wollt ich mich mit der Welt wieder aussöhnen. Schreib mir's ganz ich beschwöre dich – um deinetwillen. . .[6]


2/247.


An Friedrich Heinrich Jacobi

[Frankfurt, 31. August 1774.]

Mir ist ganz wohl euch zu sehen in freyer Gotteswelt, theils des gegenwärtigen Genußes willen der verjüngt Leib und Seele, teils auch in Hofnung gutes Vorbedeutens daß du dich muthig entreissen wirst der papirnen Vestung Spekulation und literarischer Herrschafft. Denn das raubt dem Menschen alle Freude an sich selbst. Denn er wird herumgeführt von dem und ienem, hie in ein Gärtgen da in eine Baumschule, in eine Irrgarten und Irrgärtgen, und preiset ihm ieder an seiner Hände Werck, und endlich siehet er in seine Hände die ihm auch Gott gefüllt hat mit Krafft und allerley Kunst, und es verdreußt ihn des Gaffens und Schmarozens an andrer Schöpfungsfreude, und kehret zurück zu seinem Erbteil, säet, pflanzt und begießt, und geniest sein und der seinigen in herzlich würckender Beschränckung. Somit seyst du eingeseegnet wo du auch sehest und liegest auf Gottesboden, wandere so fort daß sich in dir kräfftige Liebe, aus ihr Einfalt keime, aus der mächtiges Würcken aufblüht. – Lebt wohl. am 31. Aug.

Hier eine Ode, zu der Melodie und Commentar nur der Wandrer in der Noth erfindet.

Davor hoff ich auf das weitere Tagbuch eures[194] Zugs, das doch auch von Zeit zu Zeit Rost führen möge, und euch beyde recht rund zu mir zu bringen.

Hier zwey Lavater für den Bruder, Rosten. Auch für Jung einen.


2/248.


An Hans Buff

Ihr habt einen lieben Bruder verlohren, und ich einen von meinen lieben Buben. Seyd brav doppelt und dreyfach dass an euch Papa und ich getröstet werden über was passirt. Glaubt er denn nicht dass mich von euch alle Kleinigkeiten interessiren? Ich bin zwar lang weg, doch immer bey euch. Adieu; bestell er mir den Brief an Lotten aufs beste. [Frankfurt] am 31. Aug. 1774.


G.[195]


2/325.


An Johann Kaspar Lavater

[Frankfurt, September 1774.]

Hier ist der Journal. Lieber hätt ich nichts eingerückt. Da es aber einmal seyn sollte; so glaub ich den rechten Ton getroffen zu haben. Du magst bedencken, welche Würckung deine mir gesendete Nachricht auf das hiesige Publikum würde gemacht haben. Ich hoffe die Sache soll nun ruhen, und vors künftige bitt ich dich weniger empfindlich zu seyn. So lang du lebst und würckst, wirst du nicht vermeiden mißverstanden zu werden, darauf mußt du ein vor allemal resigniren. Und dann darfst du ia nur auf der Gasse mit einem Freunde heftig reden, die kalten Zuschauer aus den vornehmen Fenstern machen ihre Glossen drüber – geschweige.

G.[259]


2/249.


An Sophie von La Roche

d. 15. Sept. [Frankfurt 1774.]

Heut gehn ab liebe Mama, die freimüthigen Briefe, sie sind recht brav geschrieben, hier und da macht er übertriebne Prätensionen, wie alle Zuschauer die den Buckel nicht selbst daran zu strecken haben. Kalckhof hat mir einen sehr artigen Brief geschrieben und mich in Namen Ihrer Excellenz nach Dieburg geladen, Groschlag war gestern hier, hab aber nicht an ihn kommen können.

[195] Die Zeit hab ich mit der lieben Max zweymal lange geredt. Sie ist wohl und schickt sich mit viel Fassung in die Umstände.

Daß meine Verse recht sind, freut mich. Ob man versteht, oder theil daran nimt, davon ist die Rede nicht, ein Blättgen Papier schwarz auf weiß vergüldt aufm Schnitt das thuts, doch ist mir Hrn. v. Hohenfelds Antheil sehr werth.

Grüßen Sie mir Liseln und meine Kleinen, die Trosson sollen sich mein erinnern die Dester auch.

Der Dechant baut, tapeziert.

Meine Schwester ist noch in Emedingen.

Herder hat einen Buben.

Dester und die Gretel hab einmal gesehn.

Merck ist vergnügt und ich geschäftig ohne fleißig zu seyn, bringe doch aber was vor mich.

Addio. G.


2/250.


An Sophie von La Roche

Liebste Mama.

Die Max sah ich gestern in der Comödie, sie ist nicht mit mir zufrieden! Lieber Gott bin ichs doch selbst nicht. Sie hat Kopfweh! – Läßt Sie bitten ihr Rath zu geben, und im Briefe Bewegung zu rathen, die arme Puppe stickt so zu Hause.

Sie fragten nach Lenz! – Es thut mir leid für Wieland dass er den sich aufgereizt, und auf eine abgeschmackte Weise aufgereizt hat, da ich ruhig bin.[196] Es ist ein unglücklicher Mann von der Seite, ich hab meine Freunde gebeten mir seinen Nahmen nicht mehr zu nennen. Lenz versöhnt sich ihm nicht, und Lenz ist ein gefährlicher Feind für ihn, er hat mehr Genie als Wieland, obgleich weniger Ton und Einfluss, und doch – – Ja liebe Mama, ich muss die Welt lassen wie sie ist, und dem heiligen Sebastian gleich, an meinen Baum gebunden, die Pfeile in den Nerven Gott loben und preisen. Halleluiah Amen. d. 15. S. [Frankfurt 1774.]

G.


2/251.


An Sophie von La Roche

[Frankfurt] Montag d. 19ten September 1774.

Donnerstag früh geht ein Exemplar Werther an Sie ab. Wenn Sie und die Ihrigen es gelesen schicken Sie's wieder an Friz, ich hab nur drey Exemplare und muss also diese zirkuliren lassen.

Hr. v. Groschlag ist hier, ich habe mich ihm dargestellt, da er mich sehr freundlich aufnahm, seiner Gemahlin präsentirte, offen mit mir über manche Gegenstände sprach, von Ihnen viel, mir einen Empfel an Sie auftrug und mich wiederhohlend nach Dieburg einlud, wohin ich denn auch einen schönen Herbsttag zu gehn. Und so wär ich denn wieder auf soviel mehr Ihr Schuldner, wenn nicht Sohn durchs blose Sohnseyn so viel schuldig würde, dass[197] er mit nichts als mit seiner ganzen Existenz abzahlen kann.

Sie kriegen nun Ihre liebe Max wieder, eine Weile, erquicken Sie das Herz mit aller mütterlichen Liebe. Adieu. Und melden Sie mir gleich was Herr v. Hohenfeld vom Werther sagt. Und auch Ihr Gefühl übern zweiten Teil.

G.


2/252.


An Johann Christian Kestner

Habt ihr das Buch schon; so versteht ihr beygehendes Zettelgen, ich vergas es hinein zu legen im Hurrli in dem ich ietzt lebe. Die Messe tobt und kreischt, meine Freunde sind hier, und Vergangenheit und Zukunft schweben wunderbar in einander.

Was wird aus mir werden. O ihr gemachten Leute, wieviel besser seyd ihr dran.

Ist Meyern wieder da. Ich bitt euch gebt das Buch noch nicht weiter, und behaltet den lebendigen lieb, und ehret den Todten.

Nun werdet ihr die dunckeln Stellen voriger Briefe verstehen.

[Frankfurt] am 23. Sept. 1774.[198]


2/253.


An Charlotte Kestner, geb. Buff

[Frankfurt, 23. Sept. 1774.]

Lotte wie lieb mir das Büchelgen ist magst du im Lesen fühlen, und auch dieses Exemplar ist mir so werth als wär's das einzige in der Welt. Du sollsts haben Lotte, ich hab es hundertmal geküsst, habs weggeschlossen, dass es niemand berühre. O Lotte! – Und ich bitte dich lass es ausser Meyers niemand iezzo sehn, es kommt erst die Leipziger Messe in's Publikum. Ich wünschte iedes läs' es alleine vor sich, du allein, Kestner allein, und iedes schriebe mir ein Wörtgen.

Lotte Adieu Lotte.


2/254.


An Johanna Fahlmer

[Frankfurt, Ende September 1774.]

Liebe Tante ein Wort zum Zeichen dass ich lebe. Was schreibt Friz? hat er Werthern? ich mag ihm nicht schreiben, nichts schicken, um ihn nicht zu stören wenn er ihn hat. Hier ist auch was, das Sie wird lachen machen in dem Röckgen. Adieu. Ein Wörtgen Antwort.

G.[199]


2/255.


An Johann Christianund Charlotte Kestner, geb. Buff

[Frankfurt, October 1774.]

Ich muß euch gleich schreiben meine Lieben, meine Erzürnten, dass mirs vom Herzen komme. Es ist gethan, es ist ausgegeben, verzeiht mir wenn ihr könnt. – Ich will nichts, ich bitte euch, ich will nichts von euch hören, biss der Ausgang bestätigt haben wird dass eure Besorgnisse zu hoch gespannt waren, biss ihr dann auch im Buche selbst das unschuldige Gemisch von Wahrheit und Lüge reiner an eurem Herzen gefühlt haben werdet. Du hast Kestner, ein liebevoller Advokat, alles erschöpft, alles mir weggeschnitten, was ich zu meiner Entschuldigung sagen könnte; aber ich weis nicht, mein Herz hat noch mehr zu sagen, ob sichs gleich nicht ausdrücken kann.

Ich schweige, nur die frohe Ahndung muss ich euch hinhalten, ich mag gern wähnen, und ich hoffe, dass das ewige Schicksaal mir das zugelassen hat, um uns fester an einander zu knüpfen. Ja, meine besten, ich der ich so durch Lieb an euch gebunden bin, muss noch euch und euern Kindern ein Schuldner werden für die böse Stunden, die euch meine – nennts wie ihr wollt gemacht hat. Haltet, ich bitt euch haltet Stand. Und wie ich in deinem letzten Briefe dich ganz erkenne Kestner, dich ganz erkenne Lotte, so bitt ich bleibt! bleibt in der ganzen Sache, es entstehe was wolle. –[200] Gott in Himmel man sagt von dir: du kehrest alles zum besten.

Und, meine Lieben wenn euch der Unmuth übermannt, denkt nur denckt, dass der alte euer Goethe, immer neuer und neuer, und ietzt mehr als jemals der eurige ist.


2/256.


An Sophie von La Roche

[Frankfurt, Anfang October 1774.]

Hier was von meiner Unart liebe Mama, ich bin Stürmisch, verworren, und hafte doch nur auf wenig Ideen, die liebe Max hab ich in der Comödie gesprochen, ich hab wieder die Augen gesehn, ich weiß nicht was in den Augen ist.

Schicken Sie doch den Brief an Zick!

Wie lange soll ich noch Ihr Geldschuldner bleiben – denn alle Schulden mögt ich nicht gern abtragen.

G.


2/257.


An Johanna Fahlmer

[Frankfurt, Mitte October 1774.]

Ich mag nicht zu Ihnen kommen liebe Tante, ich bin unverträglich. Hier ist der geistliche Don Quixote. Was hören Sie von Friz?[201] Wann kommt er wohl. Grüsen Sie ihn herzlich. Ich habe sonst wohl noch allerley gutes, sizze aber wieder drachenartig drüber. Lebenshalt wohl.

G.


2/258.


An Sophie von La Roche

Wie werth ist mir Ihr leztes herzliches, wie werth alles was Sie mir seyn können. Ich lag zeither, stumm in mich gekehrt und ahndete in meiner Seele auf und nieder, ob eine Krafft in mir läge, all das zu tragen, was das ehrene Schicksaal künftig noch mir und den meinigen zugedacht hat; ob ich einen Fels fände drauf eine Burg zu bauen, wohin ich im lezten Nothfall mich mit meiner Haabe flüchtete. – Liebe Mama, ich gönne Ihnen die Stunden des Unmuths und Jammers, es ist Erleichterung wie die Ergiessung im Gebet, aber wenn Sie dann auch aufstehen davon, erlauben Sie Ihrem Herzen eine freye Aussicht über all das Glück, das Ihnen in Ihren übrigen bereitet ist, und das vielleicht noch über den unglücklichen Engel waltet. Leben Sie wohl, und dencken mein in Freud und Leid. [Frankfurt] am 21. Okt. 1774.

G.[202]


2/259.


An Johann Lorenz Böckmann

[Frankfurt, 14. und 15. November 1774.]

Ich komme vom Eis, erst durch eine Gesellschaft und durch ein Abendessen am Tisch, wo Sie auch sasen. Ich bin sehr müde; ich habe Bahn gemacht, gekehrt mit den Meinigen, neue Freta entdeckt, u.s.w.

Ich war aufm Eis pp. den 14. Nov. 1774.

Das Ihnen nur so hingeworfen, wie ichs Ihnen sagen möchte, noch Nachts um 10 Uhr. Morgen mehr.

Martini Abend (ich hielte das Blat gestern Nacht für einen Briefbogen, will auch nun so fortfahren) Martinin Abend hatten wir das erste Eis, und vom Sonntag auf den Montag Nachts fror es so stark, daß ein kleiner Teich, der sehr flach vor der Stadt liegt, trug. Das entdeckten Zweye Morgens, verkündigten mirs, da ich sogleich Mittags hinauszog, Besitz davon nahm, den Schnee wegkehren, die hindernden Schilfe abstosen lies, durch ungebahnte Wege durchsezzte, da mir denn die anderen mit schaufel und Besen folgten und ich selbst nicht wenig Hand anlegte. Und so hatten wir in wenigen Stunden den Teich umkreiset und durchkreuzt. Und wie weh thats uns, als wir ihn bey unfreundlicher Nacht verlassen mussten. Der Mond wollte nicht herauf, nicht hinter den Schneewolken hervor, und heute thaut alles dahin. Dieses alles habe sogleich zu melden, für meine[203] Schuldigkeit erachtet, und hoffe ein Gleiches von Ihnen. Haben Sie neue Schrittschue machen lassen? ich habe niemand finden können, dem ich die Verfertigung hätte anvertraut. Schicken Sie mir doch den Satyros. Und behalten mich im Andenken der Liebe!

Goethe.


2/260.


An Johanna Fahlmer

[Frankfurt, 15. November 1774.]

Gestern Täntgen war ich auf dem Eise das nun unaufhaltsam dahinfliesst, von 1 Uhr bis 6. habe Bahn gemacht und gekehrt mit den Meinigen. Ich bin immer noch in aller Zeichnung verfangen, und habe auserdem eine Menge nichtsbedeutenden Zeugs auf mir. Die Tage sind kurz und die Kunst lang. hierbey gehet ein Portefeuille mit allerley Arbeit, dass ich doch auf eine Art zu Ihnen komme. Behalten Sies einige Tage dann mir wieder zurück. Ade. Frizen inliegendes.


2/261.


An Sophie von La Roche

[Frankfurt, 20. November 1774.]

Ich antworte Ihnen gleich liebe Mama. Ihre Max hab ich in der Komödie gesprochen den Mann auch, er hatte all seine Freundlichkeit zwischen die spizze[204] Nase und den spizzen Kiefer zusammengepackt. Es mag eine Zeit kommen da ich wieder ins Haus gehe. Das Meer verlangt Feigen! sag ich noch iezzo, und lasse mich davon.

Lavater wird die Porzellan Fabrique bezahlen, und zu ruhigerer Zeit wollen wir rechnen. Heut schlägt mir das Herz. Ich werde diesen Nachmittag zuerst den Oel Pinsel in die Hand nehmen! – Mit welcher Beugung Andacht und Hoffnung, drück ich nicht aus, das Schicksaal meines Lebens hängt sehr an dem Augenblick, es ist ein trüber Tag! Wir werden uns im Sonnenscheine wiedersehen. – Hier ein kurzes Rezipe für des werthen Baron v. Hohenfelds Griechisches Studium! »So Du einen Homer hast ist's gut, hast du keinen kauffe Dir den Ernestischen da die Clärckische wörtliche Uebersezzung beygefügt ist; sodann verschaffe Dir Schaufelbergs Clavem Homericam, und ein Spiel weisse Karten. Hast Du dies beysammen so fang an zu lesen die Ilias, achte nicht auf Accente, sondern lies wie die Melodey des Hexameters dahinfliest und es Dir schön klinge in der Seele. Verstehst Du's; so ist alles gethan, so Du's aber nicht verstehst, sieh die Uebersezzung an, lies die Uebersezzung, und das Original, und das Original und die Uebersezzung, etwa ein zwanzig dreisig Verse, biss Dir ein Licht aufgeht über Construcktion, die im Homer reinste Bilderstellung ist. Sodann ergreife Deinen Clavem wo Du wirst Zeile vor Zeile die Worte analisirt[205] finden, das Praesens und den Nominativum, schreibe sodann auf die Karten, steck sie in Dein Souvenir, und lerne dran zu Hause und auf dem Feld, wie einer beten mögt, dem das Herz ganz nach Gott hing. Und so immer ein dreisig Verse nach dem andern, und hast Du zwey drey Bücher so durchgearbeitet, versprech ich Dir, stehst Du frisch und franck vor Deinem Homer, und verstehst ihn ohne Uebersezzung Schaufelder und Karten.« Probatum est!

Im Ernst liebe Mama, warum das alles so und so, und just Karten seyn müssen. Nicht untersucht ruft der Artzt! Warum muss das eben Nesseltuch seyn worin das Huhn gestoft wird. Sagen Sie dem hochwürdigen Schüler zum Troste, Homer sey der leichteste Griechische Autor, den man aber aus sich selbst verstehen lernen muss.

Empfehlen Sie mich Hrn. Geheimderath – Kommen kann ich nicht – Auch ists besser, Sie haben Friz allein –

Gerne gar gerne mögt ich Hrn. v. Hohenfeld sprechen und das bey Ihnen, und weil ich's wünsche wird's auch wohl geschehen.

Grus an Lolo, die kleinen, Trossen und Cordel. Klopstock ist ein edler grosser Mensch über dem der Friede Gottes ruht! –[206]


2/279.


An Johann Kaspar Lavater

[Frankfurt, November 1774.]

Ich schicke dir keine Phisiognomische Anmerckungen du forderst ein wunderlich Ding ich soll schreiben wenn ich nicht fühle, soll Milch geben ohne gebohren zu haben. Hier aber ein Vorschlag. Schick mir dein Geschreibe, ich will dadrüber phantasiren, es wird mich auf deinen Standpunkt heben, und so kann es was geben, anders arbeit ich mich ab und fruchte Dir und mir nichts.

Der Jacobis Portraits sind da, ich schick dir sie aber nicht denn sie sind abscheulich und du lässest allen dreck stechen. Friz grüsst Dich sehnlich, und wird dir von hier aus schreiben.

Der Friede Gottes der sich täglich mehr an mir offenbaaret walte auch über dich und die deinigen.

Und dass dein Glaube unüberwindlich werde, sieh hier wieder dass er mich überwindet. Ich habe deinen Brief. da noch was über Homer.

[226] Der Farnesische – sieh hie eine Silhouette – fasst das Leben der Welt |: von Kritikern Epische Darstellung genannt :| mehr in seiner Stirne. Seine Wangen sind in erzählender Freude mehr abgearbeitet, sein Mund ist lieblicher dahinlallend und seine Nase: – hier ein Wort über die Nase ein Beytrag zu allem Schändismus darüber.[227]


2/262.


An Johann Christian Kestner

Da hab ich deinen Brief, Kestner! An einem fremden Pult, in eines Mahlers Stube, denn gestern fing ich an in Oehl zu malen, habe deinen Brief und muss dir zurufen Danck! Danck lieber! Du bist immer der Gute! – O könnt ich dir an Hals springen, mich zu Lottens Füssen werfen, Eine, Eine Minute, und all all das sollte getilgt, erklärt seyn was ich mit Büchern Papier nicht aufschliessen könnte! –

O ihr Ungläubigen würd ich ausrufen! Ihr Kleingläubigen! – Könntet ihr den tausendsten Theil fühlen, was Werther tausend Herzen ist, ihr würdet die Unkosten nicht berechnen die ihr dazu hergebt! Da lies ein Blättgen, und sende mirs heilig wieder wie du hier deine hast. – Du schickst mir Hennigs Brief, er klagt mich nicht an, er entschuldigt mich. Bruder lieber Kestner! Wollt ihr warten so wird euch geholfen. Ich wollt um meines eignen Lebens Gefahr willen Werthern nicht zurückrufen, und glaub mir, glaub an mich, deine Besorgnisse deine Gravamina, schwinden wie Gespenster der Nacht wenn du Geduld hast, und dann – binnen hier und einem Jahr versprech ich euch auf die lieblichste, einzigste, innigste Weise alles was noch übrig seyn mögte von Verdacht, Missdeutung pp. im schwäzzenden Publikum,[207] obgleich das eine Heerd Schwein ist, auszulöschen, wie ein reiner Nordwind Nebel und Dufft. – Werther muss – muss seyn! – Ihr fühlt ihn nicht, ihr fühlt nur mich und euch, und was angeklebt heisst – und truz euch – und andern – eingewoben ist – Wenn ich noch lebe, so bist dus dem ichs dancke – bist also nicht Albert – Und also –

Gib Lotten eine Hand ganz warm von mir, und sag ihr: Ihren Nahmen von tausend heiligen Lippen mit Ehrfurcht ausgesprochen zu wissen, sey dich ein Aequivalent gegen Besorgnisse, die einem kaum ohne alles andere im gemeinen Leben, da man jeder Base ausgesetzt ist, lange verdriesen würden.

Wenn ihr brav seyd und nicht an mir nagt; so schick ich euch Briefe, Laute, Seufzer nach Werthern, und wenn ihr Glauben habt so glaubt dass alles wohl seyn wird, und Geschwäzz nichts ist, und beherzige deines Philosophen Brief – den ich geküsst habe.

– O du! – hast nicht gefühlt wie der Mensch dich umfasst dich tröstet – und in deinem in Lottens Werth Trost genug findet, gegen das Elend das schon euch in der Dichtung schröckt. Lotte leb wohl – Kestner du – habt mich lieb – und nagt mich nicht –

G.

Das Billet keinem Menschen gezeigt! unter euch beyden! Sonst niemand sähe das! – Adieu ihr lieben! Küsse mir Kestner deine Frau und meinen Pathen.

[208] Und mein Versprechen bedenckt. Ich allein kann erfinden, was euch völlig ausser aller Rede sezt, ausser dem Windgen Argwohn. Ich habs in meiner Gewalt, noch ists zu früh! Grüss deinen Hennings ganz herzlich von mir.

Ein Mädgen sagt mir gestern, ich glaubte nicht dass Lotte so ein schöner Name wäre! er klingt so ganz eigen in dem Werther.

Eine andre schrieb neulich: Ich bitt euch um Gotteswillen, heißt mich nicht mehr Lotte! – Lottgen, oder Lolo – wie ihr wollt – Nur nicht Lotte bis in des Nahmens werther werde denn ichs bin.

O Zauberkrafft der Lieb und Freundschafft.

Zimmermanns Billet nächstens. Es ist kalt ich kanns nicht droben suchen. Heut gehts aufs Eis ihr Lieben Ade. [Frankfurt] d. 21. Nov. 1774.


2/263.


An Hieronymus Peter Schlosser

[Frankfurt, Ende November 1774.]

Du dem die Musen von den Akten Stöcken

Die Rosenhände willig strecken,

Der zweener Herren Diener ist

Die ärgre Feinde sind als Mammonas und Crist,

Der Weeg zum Römer selbst mit Blumen Dir bestreust,

Dem Winter Lieblichkeit und Dichter Freuden leihst;[209]

Kein Wunder daß auch Deine Gunst

Zu meinem Vorteil diesmal schwärmen,

Das flache Denkmal unsrer Kunst

Mit freundlicher Empfindung wärmet.

Laß es an Deiner Seite stehn,

Schenk ihm auch unverdient die Ehre

Und mögtest Du an dem Versuche sehn

Was ich gern Dir und gern den Musen wäre.

Goethe.


2/264.


An Sophie von La Roche

[Frankfurt, Ende November 1774.]

Beste Mama. Ich bitte Sie doch den Musenalmanach gleich auf der Post zurück an die liebe Max. Diesmal nichts mehr. Was macht Lulu. Addio.

G.


2/265.


An Johann Georg Jacobi

Mein lieber Canonikus, heut empfang ich die Iris von Fritz, einige Blicke, die ich hinein thue, wecken in mir das Gefühl vergangener Zeiten und zugleich die Erinnerung einiger Lieder, die es begleiteten. Ich nehme mir vor, sie Ihnen zu schicken, und da ich heut nach Tische zur lieben Tante komme, die den Einfall auch gut, und was ich ihr vorsage zum Tone[210] Ihrer Sammlung passend findet, setz ich mich gleich zu ihr hin und schreibe das aus dem Gedächtniß auf, was Sie hier mit erhalten. Können Sie's brauchen, so setzen Sie verschiedne Buchstaben drunter, sagen niemand was davon, so haben die Herrn und Damen was zu rathen.

Leben Sie wohl. Vergessen Sie der guten Stunden nicht, die uns im Kreise von Düsseldorf nach Cöln führten. Frizen erwarten wir gegen Ende des Jahres. Sie können auch wohl einmal versuchen, wie sich's auf reichsstädtischem Sande sitzzt. Tante grüßt.

D. 1. Dezember 1774. Frankfurt.

Goethe.

Interpunctiren Sie doch die Liedgen, wie's dem Leser am vortheilhaftesten ist.[211]


2/266a.


An Johann Heinrich Merck

Lieber Bruder


Wer nicht richtet, sondern fleißig ist,

Wie ich bin und wie du bist,

Den belohnt auch die Arbeit mit Genuß;

Nichts wird auf der Welt ihm Überdruß;

Denn er blecket nicht mit stumpfem Zahn

Lang' Gesott'nes und Gebrat'nes an,

Das er, wenn er wohl so sittlich kaut,

Endlich doch nicht sonderlich verdaut;

Sondern faßt ein tüchtig Schinkenbein,

Haut da gut taglöhnermäßig drein,

Füllt bis oben gierig den Pokal,

Trinkt, und wischt das Maul wohl nicht einmal.


Sie, so ist Natur ein Buch lebendig,

Unverstanden, doch nicht unverständlich;

Denn dein Herz hat viel und groß Begehr,

Was wohl in der Welt für Freude wär',

[327] Allen Sonnenschein und alle Bäume,

Alles Meergestad' und alle Träume,

In dein Herz zu sammeln mit einander,

Wie die Welt durchwühlend Banks, Solander.


Und wie muß dir's werden, wenn du fühlest,

Daß du alles in die selbst erzielest,

Freude hast an deiner Frau und Hunden,

Als noch keiner in Elysium gefunden,

Als er da mit Schatten lieblich schweifte

Und an goldne Gottgestalten streifte.

Nicht in Rom, in Magna Gräcia,

Dir im Herzen ist die Wonne da!

Wer mit seiner Mutter, der Natur, sich hält,

Find't im Stengelglas wohl eine Welt.


4ten Dez. Sonntags 1774.[328]


2/266.


An Johann Heinrich Merck

Mein altes Evangelium

Bring ich dir hier schon wieder

Doch mir ists wohl um mich herum

Darum schreib ich dir's nieder.


Ich hohlte Gold ich hohlte Wein

Stellt alles da zusammen

Da dacht ich da wird Wärme seyn.

Geht mein Gemäld in Flammen.


[211] Auch thät ich bey den Schäzzen hier

Viel Glut und Reichtuhm schwärmen

Doch Menschenfleisch geht allem für

Um sich daran zu wärmen.


O dass die innre Schöpfungskrafft

Durch meinen Sinn erschölle

Daß eine Bildung voller Safft

Aus meinen Fingern quölle.

Ich zittre nur ich stottre nur

Ich kann es doch nicht lassen

Ich fühl ich kenne dich Natur

Und so muß ich dich fassen.


Wenn ich bedenck wie manches Jahr

Sich schon mein Sinn erschliesset,

Wie er wo dürre Haide war

Nun Freudenquell geniesset

Da ahnd ich ganz Natur nach dir

Dich frey und lieb zu fühlen

Ein lustger Springbrunnen wirst du mir

Aus tausend Röhren spielen

Wirst alle meine Kräffte mir

In meinem Sinn erheitern

Und dieses enge daseyn hier

Zur Ewigkeit erweitern

Frankfurt, 5. Dez. 1774.

G.[212]


2/267.


An Johann Daniel Salzmann

Frankfurt, d. 5. Dezember 1774.

Es ist auch wieder Zeit daß Sie einmal geradezu etwas von mir hören, daß ich Ihnen sage es gehe bei mir immer seinen alten Gang. Sie werden etwas gehört und gesehen haben daß ich nicht ganz unfleißig war, und werden künftig hoffentlich noch mehr hören und sehen. Sie haben nun wieder einen Landsmann von mir um sich. Wie läßt er sich an? Ich wette Sie sind um einen guten Theil besser mit ihm zufrieden als mit dem Bruder. Wie sich Lenz aufführt möcht' ich auch gern von Ihnen hören. Und nun gilt's die Frage ob Ihre moralischen Abhandlungen auf Ostern sollen gedruckt werden. Ich finde unter meinen Papieren drei: über die Gemüthsbewegungen, Neigungen und Leidenschaften; über Tugend und Laster, und über Religion. Wollen Sie nun diese erst zur Durchsicht wieder zurück haben, so melden Sie es, ich schicke sie Ihnen mit dem Postwagen. Haben Sie noch etwas dergleichen, so fügen Sie es dazu und es soll stracks nach Leipzig. Melden Sie mir zugleich was Sie für Bedingungen gemacht wünschten. Und somit wäre das Büchelgen schon so gut als fertig und eingebunden. Schreiben Sie mir doch nächstens und glauben Sie daß es auch keine Sünde wäre, mir öfter zu schreiben, als Sie bisher[213] gethan haben, um mich in meinen übrigen Schwärmereien wieder in die glücklichen Gegenden zurück zu ziehen, da wir so manche gute Stunde zubrachten.

Behalten Sie mich lieb, fahren Sie fort Antheil an mir und den meinigen zu nehmen und glauben Sie daß ich mich mit aller Wärme in Ihr gelbes Zimmer, an's Camin und zum Silen zurückdenke.

Goethe.


2/268.


An Henriette von Knebel

[Mit Carl v. Knebel.]

Maynz den 13ten December 1774.


Meine liebste Henriette!

Schon gestern hatte ich Dir von Franckfurth aus geschrieben, unser Freund Göthe kam, und ich verbrannte den halbvollendeten Brief. Was soll ich Dir sagen, mein gutes Kind? Alles ist zu viel, um es Dir zu sagen. Ich blieb gestern alleine in Franckfurth um den besten aller Menschen zu genießen. Heute bin ich mit ihm hierher gefahren, wo wir unsre Prinzen wieder angetroffen haben, und diesen Abend werden wir in die Comödie gehn. Ich habe den Rhein diesen Mittag zuerst passirt. Uebermorgen gehn wir wieder von hier weg und geradezu


Da will der Bruder nun nicht fortfahren, kann auch nicht wohl denn er ist in seiner Bewegung die Sie wohl kennen müssen weil ich sie kenne der anderthalb vierundzwanzig Stunden mit ihm ist. Und doch[214] wollt ich dass der Brief geendigt und zugesiegelt wäre, sonst gehts ihm wie einem von gestern Abend der verbrandt wurde, und ich halte davor, dass wenn gleich ein Autor viel Bogen ungeendet lassen, oder wenn sie geendet sind sie verbrennen soll, doch ein Bruder an seine Schwester, und umgekehrt das unbedeutendste Oktav Blättgen fortsenden und beschleunigen mag. Denn ich hab eine Schwester und weiss auch drum was Sie Ihrem Bruder seyn können. Und so leben Sie recht wohl der Brief soll nun fort, wärs auch nur um Ihnen zu versichern dass Ihr Bruder recht leidlich ist in dem alten Maynz, und Sie recht lieb hat. Das sieht nun wohl lächerlich dass ich das für ihn schreiben soll. Aber doch nicht, denn ein Mensch dem's wohl ist und ein rechter Liebhaber ist kein guter Geschichtsschreiber. Ich bins fast auch nicht, wie Sie an meiner Hand und Courtoisie sehen möge so einen schönen Abend haben da Sie das lesen als ich da ich das schreibe, und so frag ich nicht ob meine Treue Patschhand etwa ein wenig zu rauh fallen mögte. Ich bitte Sie vergelten Sie Ihrem Bruder was er an mir gethan hat.

Goethe

Post Scriptum.

Ihr Bruder konnte vorstehendes nicht recht lesen, da fällt mir ein: Vielleicht können Sie's auch nicht lesen. Und da bitt ich dencken Sie ich hätts in dem[215] Hof Ton etwas zu leis geredt und Sie hätten mich da auch nicht verstanden –


Ich kann nicht ein Wort hinzufügen, als daß Du aus dem Vorstehenden sehen wirst, daß der Verfasser der Leiden des jungen Werther's der liebenswürdigste auf der Welt ist, und daß es mir auf diese Art recht gut geht. Er hat uns von Franckfurth hierher nach Maynz begleiten müssen. Uebermorgen gehen wir gerade zu, wie ich hoffe, nach Carlsruh. Schreibe mir doch dahin, ob die 100. Thaler nach Weimar sind geschickt worden. Dieß ist anizt meine einzige Sorge. Ich hoffe, daß man dieß wird für mich gethan haben, denn das Gegentheil wäre ja unverantwortlich. Lebe wohl beste Henriette! Grüsse unsre lieben Eltern, unsre Brüder. Meinen Brief nach Carlsruh schliesse ein unter der Adresse: An Herrn Herrn Legations Rath Klopstock in Carlsruh – und bitte im Couvert, gegenwärtigen Brief bey meiner Ankunft abzugeben. Adieu bestes Kind! Ich muß fort, und darf nur in Gedanken fast stets bey Dir seyn.

Dein Carl.


Ew. Gnaden mögen sich nicht an die Form gegenwärtigen Schreibens stosen, es ist alles herzlich gut gemeynt.

Goethe.


2/269.


An Hans Buff

[Frankfurt, 2. Hälfte December 1774.]

Lieber Hans ich dank ihm recht sehr für seine Briefe, fahr er ich bitte so fort.

[216] Hier sind vier Exemplare Iris die ist er so gut und bestellt sie an die vier Damen die hier auf dem Zettelgen genannt sind.

Er hat noch wenn ich mich nicht irre Geld von mir in Verwahrung, das bitt ich ihn als ein Cristgeschenk anzunehmen, und seinen Geschwistern auch etwas davon zu Gute zu thun.

Grüs er Papa und die Schwestern und Msll. Brand. Will denn noch keine der Lotte nachfolgen?

G.[217]


2/324.


An Johann Kaspar Lavater

[Frankfurt, 19. Dezember 1774.]

Lied des Phisiognomischen Zeichners.

O dass die innre Schöpfungskrafft

Durch meinen Sinn erschölle


Dass eine Bildung voller Safft,

Aus meinen Fingern quölle!


Ich zittre nur ich stottre nur,


Ich kann es doch nicht lassen

Ich fühl, ich kenne die Natur

Und so muss ich dich fassen.

[257] Wenn ich bedenck wie manches Jahr

Sich schon mein Sinn erschliesset

Wie vor wo dürre Haide war

Jezt Freudenquell geniesset

Da ahnd' ich ganz Natur nach dir

Dich frey und lieb zu fühlen

Ein lustger Springbrunn wirst du mir

Aus tausend Röhren spielen

Wirst alle deine Kräffte mir

In meinem Sinn erheitern

Und dieses enge Daseyn hier

Zur Ewigkeit erweitern.


Dass du siehst Bruder, ich thue gern was ich kann so hast du da mein lieber, deine Capitels zurück mit Zugaben, sie sind abgeschrieben an Gottern geschickt. Ich denke so ists das beste, wenn dir recht ist was ich da schreibe, so fahr ich fort. Denn ich muss meinen Ton halten, unsre beyde zu vermischen geht nicht aber so nach einander mags seine Würckung thun. Hezze dich nicht zu sehr und mach dass es eine anschauliche Ordnung kriegt. Uberhaupt möcht' ich das ganze noch einmal übersehen eh es gedruckt wird, doch ich spüre schon es wird zulezt vom Schreibtisch in die Presse gehen. Gehs wie's will ich bin nun dabey.[258]


2/270.


An Sophie von La Roche

Könnt ich Ihnen liebe Mama recht viel guts für Ihren guten Brief geben. Was ich habe geb ich gern. Den Dechant hab ich die Zeit nicht gesehen. Ich war in Maynz! Dahin nachgereist Wielands Prinzen, das ein treflicher Mensch ist. Ich hab von da aus Wielanden geschrieben, es fiel mir so ein, hab auch eine Antwort, wie ich sie vorfühlte. Das ist was verfluchtes dass ich anfange mich mit niemand mehr misszuverstehn. Ein Missverständniss zwischen der Serviere und der Kleinen nichts als Missverständniss, und so ein Ding reisst fort wie eine gefallne Masche in einem Strumpf, man hätts im Anfang mit Einer Nadel fangen können. Nächsten Conzert Abend will ich die Kleine vornehmen, heut war ich bey der alten[217] Baase, die recht gut ist. So gehts in der Welt, und ich bin trefflich solche Sachen einzugleichen. Wenn ich auch Hrn. v. Hohenfeld zu Nüzze in der Welt seyn kann ist mirs grose Freude, ich wünsch ihm zu seinem Griechischem Glück. Er wird sich künftig die Mühe dancken die er sich gegeben hat.

Heut krieg ich ein Exemplar Werther zurück, das ich umgeliehen hatte, das von einem wieder an andre war gegeben worden und siehe, vorn auf das weisse Blat ist geschrieben: Tais Toi Jean Jaques ils ne te comprendront point! – Das that auf mich die sonderbarste Würckung weil diese Stelle im Emil mir immer sehr merckwürdig war.

Meine Klettenberg ist todt. Todt eh ich eine Ahndung einer gefährlichen Kranckheit von ihr hatte. Gestorben begraben in meiner Abwesenheit, die mir so lieb! so viel war. Mama das picht die Kerls, und lehrt sie die Köpfe strack halten – Für mich – noch ein wenig will ich bleiben –

Kommen Sie nur, mein Sessel wartet Ihrer, der Zeugniss ist zwischen mir und Ihnen dass wir guten Muth haben wollen. Sie haben nun wohl den Almanach für die Max gekriegt und ihr ihn auch zurückgesendet.

Reich's Brief ist gut. 1 Carolin für den gedruckten Bogen könnt er wohl buchhändlerisch geben. Ich mag gar nicht daran dencken was man für seine Sachen kriegt. Und doch sind die Buchhändler vielleicht auch[218] nicht in Schuld. Mir hat meine Autorschafft die Suppen noch nicht fett gemacht, und wirds und solls auch nicht thun.

Zu einer Zeit da sich so ein groses Publikum mit Berlichingen beschäfftigte, und ich soviel Lob und Zufriedenheit von allen Enden einnahm, sah ich mich genötigt Geld zu borgen, um das Papier zu bezahlen, worauf ich ihn hatte drucken lassen.

Mich freut dass Lulu glücklich durch den gefährlichen Pass ist, ich wusst es von der Max, und wars mir halb bange. Die hiesige gelehrte Zeitung ist manchmal gut, aber durchgehends weder für Herz noch Geist eines Manns wie Hr. v. Hohenfeld. Adieu Mama. Bey Tags Anbruch nach der längsten Nacht. [Frankfurt, 23. December] 1774.

G.


2/271.


An Heinrich Christian Boie

Auch wieder ein Wort mein lieber Boie das ich Ihnen so lang schuldig bin, und herzlichen Dank für die überschickten Sachen. Schönborn schreibt aus Algier, grüst Sie, und meldet daß Sie mir einige Sachen für ihn senden würden. Thun Sies doch gleich, und auch eine Gelehrten Republik für ihn, die hat der Arme noch nicht gelesen. Ich mach Ihm allerley zusammen und spedirs nach Marseille. So kriegt[219] ers eben gegen das Frühjahr. Behalten Sie unsern frugalen Abend im Gedächtniss, und schicken mir doch indes auf Abschlag die Niobe, recht wohl gepackt ich bitte. Sie glauben nicht wie noth mirs wieder um so eine Erscheinung thut. Sie sollen auch einen ganz neu gefertigten Medaillon von meiner Nase haben, der ganz wohl gerathen ist. Das heißt nun zwar immer Gold gegen Bley, aber zu meinem Bley leg ich eine große Quantität guten willen. Die versprochenen Gedichte kriegen Sie auch nächstens. Hahn ist ein sehr lieber Mann. Ich zeichne mehr als ich sonst was thue, liedere auch viel. Doch bereit ich alles, um mit Eintritt der Sonne in den Widder eine neue Produktion zu beginnen, die auch ihren eignen Ton haben soll. Es ist wieder Eis Bahn, adieu ihr Musen, oder mit hinaus auf die Bahn, wohin ihr Klopstocken folgtet. Adieu lieber Mann. Behalten Sie mich lieb.

Frankfurt d. 23. Dez. 1774.

G.


2/272.


An Hieronymus Peter Schlosser

Dank lieber Hr. Bruder für die Poematia, die Lepores derselben haben mich mehr als iemals vergnügt, und mein Vater ob er gleich Ihre Stärke in der lateinischen Poesie kannte, verwunderte sich doch höchlich über Ihre Stärke in Liebeswerken. Hier schick[220] in die Supplick für Arnsteinen die ich mit nüchternem Munde so eben diktirt habe, seyn Sie so gütig und schreiben Ihre Anmerk – und Verbesserungen darneben, erinnern mich was ich etwa vergessen habe, denn der Wirbel kräuselt mir schon bey frühen Morgen das Köpfgen. Allein ich möchts gern nach Tisch wieder haben! Sie sind so gütig. Dafür banne Ihnen auch der Deus Ludius die zwey schwarzen Aß diesen ganzen Abend in die Hände. Adieu. Si quid novi, melden Sie mirs. Alle Welt bedauert den armen Deinet, daß Sie ihn so an Ihren poetischen Triumpf Wagen angeschmiedet haben, und er nun nolens volens zur Ewigkeit hinten drein trotten muß. [Frankfurt] D. 26. Dez. 1774.

G.


2/273.


An Carl Ludwig von Knebel

Ich muss nur anfangen lieber Knebel, ich muss Sie anbohren, sonst erfahr ich wohl von all dem nichts was ich so gern wissen mögte; wie's Ihnen allzusammen bisher gangen ist? was für Würckung die neuen Menschen auf Sie thun? Von allem mögt ich mein Theil haben, soviel ich wissen darf. Also von mir anzufangen. Mir war's ganz seltsam als ich so unter dem Tohr der drey Kronen stund als es anfing zu tagen. Recht wie vom Vogel Greif in eine fremde Welt unter alle die Sterne und Kreuze hinunter[221] geführt, und dadrein so mit ganz offnem Herzen herumgewebt und auf einmal alles verschwunden.

Und nun iezt krieg ich Ihren Brief verzeihen Sie mir meinen Unglauben, Danck herzlichen Danck. Wenns möglich ist soll der Landgräfinn Grab gefertigt werden. Von Ihrer Schwester freut mich das gar sehr. Wieland hat mir geschrieben, hat meinen Grus iust so aufgenommen wie ich ihn gab – Empfelen Sie mich denen Prinzen viel, fühlt Gr. Görz was für mich? – Schreiben Sie mir ich bitte Sie vom Presidenten Hahn einige bedeutende Worte. In Vergleich mit andern Presidenten! ieden nach seiner Art. Ihre Worte über Klopstock sind herrlich. Lieben Sie mich. Geben Sie meine Sachen nur nicht aus Händen. Es wäre nichts daran gelegen wenn nicht gewisse Leute was daraus machten. Und dann bitt ich Sie sondiren Sie mir wo möglich den Marckgrafen und Presidenten über meinen Schwager den Schlosser. Auch unbedeutende Worte geben Licht.

Adieu wann sehen wir uns wieder? d. 28. [December] Franckfurt 1774.

G.


2/274.


An Jenny von Voigts

Madame

Man ergötzt sich wohl wenn man auf einem Spaziergang ein Echo antrifft, es unterhält uns, wir[222] rufen, es antwortet, sollte das Publikum härter, unteilnehmender als ein Fels seyn? Schändlich ists daß die garstigen Rezensenten aus ihren Hölen im Namen aller derer antworten, denen ein Autor oder Herausgeber Freude gemacht hat.

Hier aber Madame nehmen Sie meinen einzelnen Dank für die Patriotische Phantasien Ihres Vaters, die durch Sie erst mir und hiesigen Gegenden erschienen sind. Ich trag sie mit mir herum, wenn, wo ich sie aufschlage wird mirs ganz wohl, und hunderterley Wünsche, Hoffnungen, Entwürfe entfalten sich in meiner Seele.

Empfehlen Sie mich Ihrem Hrn. Vater, nehmen Sie diesen Grus so mit ganzem Herzen auf wie ich ihn gebe, und lassen sich nicht an der Ausgabe des zweiten Theils hindern.

Frankfurt am Mayn d. 28. Dez. 1774.

Madame Dero ergebenster

Goethe.


Quelle:
Goethes Werke. Weimarer Ausgabe, IV. Abteilung, Bd. 2, S. 194-223,226-229,257-261,327-330.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Gryphius, Andreas

Cardenio und Celinde

Cardenio und Celinde

Die keusche Olympia wendet sich ab von dem allzu ungestümen jungen Spanier Cardenio, der wiederum tröstet sich mit der leichter zu habenden Celinde, nachdem er ihren Liebhaber aus dem Wege räumt. Doch erträgt er nicht, dass Olympia auf Lysanders Werben eingeht und beschließt, sich an ihm zu rächen. Verhängnisvoll und leidenschaftlich kommt alles ganz anders. Ungewöhnlich für die Zeit läßt Gryphius Figuren niederen Standes auftreten und bedient sich einer eher volkstümlichen Sprache. »Cardenio und Celinde« sind in diesem Sinne Vorläufer des »bürgerlichen Trauerspiels«.

68 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon