Dritter Auftritt


[121] Fräulein Amalie. Fräulein Karoline.


FRÄULEIN AMALIE. Ich weiß nicht, wo der Hauptmann von Wagehals so lange bleibt.

FRÄULEIN KAROLINE. Wieso? soll er kommen?

FRÄULEIN AMALIE. Ja.

FRÄULEIN KAROLINE. Hat die Oberstin ihn bestellen lassen?

FRÄULEIN AMALIE lächelnd. Nein.

FRÄULEIN KAROLINE. Hat er sich denn melden lassen?

FRÄULEIN AMALIE lächelnd. Nein.

FRÄULEIN KAROLINE. Nun! wie kömmst du denn darauf, daß er herkommen soll?

FRÄULEIN AMALIE lächelnd. Je ... es hat mir geträumet.

FRÄULEIN KAROLINE. Was wette ich! du hast ihn bestellen lassen.

FRÄULEIN AMALIE lächelnd. Nun, wenn das nun wäre? wäre es etwa wieder nicht recht?

FRÄULEIN KAROLINE schüttelt den Kopf. Nein, nicht allerdings!

FRÄULEIN AMALIE. Warum denn nicht?

FRÄULEIN KAROLINE. Weil er eine wüste, wilde Hummel ist und aus einer jeden Kleinigkeit gleich ein großes Lärmen machen kann.

FRÄULEIN AMALIE. Was kann er nun denn daraus für Lärmen machen, daß ich ihm sagen lasse: es würde der Oberstin angenehm sein, wenn er sie heute besuchen wollte?

FRÄULEIN KAROLINE. Er wird aber gleich das Gegenteil sehen: denn die Oberstin vermutet ihn gar nicht.

FRÄULEIN AMALIE. Nun, so wird er sehen, daß ich es bestellt habe. Was ist's denn nun mehr?

FRÄULEIN KAROLINE. So wird er glauben, daß du dich auch in ihn verliebt hast und dich ohne ihn nicht behelfen kannst: denn er glaubt ohnedies, daß sich alles Frauenzimmer in ihn verliebt hat.

FRÄULEIN AMALIE höhnisch. Ach! aus dem Irrtume werde ich ihm bald helfen! Ich werde es ihm gleich sagen, daß uns allen damit gedient sei, daß die Frau Muhme heute zu Hause bleibe, und daß ich ihn darum herbestellen lassen.

FRÄULEIN KAROLINE. Und da wird er sich einen schönen Begriff von uns[121] machen, daß wir solche Ränke ersinnen, damit nur die Oberstin nach unsrer Pfeife tanzen müsse.

FRÄULEIN AMALIE höhnisch. Es denken nicht alle Leute so liebreich von uns als du.

FRÄULEIN KAROLINE. Ich versichere dich, die Schmeichelei selbst kann nichts anders von uns denken, als daß wir uns die Begierde nach der Oberstin Vermögen gar zu sehr merken lassen.

FRÄULEIN AMALIE spöttisch. Du bist wohl sehr großmütig, daß du wir sagst und nicht allen Eigennutz auf mich allein schiebst.

FRÄULEIN KAROLINE lächelnd. Oh! ich bin von deiner Scharfsinnigkeit schon gewiß versichert, daß sie meine rechte Meinung erraten wird.

FRÄULEIN AMALIE. Das ist eine Ehre für mich. Mich dünkt aber, es kann mir auch bei keinem eine Schande sein, wenn man gleich merkte, daß ich auf meine Versorgung denke.

FRÄULEIN KAROLINE. Versorgung? Je, bist du denn hier nicht versorgt?

FRÄULEIN AMALIE. Ja, wie ein Kind im Hause. Ich habe alles, was mir gegeben wird und was ich erbetteln muß.

FRÄULEIN KAROLINE. Erbetteln? Nun, das ist auch ein wenig undankbar? Mich dünkt, die Frau Muhme ist mit ihren Wohltaten unserm Bitten meistenteils zuvorgekommen. Gesetzt aber, wir hätten sie zuweilen um etwas erst bitten müssen: ist denn ein Geschenk nicht ein gutes Wort wert?

FRÄULEIN AMALIE. Meinethalben! wem es eine Freude ist, sein Leben lang allen Leuten in die Hände zu sehen, dem kann ich die Lust gönnen. Mich dünkt indessen, eigener Herd ist Goldes wert.

FRÄULEIN KAROLINE. Das heißt auf deutsch: Wir wollen nur gern wissen, wieviel die Oberstin uns vermachen wird, und hernach in Hoffnung auf diese Erbschaft geschwinde drauflos heiraten. Nicht wahr?

FRÄULEIN AMALIE lächelnd. Nun? Wenn das nun wäre?

FRÄULEIN KAROLINE lacht. Oh! das schöne Glück, der Hauptmann von Wagehals! den tollen, ungezogenen, lüderlichen Menschen, den Säufer, den Spieler, den Freimäurer noch obendrein zu heiraten!

FRÄULEIN AMALIE lacht.

FRÄULEIN KAROLINE. Das heißt ein Herd, der Goldes wert ist?

FRÄULEIN AMALIE lächelnd. Wer hat dir's denn gesagt, daß ich ihn nehmen will?

FRÄULEIN KAROLINE. Wenn man doch solche Gewerbe mit Mannsleuten[122] vorhat, wenn man sie bestellen, holen und rufen läßt: so denke ich nicht umsonst, daß dies etwas mehr als Gleichgültigkeit bedeute.

FRÄULEIN AMALIE spöttisch. Es ist mir leid, daß ich sehe, daß du auch irren kannst.

FRÄULEIN KAROLINE. O das wirst du wohl oft gesehen und vielleicht noch öfter geglaubt haben. Willst du denn etwa den von Kreuzweg haben? Denn den hast du doch auch herbestellt. Ich weiß nicht, was der Mensch hier den ganzen Tag machen soll?

FRÄULEIN AMALIE hitzig. Muß denn die Oberstin keine Zeugen zum Testamente haben?

FRÄULEIN KAROLINE lachend. Oho! Es ist wahr! Ich vergesse auch immer das Testament. Nun, also den willst du haben?

FRÄULEIN AMALIE spielt mit dem Schnupftuche. Wer weiß?

FRÄULEIN KAROLINE. Nun freilich, der ist noch ein gutes Teil gesetzter und artiger als der von Wagehals. Aber er ist auch brav eigennützig, und ich prophezeie dir, wofern die Oberstin dir nicht recht viel vermacht, so nimmt er dich nicht.

FRÄULEIN AMALIE lachend. Ha, ha! wer weiß erst, ob ich ihn nehme?

FRÄULEIN KAROLINE erschrickt. Wie? Du schreibst ihm ja bei aller Gelegenheit Briefe, du bestellst ihn her, du gehst ihm immer nach, du wirst feuerrot, wenn er mit einer andern redet: und du bist noch nicht gewiß, ob du ihn nehmen willst?

FRÄULEIN AMALIE halb böse. Gewiß, ich spiele hier eine sehr närrische Rolle! Du bist weder meine Mutter noch meine Hofmeisterin, Karoline.

FRÄULEIN KAROLINE. Das ist mir wohl bewußt.

FRÄULEIN AMALIE. Nun, sei so gütig und beliebe, dich dessen zuweilen zu erinnern, wenn dir die Lust ankömmt, Strafpredigten zu halten.

FRÄULEIN KAROLINE schüttelt den Kopf. Welch ein Charakter! Sie will gehen.


Quelle:
Deutsche Literatur in Entwicklungsreihen. Reihe Aufklärung. Band 6, Leipzig 1933–1935, S. 121-123.
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