Auf die Tugend-bedrängnus-Zeit

[85] Schöne Tugend / dich umducke / ziehe deine Krafft in Kiel:

weil der rauhe Vnglücks wind / deine Blüh und Blätter senget.

Besser ists verborgen seyn / als vor jederman gedränget.

Hoffnung / wird schon widertreiben / kommet Tugend-Ehrungs ziel.

Dein Erz-Vrsprung / Gottes Weißheit / hat dieweil mit dir ihr Spiel:

deinen Krieg und Sieg zusehn / dieses Stürmen sie verhänget.

Gleich wie sich das Edle Oel niemal / mit dem Wasser mänget:

deine Krafft empor so schwebet / welche nie gen boden fiel.

Tugend ist ein Spanisch Rohr / bricht nicht / wann man sie schon bieget.

Ja der rechte Eysen-Stein / der / auf alle weiß verkehrt /

seines Herzens wunsche-spitz / nach des Höchsten Willen füget.

Allen stürmen ist unmüglich / das ihr werd diß Ziel verwehrt.

Wann auch Schiff und Vhr zerbrochen / sie am Grund im Letten ligt:

wider Meer und Wetter toben / sie doch / Gott zuzielend / siegt.

Quelle:
Catharina Regina von Greiffenberg: Geistliche Sonnette, Nürnberg 1662, S. 85-86.
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