An die Lieb-reicheste Geistes-Taube

[186] Ach Taube / die den Fried' aus Christi Wunden bringet!

führ' in mein' Herzens Arch ein kleines Zweiglein hin /

weil in der Sünden-Flut der Eitelkeit ich bin /

die mich / durch deine Gnad / wie andre nicht verschlinget.

Doch bin ich auch von ihr ganz Seel-beschwert umringet.

Erhältst ihn nicht / so sinkt mein schwacher Erden-Sinn.

Dein Gnaden-Allmacht macht / daß ich beschutzt entrinn' /

ob wol der Wellen Braus mein Schifflein mächtig schwinget.

Du Strahl der Göttlichkeit / du unausdenklichs Weben /

du unvergänglicher allein nur Weiser Geist!

wollst mein geflügelts Herz durch deinen Wind erheben /

Daß in der Schnödheit schon beginn was himmlisch heist.

gib durch dein Einfluß-Krafft / daß ich nach dem mög streben /

was ewig ist / und dich / mein höchster Herrscher / preist.

Quelle:
Catharina Regina von Greiffenberg: Geistliche Sonnette, Nürnberg 1662, S. 186-187.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Geistliche Sonnette, Lieder und Gedichte
Geistliche Sonnette, Lieder und Gedichte