Sehnlichs Verlangen nach vorgenossenen Geistes-Freuden

[191] Qvelle mir / mein Himmel-Nectar / unerschöpffter Weißheits-Brunn!

wann ich nur ein Tröpflein könd von des Geistes Einfluß spühren /

wann die Herzen Geister sich möchten durch sein Regen rühren /

wann ich nur noch einmal hätte solch' ein viel beglücktes Nun!

Ach daß mir das schöne Bild also eilend doch entrunn!

wann wird mich dein Gnaden-Trieb mehr in diesen Lust-Wald führen /

wo die Himmlisch Nachtigal lieblich pflegt zu tireliren /

wo der Weißheit-Safft so süsse schnell und hell vorüber runn /

daß ich auf ein Hoffnungs- Gras mich fein sanfft könt niderlassen /

macht von Trost- und Freuden-Blumen einen Wunder bunten Kranz /

schöpffte aus dem klaren Brunn kühlen Safft und Krafft dermassen /

daß von süssen Lieblichkeiten ich in Lust verzucket ganz

schlüß die Sorgen-Augen zu / und entschlieff in vollen Freuden!

wollst so dein verlohrnes Schaf / Edler Schöpffer Schäfer weiden!

Quelle:
Catharina Regina von Greiffenberg: Geistliche Sonnette, Nürnberg 1662, S. 191-192.
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