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[312] 1.
Helle Flammina / mein Herzens- begehren!
muß ich dich gänzlich- verhoffet entbähren?
müssen so löbliche Lebens-Gedanken
von dem erheblichen Tugend-Zweck wanken?
2.
Solt nicht solch löblichs verlangen siegprangen?
solt ich / mit Abschlag-beschämeten Wangen /
lassen solch alte gewaltige Sitten?
ist mir die Hoffnungs-Schnur gänzlich zerschnitten?
3.
Dreifache Schnüre sonst selten zerreissen:
aber mein Vnglück will alles zerschmeissen.
Eine zu kurz ist / die andre zerschnitten /
selber zerreiß' ich die dritt' in der mitten.
4.
Leider! des leidigen Vngelücks Tücke /
meine Lust / meinen Trost / treiben zu rücke /
daß ich muß niessen die Feuer-Corallen /
welche von meiner Flammina stäts fallen:
5.
Muß den Herzbrechenden Kummer verschweigen /
darff keinen Vnlust noch Traurigkeit zeigen;
muß den Herzbrennend-und quälenden Schmerzen
heimlich verbergen zu innerst im Herzen.
[313]
6.
Diese Sach ligt mir unendlich in Sinnen /
all meine Anschläg sich enden hierinnen.
hab in dem Traume manch lieblich Gesichte /
welches doch wachend wird wider zu nichte.
7.
Meine Flammina läst sich in den Auen /
gleichfalls als in den Pallästen / beschauen.
Ihre Allgegenwart füllet die Erden /
kan mir / mein Leben / auch überall werden.
8.
Ihre Bestrahlung vor alles ich wähle /
weil ihre Göttlichkeit ewig zur Stelle.
Raubet man mir schon die sichtbaren Blicke:
helle Vnsichtbarkeit mich nur erquicke!
9.
Diese ungläublich-geglaubete Sachen /
kan mir kein Menschen-Macht ruckstellig machen.
Ob sie mit Hindernuß mich schon betrüben:
niemand kan wehren das innerlich lieben.
10.
Helle Flammina! du liebest die deinen /
Ob sie die Feinde zu stürzen vermeinen;
wann die Erdkräfften all stürmen zusammen /
lästu mich sehen Geist-Strahlen und Flammen.
11.
Glücklich O glücklich dieselbige Stunde /
da du befeurest Herz / Zungen und Munde!
laß mich die quickenden Lippen geniessen /
daß sie mich süssest berühren und küssen!
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Geistliche Sonnette, Lieder und Gedichte
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