Xenien

1

[381] Wähnst du denn ungestraft mich zu schlagen, zorniger Streiter,

Mit dem gewaffneten Fuß? Bin doch nicht alt und nicht krank.


2

Eigne Gedanken sprichst du mir ab, und es sind auch nicht eigne,

In der Weihe Moment gab sie die Muse mir ein.


3

Eins die Göttin noch sprach, als sie den Bann1 mir verhängte,

Den euch erzählt mein Gedicht – Eins, das zuvor ich vergaß.

»Mühe«, sprach sie, »dich ab und erzogst du Rosen und Nelken,

Fresse gehörntes Vieh dir deine Blumen als Gras.«


4

Was begeistert ich schrieb, das willst du mir nüchtern bekritteln;

Ist dir, nüchterner Mann! denn die Begeisterung fremd?


5

Doch nur begeistert am Pult und nüchtern auf offener Straße,

Bin ich ein Greul dir mit Recht: feindest du billig mich an.


6

Es ist wohl wahr, daß Tadel quält,

Einstimmger Beifall schöner:

Doch, was erkennt der Kenner, zählt

Und nicht, was wähnt ein Wähner.


7

Schmähet, schmähet nur zu, ihr laut rezensierenden Zungen!

Über den Reichen zu Pferd schimpfet das Volk, das zu Fuß.


8

[382] Belle, belle nur zu, doch wie du, Köter, auch bellest,

Kriegst du den Mond nicht herab, kommst du zu ihm nicht hinauf.


9

Auf, erneue den Streit, sooft du schwingest den Knüttel,

Send ich aus sicherer Höh goldene Pfeile herab.

Fußnoten

1 Sieh das Gedicht: Der Bann in dem heurigen Jahrgange der Aglaja.


Quelle:
Franz Grillparzer: Sämtliche Werke. Band 1, München [1960–1965], S. 381-383.
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