Das vierundzwanzigste Kapitel.

[74] Simplex ist bei des Oliviers Tod,

Rächet denselben mit äußerster Not.


Wie wir nun so dasaßen, unserer Leiber zu pflegen und auszuruhen, schickte Olivier den Bauer aus, Essenspeise samt etwas von Kraut und Lot einzukaufen. Als selbiger hinweg, zog er seinen Rock aus und sagte zu mir: »Bruder, ich mag das Teufelsgeld nicht mehr allein so herumschleppen«; band demnach ein paar Würste oder Wülste, die er auf bloßem Leib trug, herunter, warf sie auf den Tisch und sagte ferner: »Du[74] wirst dich hiemit bemühen müssen, bis ich einmal Feierabend mache und wir beide gnug haben; das Donnergeld hat mir Beulen gedruckt, so daß ichs nicht mehr tragen kann.« Ich antwortete: »Bruder, hättest du so wenig als ich, so würde es dich nicht drücken.« – »Was?« fiel er mir in die Rede, »was mein ist, das ist auch dein, und was wir ferner miteinander erobern, soll gleiche Part gelten.« Ich ergriff beide Wülste und befand sie trefflich gewichtig, weil es lauter Goldsorten waren. Ich sagte, es sei alles gar unbequem gepackt: da es ihm gefiele, wollte ichs also einnähen, daß einen das Tragen nicht halb so saur ankäme. Als er mirs heimstellete, gieng ich mit ihm in einen hohlen Eichbaum, allda er Schere, Nadeln und Faden brachte; da machte ich mir und ihm ein Skapulier oder Schulterkleid aus einem Paar Hosen und versteppte manchen schönen roten Batzen darein. Demnach wir nun solche unter die Hemden anzogen, war es nicht anders, als ob wir vorn und hinten mit Gold bewaffnet gewesen wären, wie wir dann dessentwegen gar wohl, wo nicht schuß-, doch wenigst stichfrei gewesen. Und demnach mich wundernahm und fragte, warum er kein Silbergeld hätte, bekam ich zur Antwort, daß er mehr als 1000 Taler in einem Baum liegen hätte, aus welchem er den Bauer hausen ließe, und um solches nie keine Rechnung begehret, weil er solchen Schafmist nicht hochachte.

Als dies geschehen und das Geld eingepackt war, giengen wir nach unserm Logiment, darin wir dieselbe Nacht über kochten und uns beim Ofen ausbäheten. Und demnach es eine Stund Tag war, kamen, als wir uns dessen am wenigsten versahen, sechs Musketierer samt einem Korporal mit fertigem Gewehr und aufgepaßten Lunden ins Häuslein, stießen die Stubentür auf und schrieen, wir sollten uns gefangen geben! Aber Olivier (der sowohl als ich jederzeit seine gespannte Musket neben sich liegen und sein scharf Schwert allzeit an der Seite hatte und damals eben hinterm Tisch saß, gleichwie ich hinter der Tür beim Ofen stund) antwortete ihnen mit einem paar Kuglen, durch welche er gleich zween zu Boden fällete; ich aber erlegte den dritten und beschädigte den vierten durch einen gleichmähigen Schuß. Darauf wischte Olivier mit seinem notfesten Schwert, welches Haar schure (und wohl des Königs Arturi in England Caliburn verglichen werden möchte) von Leder und hieb den fünften von der Achsel an bis auf den Bauch hinunter, daß ihme das Eingeweid heraus- und er neben demselben abscheulicherweis darniederfiel. Indessen schlug ich den sechsten mit meinem umgekehrten Feurrohr auf den Kopf, daß er alle[75] vier von sich streckte. Einen solchen Streich kriegte Olivier von dem siebenden, und zwar mit solcher Gewalt, daß ihm das Hirn herausspritzte; ich aber traf denselben, ders ihm getan, wiederum dermaßen, daß er gleich seinen Kameraden am Totenreihen Gesellschaft leisten mußte. Als der Beschädigte, den ich anfänglich durch meinen Schuß getroffen, dieser Püffe gewahr ward und sahe, daß ich ihm mit umgekehrten Rohr auch ans Leder wollte, warf er sein Gewehr hinweg und fieng an zu laufen, als ob ihn der Teufel selbst gejaget hätte. Und dieses Gefecht währte nicht länger als eines Vatterunsers Länge, in welcher kurzen Zeit diese sieben tapfere Soldaten ins Gras bissen.

Da ich nun solchergestalt allein Meister auf dem Platz blieb, beschauete ich den Olivier, ob er vielleicht noch einen lebendigen Atem in sich hätte; da ich ihn aber ganz entseelet befand, dünkte mich ungereimt zu sein, einem toten Körper so viel Gelds zu lassen, dessen er nicht vonnöten, zog ihm derowegen das gölden Fell ab, so ich erst gestern gemacht hatte, und hieng es auch an Hals zu dem andern. Und demnach ich mein Rohr zerschlagen hatte, nahm ich Oliviers Muskete und scharfes Schlachtschwerd zu mir; mit demselben versahe ich mich auf allen Notfall und machte mich aus dem Staub, und zwar auf den Weg, da ich wußte, daß unser Bauer darauf herkommen müßte. Ich satzte mich beiseit an ein Ort, seiner zu erwarten und mich zugleich zu bedenken, was ich ferner anfangen wollte.

Quelle:
Grimmelshausens Werke in vier Teilen. Band 1, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart o.J. [1921], S. 74-76.
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