Das VIII. Kapitel.

[37] Courasche hält sich in einer Okkasion trefflich frisch, haut einem Soldaten den Kopf ab, bekommt einen Major gefangen und erfährt, daß ihr Leutenant als ein meineidiger Überläufer gefangen und gehenket worden.


Also wurde ich nun zu einer Halbwittib, welcher Stand viel elender ist, als wann eine gar keinen Mann hat. Etliche argwohneten, ich würde ihm folgen und wir hätten unsere Flucht also miteinander angelegt; da ich aber den Obristen umb Rat und Befelch fragte, wie ich mich Verhalten sollte, sagte er, ich möchte bei dem Regiment verbleiben, so wollte er mich,[37] solang ich mich ehrlich hielte, wie andere Wittweiber verpflegen lassen; und damit benahme ich jedermann den gedachten Argwohn. Ich mußte mich ziemlich schmal behelfen, weil mein Barschaft ausgeflogen und meine stattliche Soldatenpferd fort waren, auf denen ich auch manche stattliche Beut gemacht; doch ließe ich meine Armut nicht merken, damit mir keine Verachtung zuwüchse. Meine beide Knechte, die Herrndienste versahen, hatte ich noch sambt einem Jungen und noch etlichen Schindmärren oder Bagagepferden; davon und von meiner Männer Bagage versilberte ich, was Geld galte, und machte mich wieder trefflich beritten. Ich dorfte zwar als ein Weib auf keine Partei reiten, aber unter den Fouragieren fande sich nicht meinesgleichen. Ich wünschte mir oft wieder eine Battaglia wie vor Wimpfen; aber was halfs? ich mußte der Zeit erwarten, weil man mir zu Gefallen doch keine Schlacht gehalten, wann ichs gleich begehrt hätte. Damit ich aber gleichwohl auch wiederumb zu Geld kommen möchte, dessen es auf dem Fouragieren selten setzte, ließe ich (beides, umb solches zu verdienen und meinen Ausreißer umb seine Untreu zu bezahlen) mich von denen treffen, die spendierten; und also brachte ich mich durch und dingte mir noch einen starken Jungen zum Knecht, der mir mußte helfen stehlen, wann die andere beide mußten wachen. Das trieb ich so fort, bis wir den Braunschweiger über den Main jagten und viel der Seinigen darin ersäuften, in welchem Treffen ich mich unter die Unserige mischte und in meines Obristen Gegenwart dergestalt erzeigte, daß er solche Tapferkeit von keinem Mannsbild geglaubt hatte; dann ich nahme in der Caracolle einen Major vom Gegenteil vor seinem Truppen hinweg, als er die Charge reduplieren wollte; und als ihn einer von den Seinigen zu erretten gedachte und mir zu solchem Ende eine Pistol an den Kopf losbrennete, daß mir Hut und Federn darvonstobe, bezahlte ich ihn dergestalt mit meinem Säbel, daß er noch etliche Schritte ohne Kopf mit mir ritte, welches beides, verwunderlich und abscheulich, anzusehen war. Nachdem nun dieselbe Eskadron getrennet und in die Flucht gewendet worden, mir auch der Major einen ziemlichen Stumpen Goldsorten sambt einer güldenen Ketten und kostbarlichen Ring vor sein Leben gegeben hatte, ließe ich meinen Jungen das Pferd mit ihm vertauschen und lieferte ihn den Unserigen in Sicherheit, begab mich darauf an die zerbrochne Brucken, allwo es in dem Wasser an ein erbärmlichs Ersaufen und auf dem Land an ein grausambs Niedermachen gieng; und alldieweil noch ein jeder bei seinem Truppen bleiben mußte, soviel immer möglich,[38] packte ich eine Kutsche mit sechs schönen Bräunen an, auf welcher weder Geld noch lebendige Personen, aber wohl zwo Kisten mit kostbaren Kleidern und weißen Zeug sich befanden. Ich brachte sie mit meines Knechts oder Jungen Hülf dahin, wo ich den Major gelassen hatte, welcher sich schier zu Tod kränkte, daß er von einem solchen jungen Weib gefangen worden; da er aber sahe, daß sowohl in meinen Hosensäcken als in den Halftern Pistolen staken, die ich sambt meinem Karbiner dort wieder lüde und fertig machte, auch hörete, was ich hiebevor bei Wimpfen ausgerichtet, gab er sich wiederumb etwas zufrieden und sagte: »Der Teufel möchte mit so einer Hexen etwas zu schaffen haben!« Ich gieng mit meinem Jungen (den ich ebenso fest als mich und mein Pferd gemacht hatte) hin, noch mehr Beuten zu erschnappen, fande aber den Obristleutenant von unserem Regiment dort unter seinem Pferde liegen, der mich kannte und umb Hülf anschriee. Ich packte ihn auf meines Jungen Pferd und führte ihn zu den Unserigen in meine erst eroberte Kutsche, allda er meinem gefangnen Major Gesellschaft leisten mußte. Es ist nicht zu glauben, wie ich nach dieser Schlacht sowohl von meinen Neidern als meinen Gönnern gelobt wurde; beide Teil sagten, ich wäre der Teufel selber; und eben damals war mein höchster Wunsch, daß ich nur kein Weibsbild wäre; aber was wars drumb? es war Null und verhimpelt. Ich gedachte oft, mich vor einen Hermaphroditen auszugeben, ob ich vielleicht dardurch erlangen möchte, öffentlich Hosen zu tragen und vor einen jungen Kerl zu passiern; hergegen hatte ich aber durch meine unmäßige Begierden so viel Kerl empfinden lassen, wer ich wäre, daß ich das Herz nicht hatte, ins Werk zu setzen, was ich gerne gewollt; dann so viel Zeugen würden sonst ein anders von mir gesagt und verursacht haben, daß es dahin kommen wäre, daß mich beides, Medici und Hebammen, beschauen müßten; behalfe mich derowegen, wie ich konnte; und wann man mir viel verweisen wollte, antwortet ich, es wären wohl ehe Amazones gewesen, die so ritterlich als die Männer gegen ihren Feinden gefochten hätten. Damit ich nun des Obristen Gnad erhalten und von ihme wider meine Mißgünstige beschützt werden möchte, präsentierte ich ihm neben dem Gefangnen auch meine Kutsche mitsambt den Pferden, darvor er mir 200 Reichstaler verehrete, welches Geld ich sambt dem, was ich sonst auf ein neues erschnappt und sonst verdienet hatte, abermal in einer namhaften Stadt verwahrte.

Indem wir nun Mannheim eingenommen und Frankenthal[39] noch belagert hielten und also den Meister in der Pfalz spielten, siehe, da schlugen Corduba und der von Anhalt abermal den Braunschweiger und Mansfelder bei Floreack, in welchem Treffen mein ausgerissener Mann, der Leutenant, gefangen, von den Unserigen erkannt und als ein meineidiger Überläufer mit seinem allerbesten Hals an einen Baum geknüpft worden; wordurch ich zwar wieder von meinem Mann erlöst und zu einer Wittib ward; ich bekam aber so ein Kaufen Feinde, die da sagten: »Die Strahl-Hex hat den armen Teufel umbs Leben gebracht!«, daß ich ihm das Leben gern länger gönnen und mich noch ein Weil mit ihm gedulden mögen, bis er gleichwohl anderwärts ins Gras gebissen und einen ehrlichern Tod genommen, wann es nur hätte sein können.

Quelle:
Grimmelshausens Werke in vier Teilen. Band 3, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart o.J. [1921], S. 37-40.
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