An Gott den Heiligen Geist

[4] O wahrer Liebe Fewr! Brunn aller gutten Gaben!

O dreymal grosser Gott/ O höchste Heyligkeit!

O Meister aller Kunst/ O Frewd/ die alles Leid

Vertreibt/ O keusche Taub/ vor der die Hellen-Raben

Erzittern! welche noch/ eh denn die Berg erhaben/

Vnd eh die Welt gegründt; eh das gestirnte Kleid/

Dem Himmel angelegt/ ja schon vor Ewigkeit/

Die zwey die dir gantz gleich/ von Sich gelassen haben!

O weißheit ohne Maaß! O Gast der reinen Seel.

O wesentliches Liecht! O tewre Gnaden-Quell

Die du den zarten Leib Mariens hast befeuchtet/

Ach laß ein Tröpfflin nur/ von deinem Lebenstaw

Erfrischen meinen Geist! hilff daß Ich doch nur schaw

Ein Füncklin deiner Flam/ so bin Ich recht erleuchtet.

Quelle:
Andreas Gryphius: Gesamtausgabe der deutschsprachigen Werke. Band 1, Tübingen 1963, S. 4-5.
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