3.

Der Herr offenbahret seinem Verräther vnd warnet Petrum vor Vermessenheit

[107] Auff die Melodie: Weltlich Ehr vnd zeitlich Gutt.


1.

Mensch wach/ vnd nim dich in acht!

Weil Sathan vmb dich Tag vnd Nacht

Im Irrgang dieser Welt/

Als ein heiß-ergrimmter Lew/

Als ein Mörder ohne scheu

Manche sich're Seel' anfäll't:

Vnd stets Jägernetz auffstellt.


2.

Wenn du gleich ietzt feste stehst:

Ja auff deß Himmels-Wege geh'st;

Kan Anstos doch vnd Fall

Vnversehns dich von der Höh'

Stürtzen in vnendlich Weh.

Der verdampten Marter-Thal

Wo nur heulen/ Ach! vnd Qval.


3.

Gläntzte Judas bey dem Herrn

Nicht als ein schimmernd' Morgenstern/

Den doch der hellen Raab

Mit verfluchtem Geitz beschwer't

Vnd sein Hertz so fern verkehr't/

Daß Er vmb ein' kleine Haab/

Den Schatz aller Welt hingab.


4.

Wie hat Jesus sich betrübt/

Als der/ den Er so Treu gelieb't

Ihn zuverkauffen tracht.

Einer auß Euch/ fieng Er an/[108]

Dehn ich noch nicht hassen kan/

Ist mich warlich diese Nacht/

Zuverrathen gantz bedacht.


5.

Jeder durch diß Wort erschreck't/

Ward durch betrübte Furcht entsteck't/

Vnd sprach/ hab ich den Hohn?

Der der meine Schüssel braucht

Der mit mir sein Brodt eintaucht/

Sag't Er/ ist's: deß Menschen Sohn/

Geht ja durch den Todt zur Kron.


6.

Wie der Geist verkündig't eh'/

Weh' aber! weh! vnd Ewig weh!

Dem/ der Ihn dem Gericht/

Der Ihn zu der Angst gewehrt/

Ach! das Ihn die Welt ernehr't!

Ach! das ie der Sonnen-Licht

Hat bestrahlet sein Gesicht!


7.

Bald rufft Judas: meinst du mich?

Er sprach/ du selbst verklagest dich:

Doch bleibt Er vnentdeckt.

Ob schon Jesus gleich hiermit

Auff deß liebsten Jüngers bitt/

Einen Bissen Brodt ansteckt/

Eintaucht vnd dem Judas reckt.


8.

Den Sathan nun gantz besaß.

Geh hin: Spricht Jesus (wüntscht du das:)

Vnd was du thust/ das thu.

Er steht auff bey trüber Nacht:

Petrus rühmet vnbedacht:

Herr ich wil in Streit vnd Ruh

Alles bey dir setzen zu.


9.

Jesus erseufftz't hoch vnd sprach:[109]

Ach Simon/ Simon/ nur gemach/

Der grimme Feind begehr't/

Es sey dir leid oder lieb/

Euch zu prüfen durch sein Sib/

Wie der Weitzen wird bewert/

Den man von der Tennen kehrt.


10.

Ach wie bat ich vor dich Gott:

Daß nicht dein Glaub erlesch in Noth/

Doch wenn sie nun verschwindt/

Vnd du wider kanst auffstehn/

Solst du auch entgegen gehn/

Dehnen die vor schrecken blind/

Neben dir gefallen sind.


11.

Herr/ spricht Petrus/ keine Pracht/

Kein Fässel keiner Folter Macht/

Noch Schmach noch grause Pein/

Noch Gewalt der grossen Welt

Trennet/ was mich zu dir hält.

Jesus redet ihm noch ein:

Diß wird bald vergessen seyn.


12.

Eh ein Hahn vom Schlaff erweckt/

Die nicht recht halbe Nacht entdeckt/

Wird dein erblaster Mund/

Dreymal läugnen/ daß Er mich

Je erkennet/ daß ich dich

Je geliebt/ vnd sonder Grund

Gantz verschweren meinen Bund.


13.

Fels/ zum Anstoß außgesetzt:

An dem sich fleisches Lust verletzt:

Vermessenheit zerschell't.

Hilff/ daß ich an dir auffsteh/

Nicht durch Geitz zu Grunde geh:

Dich als Felsern! den nichts fällt/

Frey bekenne: Trotz der Welt!

Quelle:
Andreas Gryphius: Gesamtausgabe der deutschsprachigen Werke. Band 1, Tübingen 1963, S. 107-110.
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