299. Das goldene Pflugeisen.365

[245] Das zu Magdeburg noch gegenwärtig ein Schild mit dem goldenen Pflugeisen führende Haus am Breitenwege soll seinen denkwürdigen Namen folgender Begebenheit verdanken.

Am Palmsonntage des Jahres 1210 ist der neue Erzbischof Albert I., ein geborener Graf von Kirchberg, mit großem Gepränge in sein Bisthum eingezogen und an demselben Tage ist auch ein armer Handwerksgesell, der keinen Groschen in der Tasche trug, nach Magdeburg gekommen und hat in jenem Hause, das damals schon eine Schenke trug, eingesprochen. Er hat sich Essen und Trinken geben lassen, als es aber ans Bezahlen gehen sollte, da hat er nichts gehabt und eben hat er sollen mit Schimpf und Schande als Betrüger festgehalten werden, da hat sich die Wirthstochter seiner angenommen und ist auf sein Versprechen, daß er, wenn er zu Gelde kommen werde, seine Zeche noch nachträglich bezahlen wolle, eingegangen. Beim Abschied hat er ihr ein altes Pflugeisen, das er in einem Tuche eingewickelt bei sich trug, zum Pfande gegeben und gesagt, es sei das einzige Erbe, welches ihm von seinen Eltern geblieben sei. Nach einigen Jahren ist er auch wirklich zurückgekehrt, hat seine Schuld bezahlt und die Wirthstochter hat ihm das alte Pflugeisen aus der Rumpelkammer, in welche sie es hingeworfen, holen wollen. Als sie in die dunkle Kammer trat, ist es ihr auf einmal vorgekommen, als wenn das alte Eisen wunderbar glänze; sie hat es[245] vorgenommen und in die Wirthsstube gebracht, dort hat man zum Scherz an demselben herumgeputzt und gefunden, daß es bald blank ward und wie Gold glänze. Man hat Sachverständige herbeigerufen, diese haben es sofort für ächtes Gold erklärt, der glückliche Besitzer hat es natürlich verkauft, das Mädchen, die ihm seinen Schatz so lange treulich bewahrt, geheirathet und an der Stelle jenes Hauses ein neues gebaut, welches er das goldene Pflugeisen genannt hat.

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Nach Relßieg Bd. I. S. 175 etc.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 245-246.
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