415. Der Teufel will einen Verwalter zu Nordhausen verführen.502

[355] Es hielt sich um die 20er Jahre des vorigen Jahrhunderts ein Verwalter, mit Namen Scheller, eine Zeit lang in der Stadt Nordhausen auf[355] und wohnte in dem Hause eines gewissen Dorfpredigers, welches dieser nach dem Brande von 1718 wieder aufgebaut hatte, um sich eine Stelle zu suchen. Weil er nun ein Fremdling, mithin an diesem Orte unbekannt, übrigens für seine Person sehr dienstfertig und höflich war, so fand er bald mitleidige Seelen, die sich Mühe gaben, ihm eine Versorgung zu verschaffen, ihm aber dennoch keine Station ausmachen konnten. Er lebte demnach von seinen wenigen Mitteln kümmerlich und elend, damit dieselben so lange zureichen möchten, bis er wieder einen Herrn fände, und so gingen wohl drei Vierteljahre hin, daß er keinen Hellers werth einnahm, sondern statt dessen zu seines Lebens Unterhalt unentbehrliche Ausgaben hatte. Man rieth ihm nun, daß er bisweilen ein Paar Stunden lang auf den Rathskeller gehen und bei der Gesellschaft der dort einkehrenden Bürger ein Glas Gose trinken möchte, um sich nur ein wenig in Bekanntschaft zu bringen, weil hier täglich und stündlich fremde Leute kämen, welche ihm vielleicht eine Gelegenheit zu einem künftigen Unterhalt vorschlagen könnten. Weil er aber als ein frommer, stiller Mann solche Oerter nicht gewohnt war zu besuchen, auch sonst nicht viel im Vermögen besaß, so ging er nur hin und wieder einmal hin. So kam es, daß sich ihm durchaus kein Glücksstern zeigen wollte. Da trug sich mit ihm folgende Begebenheit zu.

Er war bei einem guten Freunde gewesen und kam des Abends um 10 Uhr voller Tiefsinn nach Hause, ging auf seine Kammer, welche in der andern Etage gegen Abend zu lag, befahl sich der göttlichen Vorsehung, legte sich in sein Bett und ließ das Licht in der Kammer brennen, konnte aber vor bekümmerten Gedanken zu keiner Ruhe noch Schlaf kommen. Gegen 12 Uhr klopfte Jemand an seine Kammerthüre, er stand in der Meinung, daß es etwa Jemand von den Dienstboten im Hause wäre, welcher ihn noch sprechen wollte; er rief also: er liege nunmehro schon im Bette, er möchte nur hereinkommen. Da öffnete sich die Thüre und es kam ein schwarzgekleideter Mann herein, der vor sein Bett trat und ihn folgendermaßen anredete: warum er immer so kläglich thue und was ihm fehle? Er antwortete: »Sollte ich nicht kläglich thun, ich habe keinen Dienst mehr, und mein Bischen Geld, welches ich sauer verdient habe, muß ich jetzt verzehren, und da es bald alle ist, woher soll ich armer Mann, wenn solches ausgegeben ist, anderes hernehmen, wenn ich nicht betteln noch der Welt zum Spott leben will? Ich meine also, daß ich hohe Ursache habe, mich über meinen armseligen Zustand zu betrüben.« Da brach dieser Geist in folgende Worte aus: »Wenn darin Deine Noth besteht, so will ich Dir bald davon helfen und Dir Geld verschaffen, Du mußt Dich aber gegen mich auf eine gewisse Zeit verbinden.« Dieser arme verlassene Mann sagte: »Auf diese Art verlange ich kein Geld, Gott solle ihn davor behüten, lieber wolle er dafür arm bleiben!« »Ei!« sagte dieser schwarzgekleidete Mann, »wenn Du die Dir vorgeschlagene Condition nicht eingehen willst, so kann ich Dir auch nicht weiter helfen, denn Gott wird Dir nichts geben, das siehest Du ja wohl, wie es Dir jetzt geht. Wenn Du nun diesen Vorschlag nicht annehmen willst, so thue ich Dir einen andern. Sieh, hier habe ich ein Messer, das nimm und schneide Dir die Kehle damit ab, was bald geschehen ist, dann kommst Du aus aller Deiner Noth!« Der arme Verwalter lag in voller Angst und Schrecken in seinem Bette und konnte aus großer Furcht[356] fast nicht sprechen, sah den schwarzgekleideten Mann und das lange Messer, welches er in seiner Hand hatte, mit großer Verwunderung an und sagte noch die wenigen Worte: »Davor behüte mich mein Gott; weiche von mir, Du böser Geist, Du hast hier nichts weiter zu thun!« Worauf derselbe wieder vor seinen Augen hinwegkam und von ihm weiter weder etwas gesehen noch gehört ward. Diese Begebenheit hat aber besagter Verwalter am andern Tage einem gewissen Geistlichen mitgetheilt und sich dann von diesem Orte wegbegeben.

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Nach Sieckel Bd. I. S. 56 etc.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 355-357.
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