453. Dr. Faust und Melanchthon zu Wittenberg.540

[391] Es ist ein Irrthum, wenn man schon um die Mitte des 16. Jahrhunderts behaupten wollte, Dr. Faust sei zu Wittenberg erzogen und zum Doctor der Theologie gemacht worden, habe daselbst beim äußern Thore an der Schneegasse (die nie existirte) Haus und Garten gehabt und sei im Dorfe Kimlich, eine halbe Meile von Wittenberg, im Beisein etlicher Magister, Baccalaureen und Studenten vom Teufel erwürgt worden. Allerdings ist er in Wittenberg gewesen, ist auch daselbst eine Zeit lang geduldet worden, bis er es zu grob machte, wo man ihn dann gefänglich einziehen wollte, er sich aber auf und davon machte. Er kam einmal daselbst zu Philipp Melanchthon, der las ihm den Text, schalt und vermahnte ihn, daß er von seinen bösen Dingen bei Zeiten abstehen möchte, es werde sonst ein böses Ende nehmen, wie auch geschehen ist. Er aber kehrte sich nicht daran. Nun war es einmal um 10 Uhr, daß der Herr Philippus aus seinem Studierstüblein herunter zu Tische ging und der Faust bei ihm war, den er heftig gescholten hatte; da spricht er zu ihm: »Herr Philippus, Ihr fahret mich allemal mit rauhen Worten an, ich will es einmal machen, wenn Ihr zu Tische gehet, daß alle Töpfe in der Küche zum Schornstein hinausfliegen, so daß Ihr mit Euren Gästen nichts zu essen haben werdet.« Darauf antwortete ihm Philippus: »Das sollst Du wohl bleiben lassen, ich ... in Deine Kunst.« Und er ließ es auch.

Ein anderer alter gottesfürchtiger Mann vermahnte ihn auch, er solle sich bekehren. Dem schickte er zur Danksagung einen Teufel in seine Schlafkammer, als jener zu Bette ging, um ihn zu schrecken. Der geht umher in der Kammer und grunzt wie eine Sau. Der Mann aber war unerschrocken,[391] wohl gerüstet im Glauben und spottete sein: »Ei, wie eine feine Stimme und Gesang ist das eines Engels, der im Himmel nicht bleiben konnte, und weil er Gott gleich sein wollte, seiner Hoffarth wegen daraus verstoßen ist, und jetzt in der Leute Häuser geht, in eine Sau verwandelt!« Damit geht der Geist wieder heim zu Faust und klagt ihm, wie er da empfangen und abgewiesen sei, wollte auch da nicht sein, wo man ihm seinen Abfall und Unheil verwies und seiner spottete.

Doctor Faust verführte aber noch einen Studenten. So kannte Doctor Lercheimer selbst einen seiner Freunde noch im hohen Alter, der hatte einen verkrümmten Mund. Wollte derselbe einen Hasen haben, so ging er in den Wald hinaus, machte seinen Hocuspocus und der Hase kam ihm von selbst in die Hände gelaufen.

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S. Lercheimer S. 76, 161 etc., 210.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 391-392.
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