687. Die heilige Ida.801

[667] Als Kaiser Karl der Große ganz Sachsen unter seine Botmäßigkeit gebracht und das Christenthum daselbst eingeführt hatte, ernannte er den Grafen Egbert, einen Neffen Wittekind's, zum Herzog über die Sachsen zwischen dem Rhein und der Weser. Derselbe war allerdings verheirathet gewesen, allein seine Ehe blieb kinderlos, und bald vereinsamte der Tod seiner Gemahlin seine Burg in der Nähe des Klosters Liesborn gänzlich. Da trug ihm der Kaiser eine Sendung in das benachbarte Frankenland auf; dort aber wurde er krank und ward in das Haus eines fränkischen, nahe mit Karl d. Gr. verwandten Grafen gebracht, um dort gepflegt und geheilt zu werden. Hier erholte er sich auch bald unter den Händen seiner sorgsamen und unermüdlichen Pflegerin, der schönen Tochter des Grafen, Ida, und bald nach seiner Genesung erklärte er derselben seine Liebe, fand Erhörung und vermählte sich mit ihr. Auf seiner Rückreise nach seiner Burg kamen sie über Herzfeld an der Lippe, und da es gerade Abend war, schlugen sie mitten unter den schönen Bäumen des diesen Ort umgebenden Waldes ihr Nachtlager auf. Da sah die Gräfin Ida, als Alles um sie herum im tiefsten Schlafe lag, während sie selbst nicht hatte einschlafen können, einen mit himmlischem Licht umflossenen Engel an ihr Lager treten, der zu ihr sprach: »An diesem Orte sollst Du einen Tempel des Herrn bauen, in welchem Du dem Herrn dienen und mit Deinem Gemahle einst ruhen wirst, bis Du auferstehst von den Todten.« Sobald es Tag geworden war, theilte Ida ihrem Gemahle die gehabte Erscheinung mit, und Beide beschlossen den Willen des Herrn auszuführen und ihm hier eine Kirche zu errichten. Der finstere Wald ward gelichtet, und das Werk nahm einen schnellen Fortgang. Die Gräfin aber zeigte sich selbst bei dem Bau mit thätig, denn mit ihrem zahmen Hirsche holte sie selbst aus weiter Ferne Steine zum Bau mit herbei. Das treue Thier folgte ihr selbst durch die Lippe, ohne einen Stein zu verlieren, und noch heutigen Tages sieht man tief in dem Bette der Lippe den grünen Weg (bei Speckmanns Erbe), welchen die h. Ida mit ihrem Hirsche gewandelt sein soll. Von diesem Hirsche soll auch Herzfeld seinen Namen haben, wie solches durch ein Bild in einer dortigen alten Kapelle angedeutet zu sein scheint, worauf Ida abgebildet ist, wie sie unter einem Baume ruht und der Hirsch, sie fromm anschauend, mit dem Kopfe auf ihrem Schooße neben ihr liegt.

Als Ida den heiligen Bau vollendet hatte, zog sie mit ihrem Gemahl nach Eckelborn (Egbertsburg) an der Lippe und führte mit ihm ein langes glückliches Leben, indem sie ihrem Gemahl fünf Kinder gebar. Nach seinem Tode zog sie sich in eine von ihr erbaute Kapelle, wo sie auch den Leichnam ihres Gemahls beisetzen ließ, zurück und ließ sich einen steinernen Sarg machen, den sie täglich mit Brod und Almosen füllte und seinen Inhalt an die Armen vertheilte. Als sie zwischen 826 – 830 gestorben war, ward sie in demselben Sarge begraben, aber erst im J. 980 kamen ihre Gebeine durch den Bischof Dodo von Münster in die Kirche von Herzfeld. Diese Ida ist übrigens die Stammmutter des hohen preußischen Königshauses.

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S. Münsterische Geschichten, Sagen und Legenden. Münster 1825 in 8. S. 22 etc.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 666-668.
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