787. Die Sagen vom Deesenberge.909

[742] Eine Stunde von der Stadt Warburg an der Diemel liegen auf einem der höchsten Berge dieser Gegend die Trümmer der alten Burg Deesenberg, das Stammschloß der noch blühenden Familie von Spiegel. Diese Burg ward von Karl dem Gr., als er in dieser Gegend gegen Wittekind kämpfte, den Sachsen entrissen und mit ihren Umgebungen als eine geschlossene Herrschaft mit der Würde des Baronats an einen seiner Kriegshelden, Conrad Speegel verliehen, mit dem Befehle, hier eine neue feste Burg zu erbauen, von der er wie ein Spiegel leuchten sollte. Dies war der Ursprung des Geschlechtsnamens der ritterlichen Familie der Spiegel von Deesenberg.

In der Volkssage wird jedoch Karl d. Gr. selbst für einen der ersten Bewohner des Deesenberges genannt und berichtet, er habe sich daselbst bei seinen Kriegen wider unsere Vorfahren, die rebellischen Sachsen, aufgehalten und allda ein unterirdisches Hoflager gehabt, jetzt sei er mit den Seinen in diesen Berg gebannt und sitze nun dort an dem steinernen Tische, wo der Bart ihm durch den Tisch hindurch bis auf die Füße gewachsen sei und werde er noch vor dem jüngsten Tage wiederkommen, um sein verlassenes Kaiserthum von Neuem zu übernehmen und wieder zu regieren.

Von diesem Berge sagt ein altes Wetter-Prognostikon:


Ist unser Deesenberg ohne Hut,

So ist's Wetter schön und gut.

Wenn er mit dem Hut versehen,

Wird das Wetter nicht bestehen.


In diesem Berge soll viel Geld verborgen liegen, Kaiser Karl d. Gr. dasselbe aber verwahren und Schäfer und Hirten, die ihm angenehme Lieder vorgepfiffen, auch Bäcker aus dem benachbarten Warburg, die ihm Weißbrod gebracht, reichlich beschenkt habe.

Im Jahre 1790 veranlaßten diese Sagen eine Versammlung mehrerer Schatzgräber, in den unterirdischen Gewölben des Deesenberges um Schätze zu graben, allein man weiß nicht, welches die Ausbeute gewesen ist. Ein alter Schäfer, der in seiner Jugend die Schafe am Deesenberge und in dessen Umgebungen lange Jahre hütete, erzählte zu Anfange dieses Jahrhunderts, daß sein Großvater einst behauptet, es lägen in dem Keller des Schlosses noch zehn Fässer Gold verborgen und kein Mensch könne diesen Schatz heben. Einst wären einige vornehme Herren hinaufgekommen, um sich umzusehen, und hätten da gelbe Blumen gepflückt. Auf einmal habe[742] sich die Thüre eines Kellers geöffnet; sie wären in denselben hinabgestiegen, hätten aber nichts als Fässer voll Erbsen, Linsen und Bohnen gefunden, womit sie sich zum Scherz geworfen. Da sei ein kohlenpechrabenschwarzer Hund gekommen, habe die herumgestreuten Erbsen und Bohnen sorgfältig wieder aufgesucht und die Herren wären dergestalt erschrocken, daß sie schnell fortgelaufen und auch die gepflückten Blumen zurückgelassen hätten. Plötzlich sei eine Stimme erschollen, welche gerufen: »Vergesset das Beste nicht!« Einem einzigen der Herren wären fünf Linsen in den Schuh gefallen und als er sie herausgenommen, wären sie zu Goldstücken geworden. Gern wären sie wieder zurückgekehrt, die kostbaren Erbsen-, Linsen und Bohnenfässer wieder aufzusuchen, aber nie hätten sie den Weg dorthin wieder gefunden.

909

S. Gottschalck, Bergschlösser Bd. V. S. 329 etc.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 742-743.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Sagenbuch des Preußischen Staats
Sagenbuch des Preußischen Staats: Erster Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Zweiter Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Erster Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Zweiter Band