48. Der heilige Hildebold.

[63] (Nach Kreutter S. 37.)


Kaiser Karl der Große befand sich im Jahre 782 zufällig gerade zu der Zeit in der Nähe Cöllns, als das Domkapitel und der Clerus daselbst sich durchaus nicht über die Wahl eines neuen Erzbischofs, nach dem Tode des Cratepolius, des 21. in der Reihe der dasigen Bischöfe, einigen konnten. Er beschloß also selbst nach der Stadt zu reiten um dem Streit ein Ende zu machen. Es war eines Morgens in der Frühe, als er nahe bei der Stadt an einer Kapelle, der alten jetzt weggerissenen Kapelle zum h. Marcellus in der heutigen Marzellenstraße vorbeiritt, wohin das Glöckchen eben zur Messe einlud. Er stieg, um derselben beizuwohnen, behende vom Pferde und trat in das kleine Gotteshaus. Niemand vermuthete aber in dem einfachen Jäger, der ohne alles Gefolge war, den mächtigen deutschen Kaiser. Er knieete nieder, verrichtete sein Gebet und legte dann einen Goldgulden als Opfer auf dem Altare nieder. Befremdet sah aber Hildebold – denn[63] er war es, welcher die Messe las – auf den stattlichen Fremden hin und sagte sanft verweisend, indem er ihm den Goldgulden zurückgab: »Freund, nehmt Euere Münze wieder, ich bedarf derselben nicht!« Da entgegnete der Kaiser zutraulich und freundlich: »Behaltet das Geld nur immerhin, denn ich gab es Euch sonder Spott und Argwohn.« Hildebold aber verweigerte beharrlich die Annahme des Goldes und sprach endlich: »Habt Dank, Herr, für Euere kostbare Münze, für mich hat sie keinen Werth, wollt Ihr aber ein Uebriges thun und Euern frommen Sinn befriedigen, nun wohlan, da Ihr, wie ich sehe ein Waidmann seid, so hört denn, was ich mir von Euch erbitte: die Haut von dem ersten Reh oder von irgend einem Wilde, so Ihr erlegt, verhandelt oder schenkt mir, damit ich mir Ueberzüge für meine Bücher zum Dienste dieser Kirche daraus machen lassen kann.« Mit Verwunderung vernahm der Kaiser die einfachen Worte des genügsamen Priesters, erkundigte sich sofort nach seinem Lebenswandel und als er zu seiner großen Freude erfuhr, daß er ein überaus frommer und gottesfürchtiger Mann sei, bestimmte er ihn zum Erzbischof von Cölln, als welcher er nach des Kaisers Tode die alte oder erste Domkirche auf dem Domhofe erbaute. Dieselbe ward freilich erst 873 unter Erzbischof Willibert vollendet und litt bereits sehr unter der Normannenverheerung in den Jahren 882 und 890, bis sie endlich im Jahre 1247 durch einen großen Brand vollständig vernichtet ward, worauf denn Conrad von Hochstaden im nächsten Jahre den Grundstein zu dem neuen, jetzigen Dome legte.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 63-64.
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