219. Hans von Schweinichen auf Schweinhaus.

[256] (Poetisch behandelt von Fülleborn bei Müller S. 524 etc. u. Ruinen Bd. V. S. 152 etc.)


Am Abhange des sogenannten Schweinbergs, in einem wenig besuchten Thale, 3/8 Meilen von Bolkenhain liegen die Ueberreste der alten Burg Schweinhaus, des Stammsitzes der Familie von Schweinichen. Diese Familie soll ihren Namen davon haben, daß Bivoi, ein böhmischer Ritter, im Jahre 716, als er mit der bekannten böhmischen Fürstin Libussa auf der Jagd war, einen wüthenden Eber, nachdem ihm der Jagdspieß zerbrochen war, mit seinen bloßen Händen fing und seiner Gebieterin zu Füßen legte, worauf ihm selbige den Beinamen Swinka[256] (Schweinchen) und ihre Schwester Kasche zur Gemahlin gab. Er und seine Nachkommen sollen davon im Wappen einen Eberkopf geführt haben.53

Von der Burg Schweinhaus soll ein unterirdischer Gang bis zur Bolkenhainer Burg führen. Nun war einst heftige Fehde zwischen einem Ritter Hans von Schweinichen und dem Besitzer von Bolkenhain Zedlitz. Da beschloß ersterer, der denselben wieder entdeckt hatte, nachdem er lange Zeit vergessen gewesen war, auf diesem Wege seinen Nachbar zu überfallen. Er ließ also eine starke Schaar seiner Leute ausrücken um scheinbar von Außen einen Sturm auf die Veste Zedlitzens zu unternehmen, er selbst aber an der Spitze einer ziemlichen Anzahl seiner besten Leute stieg hinab in die Tiefe und schlich in dem Gange, der in verschiedenen Windungen bald rechts, bald links führte, immer vorwärts, in der Hoffnung, daß er so zuletzt in die Burg selbst gelangen müsse. Da vernahm er auf einmal Gesang und Saitenspiel vor sich und als er endlich an eine eiserne Thüre gelangte und dieselbe aufbrechen ließ, so fand er in einem schön eingerichteten Gemache ein wunderschönes Mädchen, die er zwar Anfangs für eine Erscheinung aus einer andern Welt nahm, aber bald als die Tochter seines Nachbars, die seit mehr als drei Jahren verschwunden sein sollte, erkannte. Auf sein Befragen, was sie hier mache, erfuhr er, daß ihr eigener Vater sie hier unten versteckt halte, um sie den Nachstellungen des jungen Herzogs von Schweidnitz zu entziehen. Während sie noch mit einander sprachen, öffnete sich plötzlich eine zweite Thüre, und herein stürzte der Ritter Zedlitz mit geschwungenem Schwerte, in der Meinung, der Schweinichen wolle ihm seine Tochter rauben. Nachdem sie einige Minuten auf beiden Seiten tapfer aber unentschieden gekämpft, rief der von Schweinichen seinem Gegner Halt zu und erklärte ihm, weshalb er hierher gekommen sei, von seiner hier eingeschlossenen Tochter habe er jedoch nichts gewußt. Er schlug ihm vor, ihm dieselbe zur Frau zu geben, dadurch werde sie den Nachstellungen des Herzogs entzogen und gleichzeitig auch ihre gegenseitige Fehde und Feindschaft beigelegt; und als der von Zedlitz nach einigem Bedenken dies Anerbieten annahm, endete der Ueberfall durch eine fröhliche Heirath.

53

Die Schweiniche führen aber einen ganzen (silbernen) Eber im rothen Wappenschilde.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 256-257.
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