254. Rechenbergs Knecht.

[276] (S. Büsching's Volkssagen S. 59 etc.)


Hans von Rechenberg, von Windischbohrau, Freiherr zu Schlawa und Wartenberg und Herr zu Freistadt, wo er auch begraben liegt, war ein eben so tapferer als gelehrter und frommer Mann, welches auch sein Briefwechsel mit Doctor Martin Luther beweist. Um die Zeit, als Matthias in Ungarn wider die Türken stritt, fand sich bei ihm ein gemein gekleideter Mensch ein, der sich erbot ihm als Knecht zu dienen. Rechenberg nahm ihn an und behandelte ihn mild und freundlich, wogegen dann auch der Knecht seine Schuldigkeit gern und willig that. Eines Tages gab ihm Rechenberg ein wichtiges Schreiben an einen Fürsten, etliche Meilen weit zu bestellen. Der Knecht machte Anstalt abzureiten, allein als Rechenberg nach Verlauf einer kleinen Stunde in den Stall kam, fand er ihn unter den Pferden auf dem Strohe schlafend. Erschrocken und unwillig weckte er ihn auf und fragte nach der Bestellung. Der Knecht griff bestürzt in den Busen und brachte einen Brief heraus mit den Worten: »Dies ist die Antwort!« Rechenberg erbrach ihn und fand, was er wünschte, aber es war ihm unerklärlich, wie der Knecht in so kurzer Zeit die Bestellung ausgerichtet haben könne.

Nicht lange darauf rückten Feinde in die Nachbarschaft. Rechenberg war Alles daran gelegen, ihre Zahl und Stellung zu erkunden, aber es fand sich Niemand, der es wagen wollte, sie zu besichtigen, als sein treuer Knecht. Dieser ritt getrost fort und kam in Kurzem mit der tröstlichsten Nachricht wieder. Da seine Taschen so vollgestopft waren, und klirrten, fragte der Herr, »was er darin habe?« Und siehe da, der schlaue Knecht hatte allen Pferden der Feinde die halben Hufeisen weggerissen und die Feinde dadurch gehindert ihm nachzukommen.[276]

Diese und ähnliche Streiche machten, daß Rechenberg immer aufmerksamer auf diesen Knecht ward, und als er ihn eines Tages vornahm und nach seiner Herkunft und Absicht fragte, da erhob sich dieser sonst gemeine Mensch mit einer überraschenden Größe und Feierlichkeit und sprach: »Herr, der Herr aller Herren hat Euch zeigen wollen, wie sehr es ihm wohlgefällt, wenn die Herren auf Erden ihre Diener und Knechte so gütig und recht behandeln, wie Ihr an mir und andern gethan habt!« Und mit diesen Worten verschwand er. Seitdem sagt man, wenn Jemandem etwas Liebes und Gutes von unbekannter Hand geschieht, »das hat Rechenbergs Knecht gethan.«

Andere erzählen freilich, es sei dieser Knecht ein böser Geist gewesen, der bei einem Edelmann gedient, der Wegelagerung trieb und viele böse Streiche verübte. Einstmals nun, als sein Herr über Land gewesen war, hat er ihm sein Leibroß auf den Wartthurm geführt, viele Stiegen hoch, und als nun der Edelmann nach Hause gekommen ist, hat das Pferd ihn gewittert, seinen Kopf oben zur Luke herausgesteckt und ihm entgegengewiehert, worauf man es an langen Stricken hat herunterlassen müssen.

Ein anderes Mal hat derselbe Edelmann auf den Tod gesessen um eines Todtschlags willen, da hat er den Knecht gerufen, er möge ihn doch freimachen, und der hat erwidert, das sei freilich ein schweres Stück Arbeit, doch wolle er es thun, nur möge er nicht so viel in der Luft mit den Händen herumfechten und Schirmkreuze schlagen. Das hat der Edelmann auch versprochen und der Knecht hat ihn nun durch die Luft davon getragen. Als aber der Ritter sich so hoch in der Luft sah, da ward es ihm schwindlig, er bekreuzte sich also und rief: »Herr Jesus, hilf!« Da ließ ihn der Knecht in einen Wasserpfuhl fallen, kehrte heim und sagte es der Frau des Edelmanns, wo sie ihn finden könne. Da hat sie hingeschickt, ihn herauszuziehen und heimzuholen, der Knecht aber hat sich von Stund an nicht wiedersehen lassen.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 276-277.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Sagenbuch des Preußischen Staats
Sagenbuch des Preußischen Staats: Erster Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Zweiter Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Erster Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Zweiter Band