385. Herzog Wallenstein vor Stralsund.

[444] (S. Lappe a.a.O. S. 39 etc.)


Bekanntlich soll der Herzog von Friedland, Wallenstein, mit dem Plan umgegangen sein, sich an der Ostsee ein eigenes Reich zu stiften, in welchem er, unabhängig von Kaiser und Reich, als ein König herrschen könne. Nun paßte ihm zu diesem Zwecke die Stadt Stralsund ihres Reichthums und ihrer Lage wegen vorzüglich und er suchte erst durch List sie dahin zu bringen, daß sie einige seiner Regimenter in ihren Mauern aufnehmen möchte. Allein die Bürger durchschauten seine Ränke und ließen sich nicht darauf ein, er zog also mit einer großen Kriegsmacht gegen sie und vermaß sich hoch und theuer, daß von der Stadt Stralsund nichts übrig bleiben solle, möge es ihm auch hunderttausend Menschen und sein eigenes Leben kosten, er müsse sie haben, wenn sie auch mit Ketten an den Himmel geschlossen sei. Am 27. Juni 1628 ließ er Sturm gegen die Stadt laufen, allein diese hatte Hilfe von den Schweden und Dänen bekommen und so ward derselbe glücklich abgeschlagen. Dies hinderte ihn jedoch nicht, die Stadt eng einzuschließen und ihr hart mit seinen Geschützen zuzusetzen, allein die Belagerten antworteten[444] ebenfalls nach Kräften und als der Herzog eines Tages in seinem Zelte, welches im Hainholze unter einer Eiche errichtet war, mitten unter seinen Generalen saß und gerade ein Glas voll Wein zum Munde führen wollte, kam auf einmal eine Paßkugel aus der Stadt geflogen, welche das Glas traf und es ihm in tausend Stücken vor dem Munde zerschlug. Der abergläubische Mann hielt dies für eine Warnung des Schicksals, sein Glück hier nicht weiter aufs Spiel zu setzen, brach sein Lager ab und zog nach Mecklenburg zurück. Die Eiche, unter welcher sein Zelt aufgeschlagen war, steht noch und ein Stein erinnert dort an die Begebenheit. Hier wird alljährlich am 24. Julius, als an dem Tage, wo Wallenstein abzog, das sogenannte Wallensteinfest gefeiert und dabei wacker von den Jünglingen und Jungfrauen Stralsunds getanzt.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 444-445.
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