425. Das Maitagshorn bei Rönneby.

[461] In der Nähe von Rönneby lebte ein Gutsbesitzer, dem die Hexen in der Walpurgisnacht seine Felder und Gehöfte dermaßen verwüsteten, daß endlich ein getreuer Knecht beschloß, diesem Unfug ein Ende zu machen. Zu diesem Zweck ritt er in der Mainacht an den Ort, wo sie sich zu versammeln pflegten, und fand sie dort um einen großen Marmorstein, der auf vier goldenen Säulen ruhte, versammelt, und auf dem Steine lag ein wundersam geformtes Horn. Die Hexen ließen sich Speise und Trank schmecken und boten ihm auch davon an, allein er fand dort einen seiner Mitknechte, der ihn warnte, er solle nichts trinken, denn man wolle ihn vergiften. Darum schlug er das dargebotene Getränk aus, griff schnell nach dem Horn und sprengte im schnellsten Galopp dem Gehöfte seines Herrn zu, der alle Thüren und Thore hatte öffnen lassen, um allen Aufenthalt zu vermeiden, und wie gewaltig die Hexen hinter ihm herjagten, sie konnten ihn doch nicht mehr einholen. Andern Tags nun, als er seinem Herrn das Horn gebracht hatte, ließ sich ein feingekleideter Herr bei diesem melden, und bat ihn, er möge ihm das Horn zurückgeben, wogegen er ihm versprach, seine Besitzung mit einer sieben Fuß hohen Mauer zu umgeben; im Falle er sich weigere, drohte er ihm, daß sein Gehöfte dreimal abbrennen solle und das gerade, wenn er sich am reichsten dünke. Darauf ging er fort und gewährte dem Edelmann drei Tage Bedenkzeit; dieser aber gab das Horn nicht zurück. Kaum jedoch hatte er die nächste Ernte unter Dach gebracht, so stand sein Gehöfte in Flammen, und so ging es ihm zum zweiten und dritten Male, so daß er[461] zuletzt gänzlich verarmte. Der König aber, zu dem das Gerücht davon drang, beschenkte ihn so reich, daß er sich neu anbauen konnte, und nun schickte man das Horn überall umher, um zu erkunden, woher es komme; ja sogar bis nach Constantinopel ging es, ob es vielleicht den Türken gehöre; wo es sich aber jetzt befinde, wußte der Erzähler, der ein Schwede aber in Swinemünde ansäßig war, auch nicht.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 461-462.
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