742. Die Heiligenkreuzlinde am Hohenzollern.

[667] (S. Barth, Hohenzoll. Chronik S. 149 etc. Poetisch behandelt v.L. Egler, Aus der Vorzeit Hohenzollerns. Sagen u. Erzählungen. Sigmaringen [1861] in 80. S. 86 etc.)


Als Graf Friedrich der Aeltere auf dem Hohenzollern wohnte, geschah es, daß derselbe ein Armbrustschießen veranstaltete, zu dem er aus nah und fern eine Menge Ritter einlud. Den Siegespreis sollte seine schöne Tochter Adelheid, welche sich allerdings dem Herrn verlobt hatte, dem besten Schützen reichen. Nun hatte aber der Graf einen Hofjunker, Namens Berthold von Mildenstein (nach Andern hieß er Wilhelm von Hohenberg), welcher im Geheim in die Tochter seines Herrn verliebt war. Derselbe hätte nun gar zu gern am andern Tage als Sieger vor ihr geknieet und den Dank aus ihren schönen Händen empfangen, allein hierzu war keine Aussicht, denn er verstand besser mit der Harfe als der Armbrust umzugehen. Kummervoll wanderte er also am Abend durch den finstern Wald, als auf einmal ein Mann in einem rothen Mantel vor ihm stand. Derselbe fragte ihn in mitleidigem Tone, was ihm fehle, und als den Junker ein geheimes Grauen vor dem Fremden anwandelte und er nicht antwortete, so sagte ihm dieser frank und frei, er wisse wohl, wo der Schuh ihn drücke, könne ihm auch helfen. Da faßte der Junker sich ein Herz und frug ihn, was er thun solle. Der Rothmantel aber sprach, er solle seinen Bogen nehmen, sich der großen Linde am Fuße des Hohenzollern, in deren Wipfel ein Bildstock mit dem gekreuzigten Erlöser angebracht war, gegenüber aufstellen und dreimal ohne Zagen mit einem und demselben Pfeil auf dasselbe schießen: diesen Pfeil solle er bewahren, denn von Stund an werde derselbe stets das fernste Ziel treffen. Zwar wies der Junker anfangs den höllischen Versucher mit scharfen Worten zurück, allein derselbe reizte ihn durch spöttische Worte so, wußte ihm die Folgen seines Sieges so süß vorzumalen, daß er zuletzt nachgab und das Bubenstück zu thun versprach. Als nun die Mitternachtstunde herankam, da stand auch der Junker mit der Armbrust vor der Linde und das Licht des Mondes bestrahlte hellleuchtend das Crucifix. Schon hob er die Armbrust empor um nach dem Bilde zu schießen, da trat plötzlich aus dem Dickicht ein graues Männlein, fiel ihm in die Arme und hieß ihn einhalten in seinem Frevel und bedenken, was er thun wolle, »er solle lieber ihn zur Zielscheibe nehmen«, meinte er. Der Junker aber stieß ihn erbost mit dem Fuße zur Seite, legte an und traf mit dem ersten Schusse das Christusbild am Haupte, mit demselben Pfeile durchbohrte er dann die Füße desselben und der dritte Schuß traf die Seitenwunden. Aber wehe, als er den Pfeil herausziehen wollte, träufelte Blut heraus und das Bild öffnete die Augen und schaute ihn wunderbar schmerzlich an. Da wollte er fliehen, aber seine Füße konnten sich nicht von der Stelle bewegen, vor ihm öffnete sich die Erde und hervor aus dem Schlunde stieg der Rothmantel und riß hohnlachend den Junker mit sich hinab in das fürchterliche Grab.

Am andern Morgen aber war das Wunder der Nacht, man weiß nicht ob durch eines Menschen Mund, auch schon bekannt und Nonnen kamen in Prozession herauf aus Kloster Gnadenthal und holten auf Befehl des Grafen das[667] Bild um es in ihrem Kloster aufzustellen. Seine Tochter aber nahm den Schleier und betete von Stund an für die Seele des unglücklichen Jünglings. Später aber hat Graf Friedrich von Zollern, genannt der Oettinger, dort im Thale, wo die Linde stand, ein Kirchlein bauen und darin jenes Bild aufstellen lassen. Das ist die Heilig- Kreuz-Kapelle.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 667-668.
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