793. Adolphseck.

[704] (S. Schreiber a.a.O. S. 13 etc. Gottschalk, Ritterburgen Bd. III. S. 173 etc. Poet. beh. b. Henninger Bd. I. S. 229 etc.)


Der deutsche Kaiser Adolph von Nassau stand im Felde gegen den König von Frankreich, der die nach dem Tode Rudolph's von Habsburg im deutschen Reiche entstandenen Wirren benutzen wollte um Unfrieden in demselben anzustiften. Er zog zuerst in den Elsaß um den Bischof von Straßburg zu bekämpfen, der den Franzosen anhing, allein leider ward er in einem Gefechte gegen denselben verwundet und ward deshalb in ein Frauenkloster gebracht um dort Genesung zu finden. Er ward hier von den Nonnen trefflich gepflegt, namentlich von einer jungen Novize, Namens Imagina, allein aus der schönen Pflegerin ward für ihn bald eine Geliebte. Er gestand ihr auch seine Liebe, allein das züchtige Mädchen, die obwohl aus edlem Geschlechte in den Vogesen abstammend doch einsah, daß sie niemals des Kaisers Gattin werden könne, gab ihm keine Antwort und am Abend desselben Tages erschien an ihrer Stelle eine andere Novize, sie selbst ließ sich nicht wieder sehen. So gingen drei Tage hin, am Abend des dritten Tages aber, als schon Alles im Kloster schlief, öffnete sich leise die Thüre seines Gemachs und die schöne Imagina trat herein, eine brennende Kerze in der Hand. Sie sagte: »Gnädiger Herr, der Bischof von Straßburg stellt Euch nach und will Euch diese Nacht hier im Schlosse aufheben lassen; ich komme um Euch einen Weg zur Flucht zu zeigen. Das äußerste Pförtlein des Klostergartens führt in einen Wald und durch den Wald geht ein wenig bekannter Fußpfad bis zum Rhein, den Ihr in einer halben Stunde erreichen könnt. Am Ufer findet sich wohl ein Fischernachen zur Ueberfahrt und den Schlüssel zur Gartenthüre habe ich mir verschafft.« Der Kaiser säumte nicht lange, er hatte nur einen einzigen Knecht bei sich; diesen schickte er auf der Stelle mit mündlichen Aufträgen an die Edlen von Pfirt und Bergheim, welche seine Völker befehligten, und er selbst von seinem treuen Windspiel begleitet folgte seiner Führerin durch den Garten[704] in den Wald. Hier wollte sich Imagina von ihm trennen und in das Kloster zurückkehren, allein der Kaiser bat sie so inständig ihn zu begleiten, daß die Liebe über die Frömmigkeit und das Gewissen den Sieg davontrug, sie warf den Schleier von sich, hüllte sich in den Mantel des Kaisers und folgte ihm an das Ufer des Rheins. Am Ufer stand eine Fischerhütte, für Geld und gute Worte setzte sie der Inhaber derselben über den Rhein und glücklich langte Adolph mit seiner Retterin auf dem jenseitigen Ufer an. Er ließ für sie auch im einsamen Felsthale an der Orde, nicht weit von Schwalbach eine Burg bauen, welcher er den Namen Adolphseck116 gab. Hier lebte er nun ganz der Liebe, bis er genöthigt ward, zur Vertheidigung seiner Würde das Schwert zu ziehen und seinem Gegner Albert von Oesterreich, den Adolphs nächster Vetter, jetzt aber sein grimmigster Feind, der Erzbischof Gerhard von Mainz, aus dem Geschlechte der Eppensteiner als Gegenkaiser aufgestellt hatte, entgegenzugehen. Imagina ließ sich nicht abhalten, ihn in männlichen Kleidern zu begleiten, allein als sie in die Nähe des Klosters Rosenthal bei Worms gekommen waren und die Nähe des feindlichen Heeres für die nächsten Tage eine Schlacht in sichere Aussicht stellte, da brachte sie Adolph doch dahin, inzwischen in jenes Kloster zu gehen und den Ausgang des bevorstehenden Kampfes abzuwarten. Bekanntlich fand die Schlacht auch an jenem Orte statt (1298): leider ließ sich Adolph durch sein Ungestüm allzusehr fortreißen, er fiel umringt von der Uebermacht durch die Hand Alberts und sein Tod zog natürlich den Sieg für seinen Gegner nach sich. Die arme Imagina lag den ganzen Tag über in der Klosterkirche auf den Knieen und betete zu Gott, er möge ihrem geliebten Adolph den Sieg verleihen. Siehe da sprang spät am Abend auf einmal das treue Windspiel des Kaisers, welches ihn auch in die Schlacht begleitet hatte, zur Kirchthüre herein, zerrte die Beterin am Gewande, lief dann gegen die Thür und immer wieder hin und zurück, indem es erbärmlich winselte. Imagina ahnte nichts Gutes, machte sich auf und folgte dem voraneilenden Thiere, welches sie mitten aufs Schlachtfeld zur Leiche seines Herrn führte. Hier lag derselbe mit blutigen Locken und bleichem Antlitz mitten unter vielen Erschlagenen. Sie warf sich in namenlosem Jammer auf die Leiche und verließ dieselbe nicht eher, als bis sie am nächsten Tage eine Ruhestätte im Kloster Rosenthal fand, sie selbst aber nahm von diesem Augenblicke an weder Speise noch Trank zu sich und nach einigen Tagen fand man sie eines Morgens todt ausgestreckt auf Adolphs Grabe liegen. Der rachsüchtige Albert, der Alles, was Adolph lieb und theuer gewesen war, vernichtete, zerstörte 1302 auch Adolphseck, es ward zwar später wieder aufgebaut (1356 durch den Grafen Adolph II. von Nassau-Idstein unter dem Namen Valckenhain), aber seit 1615 verfiel es und heute sind nur seine Ruinen noch übrig.

116

Eine alte Steininschrift in der Burg lautet so: »Kaiser Adolphus der alte Geck | Baut seiner Dirne ein Schloß an der Eck.« Eine zweite ist dunkler: »Wenn Sünd nit hatte Sünden Namen | Wollt ich mich doch der Sünden schamen.«

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 704-705.
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