898. Der letzte Bielsteiner.

[772] (S. Landau, Hess. Ritterburgen Bd. I. S. 17 etc.)


An dem östlichen Fuße des Meißners breitet sich zwischen den Ufern der Werra und den Dörfern Albungen, Hitzerode, Frankershausen und Wellingerode[772] das enge, romantische Höllenthal aus, in dessen Mitte auf einer steilen Felsenkuppe die letzten Reste der alten Burg Bielstein herabblicken. Die Besitzer dieser Burg, die Grafen von Bielstein, die ihren Namen von Biel, einem Gotte der alten Germanen herleiten, kommen als solche schon 966 vor. Angeblich ist dieses Geschlecht, als dessen letzter Träger um 1301 ein gewisser Otto genannt wird, auf folgende Weise erloschen. Der letzte Graf kam mit mehreren seiner Nachbarn in Fehde; stark gerüstet zogen diese vor den Bielstein, doch alle ihre Angriffe wurden abgeschlagen, da sie die schroffen Felsen des Burgberges nicht zu ersteigen vermochten. Da entschlossen sie sich, die Burg eng einzuschließen und ihren Feind durch Hunger zur Ergebung zu zwingen. Doch auch dieses schien ihnen nicht zu gelingen; denn schon war eine geraume Zeit verflossen und ihre Ungeduld hatte den höchsten Grad erreicht. Endlich machten sie die Entdeckung, daß der am Fuße des Bielberges wohnende Müller das Schloß durch einen verborgenen Gang mit Lebensmitteln versorge. Schnell wurde diesem seine Beschäftigung gelegt. Bald waren nun die Vorräthe aufgezehrt und dem Grafen blieb nur die Wahl zwischen Ergebung und dem Hungertode. Doch er kannte noch ein drittes Auskunftsmittel, zu dem ihn freilich nur übertriebener Stolz oder die höchste feindliche Erbitterung vermocht haben konnte. Kühn bestieg er mit Weib und Kind einen mit wilden Rossen bespannten Wagen und stürzte sich von der Höhe des Burgberges hinab in die gräßliche Tiefe.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 772-773.
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