980. Die Meerfrau im Kolk zu Icker.

[821] (Nach Sudendorf a.a.O. S. 257, bei Kuhn a.a.O. Bd. I. S. 54.)


Zu Icker giebt es auch einen ähnlichen Kolk oder See, mit einer schwimmenden Insel, der im Jahre 1411 durch einen Erdfall entstanden152 ist. Davon giebt es folgende Sage:[821]

Auf dem Kolk zu Icker schwimmt mitten auf dem Wasser eine mit Bäumen und Gras bewachsene Insel, auf dieser pflegen die Meerweiber, die unten auf dem Grunde des Kolk wohnen, sich mit ihren Kindern zu belustigen, zuweilen kommen sie aber auch ans Ufer zu demselben Zwecke. Nun liegt hier ganz in der Nähe der Hof Hanfeild, eines Tages kommt nun der Besitzer desselben herab zum Kolk um Fische zu fangen und findet am Ufer einen kleinen Jungen, der am ganzen Leibe rauh war wie eine Rüde. Er nahm ihn mit nach Hause und legte ihn dort unter die Ofenbank und hier blieb er nun den ganzen Tag über liegen. Als es Nacht ward, da kam die alte Meerfrau, rief ihr Kind nach der Hecke, welche das Haus umgab, und gab demselben durch diese durch zu trinken und sagte immer dazu: »Trink, mein Kindchen, trink!« So machte sie es alle Nächte; als nun aber das Kind größer ward, dachten die Bauern, sie würden der Mutter einen Gefallen thun, wenn sie das Kind scheerten, damit man ihm ordentliche Kleider anziehen könne. So thaten sie auch, schoren das Kind, aber nur zur Hälfte. Wie es nun wieder Nacht ward, da kam die alte Meerfrau, nahm ihr Kind mit fort und sagte: »Sau as ji myn Kiind hebt schuoren | Is jue Glück un Stye verluoren«, und bis ins siebente Glied hat Hanfeild's Hof immer nur Unglück getroffen.

152

Ein zweiter entstand daneben am 22. April 1782.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 821-822.
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