1067. Die Wahrzeichen der Stadt Hannover.

[871] (S. Andreä, Chronik von Hannover. Hildesheim 1859, S. 81, 131. von Spilcker, Histor. topogr. Beschreibung von Hannover. Hannover 1819, S. 472, 484.)


Als Wahrzeichen der Stadt gelten zwei große Steine in dem Straßenpflaster, der eine lag als Grenzzeichen sonst vor der ehemaligen Bürgerwache auf der Steinthorstraße in der Mitte des Fahrwegs, befindet sich aber jetzt inmitten zweier anderer fast gleich großen Steine am Ausgang der Straße gegenüber dem Putzladenfenster. Der andere befindet sich auf der Knochenhauer- und Kramerstraßen-Ecke vor Nr. 37 und ist dadurch bemerkenswerth, daß der auf demselben Stehende alle 4 Kirchthürme der Stadt sehen kann. Ein zweites ist der unvollendet gebliebene Thurm der Marktkirche, weil er von den Freimaurern erbaut worden ist, wie man aus seiner mysteriösen Form sieht. Er ist ein hohes gemauertes Viereck, welches sich in vier dreieckigen Spitzen endigt und dann noch einen zweiten kleinern Thurm trägt. Von den vier dreieckigen Spitzen des Hauptthurms enthalten drei jeder einen colossalen Kreis. Im Westen ist die dreieckige Fläche ganz dunkel und ohne Abzeichen außer dem Zifferblatte, das in neuern Zeiten dahin gesetzt ist. Im Süden und Norden enthalten die die Uhr-Zifferblätter umfassenden Kreise jeder ein doppeltes Dreieck oder ein cabbalistisches Sechseck und im Osten steht im hellen Kreise ein roth ausgemauertes Pythagoräisches Fünfeck, sonst auch Drudenfuß genannt, welches man zum Schutze des Viehes ehemals[871] in der Walpurgisnacht an vielen Orten in Deutschland mit Kreide an die Ställe zu zeichnen pflegte. Ueber den Kreisen ist in jeder Spitze ein großes Kreuz eingemauert und unter jedem Kreise sieht man noch zwei kleine Kreise, von denen der eine immer ein Kreuz, der andere die Figur eines Ypsilons trägt. Im Süden ist ein Sonnenzeiger, der außer der Jahreszahl 1555 die Buchstaben H.B.A.S. und zwischen ihnen die Figur eines Ypsilons und über einander liegend ein Winkelmaß und eine Maurer-Richtwage enthält. Auf den Seiten des dreieckigen Giebels an der Westseite des Thurmes stehen zwei Statüen auf Säulen, rechts die des h. Georg, der den Lindwurm tödtet und auf dem Schilde das Tempelherrnkreuz trägt, links die des h. Jacob im Pilgerkleide. Dieser trägt auf der rechten Brust einen Anker, auf den er mit dem ausgestreckten Zeigefinger seiner linken, auf dem Herzen ruhenden Hand deutet. Ferner bezieht sich eben darauf die beim Hochaltar stehende große aus Holz sauber geschnitzte Schüssel mit dem blutenden Kopfe des Johannes. Sie ist mit lebendigen Farben angestrichen und zeigt auf dem breiten Schüsselrande in Mönchsschrift und goldenen Buchstaben die Worte: »Baptista sanctus Johannes.« Ein viertes Wahrzeichen ist das etwas verstümmelte Basrelief172 in dem Kranze über der Thür zwischen den beiden Stockwerken des Rathhauses in der Altstadt. Es stellt zwei Männer vor, die auf Händen und Knieen einander gegenüber liegen und durch einen in den Hals geknüpften Gürtel in dieser Stellung gehalten werden, ihre Hintern sind entblößt, hinter einem steht ein Gassenjunge mit herausgestreckter Zunge, hinter dem andern seine Frau. Es soll damit die schimpfliche Strafe des Luderziehens gemeint sein. Früher stand auf einem Brunnen vor dem Rathhause noch ein Aktäon mit vergoldeten Geweihen, der angeblich eine Beziehung auf dieses Bild gehabt haben soll, was aber nicht sehr wahrscheinlich ist.

Sonst rechnete man noch das unter dem Namen des Broyhan berühmt gewordene Bier hinzu, welches am Dienstag nach Trinitatis von Curt Broyhan aus Stöcken, der längere Zeit Brauknecht in Hamburg gewesen war, erfunden († 1570) und zuerst auf der Leinstraße im zweiten Hause von der Dammstraße, damals dem Patrizier Hans von Soden zugehörig, an derselben Stelle, wo jetzt der Residenzpalast steht, gebraut worden ist.

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Abgeb. im Neuen Vaterl. Archiv Bd. IV. S. 103 etc.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 871-872.
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