1087. Der Ursprung des goldenen Domthurms zu Hildesheim.

[889] (Nach Elbers, Histor. Chronik von Hildesheim bei Seifert I. S. 66 etc.)


Herzog Magnus von Braunschweig fiel im Jahre 1367 mit einem großen Heere und mächtigen Bundesgenossen in das Stift Hildesheim und verheerte das ganze Land aufs Furchtbarste. Da sammelte der Bischof Gerhard seine streitbaren Männer um sich und zog auf sein Recht und die heil. Jungfrau vertrauend muthig dem bei weitem überlegenen feindlichen Heere entgegen. »O, heilige Jungfrau«, rief der Bischof als er an der Spitze seiner Mannen einherzog, »heute kommt es auf Dich an, ob Du unter einem Strohdache oder unter einem goldenen Dache wohnen willst; siegen die Feinde, so werden sie den Wohlstand der Stadt und der Kirche vernichten und wir werden nicht mehr die Mittel haben, Deinen Tempel würdig zu schmücken, giebst Du uns aber den Sieg, so fällt großes Gut in unsere Hände, und dann sollst Du unter einem goldenen Dache wohnen!« – Als nun die Truppen des Bischofs in der Gegend von Dinclar den übermächtigen Feind in seiner Siegesgewißheit jubelnd heranrücken sahen, da wurden Viele verzagt, aber Gerhard richtete ihren Muth wieder auf und rief, indem er seinen linken Aermel schüttelte: »Lieben Leute trauert nicht, hier habe ich noch tausend Mann in meinem Aermel!« Der Bischof hatte nämlich das größte Heiligthum der Stadt, das von Ludwig dem Dome vermachte Reliquiengefäß in seinem Aermel. – Nach diesen Worten ihres Führers waren die Krieger gewiß, daß die Hilfe der heiligen Jungfrau mit ihnen war, gewaltig andrängend setzte das kleine Häuflein in den mächtigen Feind und nach kurzem Kampfe bedeckten 1500 Feinde, unter ihnen viele Ritter und Edele die Wahlstatt. Was von den Feinden noch auf den Beinen war, suchte sein Heil in der Flucht und das ganze Lager fiel mit seinen Schätzen in die Hände der Hildesheimer. Von diesem Gute nun ließ der Bischof, seinem Gelübde getreu, das goldene Dach machen, welches noch heute den östlichen Domthurm schmückt.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 889.
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