1160. Das Kreuz zwischen Heidenhoff und Soltau.

[936] (S. Firmenich a.a.O. S. 207.)


Zwischen Heidenhoff und Soltau in der Lüneburger Heide steht ein hölzernes Kreuz, von dem folgende Sage geht.

Vor hundert Jahren lebte in Heidenhoff ein frommer Mensch mit Namen Stähr. Weil er aber so fromm war, so gab es viele Leute, die deswegen neidisch waren und ihm auf alle Weise zu Leibe wollten. Er aber kümmerte sich wenig darum, schalt die Leute aus und sagte bei allem, was er anfing, ihnen zum Trotz »mit Gottes Hilfe«, wobei sie sich allemal ärgerten. Als er nun gestorben war, da kamen viele Menschen aus der Umgegend, die ihn gekannt hatten, zusammen um mit zu Grabe zu gehen. Nun war es aber damals Gebrauch, daß die Todten vom platten Lande nicht wie heutigen Tages nach dem Kirchhofe gefahren, sondern getragen wurden. An dem Tage aber, wo man Stähr nach Soltau zum Begraben brachte und als die Leute dabei unterwegs waren, fing es so stark an zu regnen, daß die Träger den Sarg niedersetzen mußten, um sich auszuruhen und zu erholen. Da fing einer aus dem Leichengefolge aus Langeweile an zu sagen: »mit Gottes Hilfe sagte Stähr« und als er dies gesagt hatte, da antwortete Stähr aus dem Sarge heraus: »So ist es gewesen und so ist es noch!« Darüber erschracken die Leute ganz außerordentlich und meinten, Stähr sei wieder lebendig geworden. Als man aber den Sarg öffnete, da lag er ganz still drinnen und war und blieb todt. Alle aber, die diese Geschichte mit ansahen, glaubten, Stähr sei wirklich ein sehr frommer Mensch gewesen und selig geworden, weil Gottes Stimme aus seinem Leichnam erscholl. Die Bauern zu Heidenhoff ließen aus Andacht an der Stelle, wo Stähr aus dem Sarge geredet hatte, ein hölzernes Kreuz aufrichten, auf welchem diese Begebenheit beschrieben ist.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 936.
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