1246. Die Zwerge im Kampfe mit den Riesen auf Sylt.

[1016] (S. Hansen a.a.O. S. 162 etc.)


Als die Unterirdischen des Meermannes los waren, sammelte Finn in der folgenden Nacht all sein Volk und seine Freunde um sich bei dem Erhebungshügel. Es war ein schönes Mondschein-Wetter, aber ein dichter Nebel lag auf der ganzen Heide; blos die schwarzen Hügel ragten wie Eilande oder Klippen aus dem Nebel hervor. Die Zwerge hatten es den ganzen Tag so eilig gehabt, wie die Ameisen, wenn sie einander zusagen, wo sie hin wollen oder sich sammeln sollen; sie waren gelaufen über die Heide wie die Wetterkatzen. Als es Nacht wurde, war es wie ein Bienenschwarm auf dem Reisehügel. Da waren Finn und Elfinn, Eske und Labbe, Habje und Pilatje, die Puken und Thalmännchen, die Nissen und Klabautermänner, jeder mit seinem Haufen von Sylt. Sie schnatterten und schwatzten, als wenn die Enten zu Markt sind im Keitumer Hafen, oder als wenn die Rottgänse Thing halten in Börthing (einem Wattstrom im Osten von Keitum). Und binnen in dem Hügel war es so voll von Zwergweibern wie in Jemschens Ofen, als siebenhundert Mäuse daselbst Wochen lagen.

Als das Geschnatter und Gewäsche in und auf dem Hügel kein Ende nehmen wollte, da blies Finn beide Backen auf und rief mit grober Stimme: »Erhebet Euch!« – »Erheben, erheben!« antwortete ihm sofort Vieler Mund. – Nun wurde alles still. Finn sprach: »Der Meermann hat uns viel Verdruß gemacht, der Sadrach plagt ihn. Er war von seinem alten Weibe weggelaufen, hatte den Schiffer von Rantum todt gemacht, um dessen Wittwe[1016] zu freien, aber hatte dummes Zeug geschwatzt und von der Tochter des Schiffers ein blaues Schien (einen Korb) erhalten. Da meinte er, sein Glück bei uns zu machen, kroch in die Haut eines Zwerges, dachte, sich in dem Ennenhügel einzufreien und wollte Akel Dakel Dummeldeis Braut verführen; aber da bekam er kurzen Bescheid. Enken jagte ihn schnell von der Thüre weg. Darauf findet er eine nackte Jungfrau von den Verwandten meiner Frau in dem Haff bei dem weißen Kliff und wollte die mit Gewalt haben. Das arme Mädchen konnte nicht loskommen von ihm, mußte ihm versprechen, daß sie seine Braut sein wolle, so lange als er es verschweigen könne. Allein der Dummkopf verrieth sich bald mit seinem Singsang, sich und uns allen zum Schaden, zum Schimpf und zur Schande, denn seit der Zeit sind die Braderuper und alle Kämpfer auf ganz Sylt böse auf uns. Sie wollen uns nichts mehr leihen und nichts mehr geben als todte Hunde und Katzen. Sie lassen uns nirgends in Frieden und schlagen uns überall, wo wir uns sehen lassen. Den Sesselstein haben wir verloren, den hat Meermann fortgetragen. Ich bin jetzt kein König mehr. Was wollen wir nun anfangen?« – – »Ihr antwortet wie Bundes Dörte, die sagte: Nichts! – Ich sage: Reise! (Wir müssen uns ermannen, uns erheben).« – »Reise, Reise!« rief nun die ganze Versammlung. – Ich sage: »Wir müssen unsere Messer und Zähne wetzen und unsere Aexte und Hämmer wieder aufgraben und dann kämpfen wie die Flöhe!« – »Kämpfen wie die Flöhe!« riefen Alle nach. »Wir sammeln uns morgen bei den Stapelhügeln!« wiederholte die Menge. – Nun gingen die Unterirdischen auseinander, jeder heimwärts nach seinem Hause um sich zu rüsten zum Kriege.

In derselben Nacht hatte auch Dorret keine Ruhe. Es verdroß sie, daß Unfrieden über sie gekommen war. Am Morgen vor Tagesanbruch, als alle Zwerge schliefen, schlich sie sich leise hinaus über die Heide nach dem Reisehügel, denn die Braderuper hatten wohl gemerkt, daß die Zwerge in der Nacht so gelaufen und laut gewesen waren auf ihren Fußsteigen draußen nach dem Hügel. Als Dorret bei dem Hügel ankam, war alles still. Sie legte sich nieder mit dem Ohr auf die Thürschwelle und horchte. Da hörte sie, daß Finn's Frau wachend war und ihr Kindchen wiegte. Die Zwergfrau sang über der Wiege:


In der Syltersprache:

»Heia hei!

»Heia hei!

Das Kind ist mein.

Dit Jungen es min.

Morgen kommt sein Vater Finn

Miaren kumt sin Faader Fin

Mit eines Mannes Kopf.

Me en Mann sin Haud.

Heia hei, heia hei!«

Heia hei, heia hei!«


Als Dorret das hörte, dachte sie, es ist hohe Zeit, daß die Sylter Kämpfer geweckt werden. Sie könnten von den Zwergen überfallen und geschlagen werden. Sie lief sogleich nach dem Friedenshügel südwestlich vom Braderuper Licht an. Dieses war in alten Zeiten ein Biiken oder ein Zeichen, wenn es brannte, für die Sylter, daß da Krieg kam. – Es dauerte nicht lange, da wurde getutet, in Hörner geblasen, in Tinnum, in Eidum und in Keitum und ehe es Tag wurde, brannte schon ein Biiken in jedem Dorfe auf Sylt.[1017]

Gleich nach Mittag kamen die Sylter Riesen von Osten, von Süden und Westen gefahren und gegangen. Es waren zu der Zeit ungeheuer große Leute, die Sylter Kämper oder Friesen. Sie waren eben so derb und roh, wie sie lang waren, und Hans Kielholt schrieb, sie wären fünf bis sechs Ellen hoch gewesen. Die meisten hatten sich wunderlich angetakelt und mit wunderlichen Waffen versehen. Einige hatten wollene Kleider wie Filz so dick, einige Pieröcke von getheertem Segeltuch an, aber die meisten trugen einen Pelz von Schaf- oder Robbenfell, und viele hatten blos eine Kuh- oder Pferdehaut übergehängt. Der Seeriese oder König Ring hatte einen vergoldeten Hut (Schraper), ein Ding wie ein umgekehrtes kleines Boot auf dem Kopfe und soll, als er gestorben war, damit in dem großen Ringhügel begraben sein. Der König Bröns fuhr mit seinem Sohn, dem kleinen Bröns, auf einem vergoldeten Wagen. Piar war sein Kutscher, der fuhr ihn von Stedum (welches südlich von Tinnum in dem jetzigen Haff weiland lag) hinauf nach Oewenhoog und Klöwenhoog auf seinem eigenen Lande. Der große Bröns und sein Sohn hatten vollständige Rüstungen, wie es in der Zeit Gebrauch war, z.B. ein eisernes Wams aus lauter Ringen und einen vergoldeten Hut oder Helm mit einem Adler auf dem Kopf. Der Bramm von Keitum war von ihrer Freundschaft. Er war der, wie man sagte, welcher die Hosen anhatte, und war gewaltig stolz darauf. Er war der Rathgeber des Königs und hatte vergoldete Knöpfe auf seinem Rock, so groß wie Austern. (Er und seine Familie liegen jetzt in den Brammhügeln begraben.) Der Bull von Morsum hatte ein Kuhfell mit goldenen Hörnern übergehängt, die Hörner ragten über seinem Kopf hervor. (Sein Grab, der Bollhügel, wurde 1842 geöffnet, als der König Christian VIII. auf Sylt war, aber die Hörner nicht gefunden.) Der große Urdig hatte einen eisernen Bügel um den Kopf und einen eisernen Flegel in der Hand. (1628 grub man noch einen Hirnschädel auf dem Morsumer Kirchhofe heraus, der mit einem eisernen Bügel versehen war.) Der Schmidt von Morsum, welcher immer durstig war, hatte eine Tonne Bier auf dem Rücken, aber er wollte es nicht wissen, daß etwas darin war und nannte die Tonne seine Trommel. Wenn er meinte, daß die Andern es nicht sähen, dann nahm er sich einen Schluck aus der Tonne; aber die Andern wurden es bald gewahr und fluchten, Niß Schmidt sollte vorangehen und sie wollten bei der Trommel bleiben. (Es wird noch oft geflucht: »Bei der Trommel!« auf Sylt seit der Zeit.) Tjül von Archsum war ein Bauer und so breit wie ein Fuder Heu. Er war gefahren und hatte seine Scheunenthür mit auf dem Wagen. Er sagte: »Die ist nützlich, wenn ich in die Schlacht komme, dann halte ich sie vor mir auf und dann können die Feinde mich nicht treffen, und kommen sie mir etwas nahe, so kann ich ein Stieg zugleich damit quetschen.« (Tjüls Land und Staven kennt man noch im Süden von Archsum.) Der große Eber von Stedum war Stallknecht bei dem König Bröns, er hatte einen Strick um den Hals und einen Heubaum auf dem Rücken. Der Strick war ein Zeichen, daß er diente, und der Heubaum war sein Springstock und seine Waffe. Hauleke hatte eine große Sense und Boh und Boik hatten große Bootshaken in der Hand. Der Aarn (Adler) von Keitum war von königlicher Abkunft und hatte seinen Hut mit Federn geschmückt. (Man weiß noch die Stelle, wo er begraben ist.) Tix und Thör waren von Tinnum. Tix war der Schreiber[1018] des Königs Bröns und hatte eine vergoldete Halsbinde, aber Thor war der Narr des Königs und hatte ein Tannenband oder einen Weidenzweig um den Hals, weil er unfrei war.

Die Uuwen (ein Geschlecht) kamen von Osten und die Mannen (ein Geschlecht) von Westen. Barming kam mit einem ganzen Haufen; er war weit in der Welt herum gewesen und hatte gläserne Töpfe von der mittelländischen See mitgebracht. Er wohnte in Eidum. (Vor einigen Jahren hatte Henning Rinken noch eine gläserne Urne, die aus den Barming-Hügeln aufgegraben war, aber er verkaufte sie 1843 an den König Christian VIII.) Niaul und sein Haufen wurden die Westerländer Katzen genannt, weil sie falscher und kleiner als die übrigen Sylter Kämpfer waren. (Ihre Gräber werden stets die Katzhügel genannt. Es sind Töpfe, Dolche und Ringe darin gefunden worden.) Sialle und Kialbing waren Fischer von Eidum. Sialle war in eine Meerschweinhaut eingekrochen, aber hatte den Kopf und den Schwanz sitzen lassen. Der Meerschweinkopf steckte über seinen Kopf herauf und der Schwanz schleppte hinten nach wie ein Schniepel. Er roch wie Aas, aber er meinte, das hätte keine Noth, dann liefen die Zwerge so viel gewisser vor ihm. Kialbing schleppte sich mit einem großen Wallfisch-Kinnbackenknochen und wollte die Nordbewohner damit todtschlagen. Unding und Wirk oder Widerich von Rantum hatten sich ringsum mit getrockneten Rochen umhängt und Jeder einen großen Glattrochen auf dem Rücken. Sie sagten: »Durch diese schießt der Feind nicht, auch brauchen wir nicht des Hungers zu sterben, wenn die Schlacht etwas lange währet.« Sie hatten Fischgabeln in den Händen. Die meisten der Sylter Riesen hatten kupferne (bronzene) oder eiserne Schwerter und Beile oder Streithämmer, auch von Metall, mit; aber diejenigen, welche gut schießen konnten und leicht zu Fuß waren, hatten Flitzbogen oder Armbrüste mit Pfeilen von Holz oder Fischbein und Bolzen von Kupfer oder Eisen.

Sie zogen allesammt nach den Thinghügeln auf der Tinnum-Heide, wo immer Thing gehalten wurde im Frühjahr und im Herbste. Da kam das Volk mit seinen Rathleuten und dem Könige zusammen, um sich zu berathschlagen über des Landes Bestes, um Willküren zu machen und Recht zu sprechen über die, welche Unrecht gethan hatten.

Als die Sylter Riesen versammelt waren, trat der König Bröns auf den größten der Thinghügel und rief: »Euer Heil (Wohl) allesammt!« – »Euer auch!« riefen die Riesen. »Sind Fremde unter Euch?« fragte Bröns. »Hier sind Jeß und Jasper von Braderup!« antwortete der Schreiber. »Wi sin och Siljringer!« rief Jasper. »Das klingt etwas dänisch«, sagte Bramm, »das müssen wir näher untersuchen. Sag mal: da liegen drei neugelegte Kiebitzeier in einem Nest auf Rans-Ecke«. Jeß sagt: »Dar liegen drei nü Hüüser op aä Heed, o dem sin albisammen bestjahlen von die Unterjordisken.« – »Das hast Du klug gemacht«, sprach Bröns, »darauf kommt's eben an. Probire Du das auch, Jasper.« Jasper sagte: »Där liegt ein Wief i Barsel me tree Jungen i een Huus i Brarop, aa de sin min Wief, ä skall su Hjem, aa passe op, at de tree lilje Siljringer nicht bliewen stjahlen, wenn I nicht will kommen, om su hjelpen mir.« – »Das war noch besser«, sprach der König. »Was haben die Zwerge Euch denn gestohlen?« fragt Bröns. »Finn han hat min Tjenstmädchen stjalen,[1019] o su sein Wief nommen, aa Ekke han wollte min Schwester Dorret verföhren, men han sik (bekam) en Katt, ä narrte ihn«, sagt Jeß. »Aa mich haben die Rackers Pack Lammer aa Skinken nommen«, antwortete Jasper. »Da haltet Ihr nicht mit den Zwergen, wollt Ihr denn mit uns, um sie todt zu schlagen?« sprach der Rathgeber des Königs. »Ja, min Seel, de skall bekommen en pienlich Dodt!« antworteten sie Beide. »Das ist gut«, sprach der König, »habt Ihr andern etwas zu klagen über die Unterirdischen?« – »Ja«, antwortete Niß Schmidt, »sie saufen mein Bier aus in meinem Keller.« – »Sie wollten mir mein Weib stehlen« rief Tipchen, der Hahn von Keitum, »aber ich ertappte sie, und zwang sie, mir dieselbe wiederzugeben.« – »Schreibe das alles auf«, sagte der König zu Tix. »Stop! das auch, sie haben mir ein Kind verwechselt«, sprach Manne von Eidum. »Sie melken unsere Kühe und machen, daß wir nur Hexenbutter erhalten«, klagten die Tinnumer. »Sie laufen mir immer um die Füße und treten mich auf die Fersen, wenn ich über die Heide gehe«, rief der große sternblinde Erk Nickels von Keitum. »Da sind Klagen genug über die Unterirdischen, wir müssen sie strafen. Wir müssen fechten mit ihnen und sie allzumal aus dem Lande ausrotten«, sprach der König. Die Sylter begannen darauf greulich zu fluchen und zu schimpfen und wählten sich als Anführer zum Kriege den Bull von Morsum, den Adler von Keitum und den Ring von Eidum zu Offizieren, Niß Schmidt mußte vorangehen mit der Trommel und Jasper auch, um den Weg zu weisen. Er bekam einen Stock mit einer todten Krähe darauf in die Hand und trug dieselbe vor sich her hoch in der Luft, damit die Andern ihm stets folgen konnten, wenn sie dieselbe sähen. Nun zogen die Sylter Krieger nordwärts über die Heide, immer nordwärts, als sie aber dorthin kamen, wo jetzt der Sylter Leuchtthurm steht, kamen die Zwerge ihnen entgegen. Anfangs waren sie sehr froh, als sie sahen, daß die Feinde kein Kreuz als Zeichen vorantrugen, als sie aber die Trommel hörten, Tjül mit einem Scheunenthor und die zwei Rantumer mit ihren Stachelrochen und Glattrochen und Sialle mit seinem Meerschwein sahen und ihnen der Gestank dieser Thiere in die Nase fuhr, da krochen sie schnell in ihre Löcher. Die Sylter ließen nun den großen Hund des Bröns in die Höhlen, um sie herauszutreiben und schossen jeden, der sich sehen ließ, mit Pfeilen und Bogen nieder. Bald aber hatten die Zwerge dem Hunde etwas eingegeben, so daß er crepirte. Die Puken und Zwerge flohen nun von einem Gebüsch zum andern und erstere wurden so verjagt, daß sie sich in einem Thale, das seitdem das Pukthal heißt, in Büschen und Löchern verkrochen, ihr König Nißchen aber lief zu dem König Bröns und warf sich ihm zu Füßen.

Als die Unterirdischen sahen, daß die Pukleute verjagt und ihnen untreu geworden waren, da wurden sie desto tapferer. Sie krochen und sprangen den großen unbeholfenen Riesen unter die Kleider und stachen viele von ihnen mit ihren Messern und schlugen sie mit ihren Aexten von Flintstein todt. So verloren der König Bröns und sein Sohn, sowie der König Nißchen ihr Leben in der Schlacht. Am allerschlimmsten erging es jedoch dem Teufelchen (Tewelken), dem Leibdoctor des Bröns, dem Zauberer von Stedum, die Zwerge begruben ihn lebendig in einem Hügel bei Kampen, der später den Namen Tewelkenhügel bekam und zu den Brönshügeln gezählt wird. Als nun die Riesen sahen, daß ihr König Bröns gefallen war, zogen sie sich[1020] nach tapferer Gegenwehr nach Südwest, nach Riisgap zurück. Da kamen ihnen ihre Weiber mit Töpfen voll heißer Grütze, die sie zur Stärkung für sie gekocht hatten, entgegen, und als sie sahen, daß ihre Männer auf dem Rückzuge waren, wurden sie sehr böse und schleuderten ihre Grütztöpfe den diese verfolgenden Zwergen in die Augen und ins Gesicht, also daß viele davon erblindeten und erstickten. Da faßten sich die Riesen wieder ein Herz und kamen zum Stehen und schlugen nun so grimmig auf die Unterirdischen ein, daß, ehe die Nacht kam, alle Zwerge todt lagen auf der Heide rings um das Affenthal und den Teich, welcher seinen Abfluß durch das Riisgap nach Südwest hat. Blos der Zwergkönig Finn lebte noch, aber er saß und weinte auf dem Sesselstein, den er hier wiedergefunden, gerade als er die Schlacht verloren hatte. Er wollte nicht sein Volk und Reich überleben, er nahm sein steinernes Messer und stieß sich selber todt, gerade als die Sonne untergegangen war. Der Seekönig Ring war verwundet worden und starb ein wenig südlicher, ehe er wieder nach seinem Hause in Eidum zurückkommen konnte, unterwegs. Auch Sialle blieb eben zu Norden von Eidum liegen und wurde in einem kleinen Hügel, dem sogenannten Siallehügel, begraben. Ebenso erging es dem großen Erck Nickels auf der Heide im Norden von Keitum.

Am Tage nach der Schlacht gingen aber die Sylter alle Mann wieder nach dem Norden, um ihre Todten zu begraben. Die Leichname wurden verbrannt und ihre Asche in Töpfe gethan und nebst ihren Waffen meist da begraben, wo jeder gefallen war. Wer am meisten Asche gehabt hatte, bekam auch das größte Grab. Das des Königs Bröns wurde ein ganzer Berg von 26 Fuß Höhe und 400 Fuß Umfang. Dieser ist noch zu sehen und heißt der große Brönshügel. Er steht dicht bei dem Leuchtthurm an dessen Südseite. Ein klein wenig westlicher unter dem kleinen Brönshügel liegt sein Sohn begraben. Sein Hund ward unter dem Hundshügel und der Pukkönig Niß in dem sogenannten Nißhügel bestattet, welche beide noch stehen. Das Grab König Ring's, nördlich von Eidum, ist ebenfalls noch zu sehen. Von den übrigen Sylter Kämpfern wurden viele zusammen in den sogenannten Kämper-Gräbern (Riesenbetten oder Bördern) beerdigt, welche etwas nördlicher als der Leuchtthurm liegen. Im Norden der Börder erbauten die Sylter Friesen nach dem Kriege ein Dorf, welches Kamp (vom Kampfe) genannt ward, nicht weit von der Stelle wo sie gesiegt hatten, aber die Stadt Wonstadt oder Wendingstedt, das heutige kleine Dorf Wenningstedt, und als die Bewohner des heutigen Dorfes Braderup aus der Schlacht zurückkehrten und riefen »der Braten ist auf«, so hieß davon seitdem das Dorf Braderup. Finn, sein Weib und seine Kinder sollen südöstlich von Wenningstedt in dem sogenannten Stippelstiin-Hügel oder in dem Stiinbörd begraben liegen.

So waren die Sylter im Allgemeinen die Unterirdischen los geworden, nur allein Niß Schmidt in Morsum klagte noch immer, daß ihm die Zwerge sein Bier austränken. Wahrscheinlich waren diejenigen Zwerge, welche früher auf der Morsumer Heide gewohnt hatten, nach der Niederlage ihrer Brüder auf der Norderheide in sein Haus geflüchtet. Einst ertappte die Frau des Schmieds einen der diebischen Zwerge im Keller beim Bierzapfen. Sie stellte ihn darüber zur Rede, jedoch der Kleine versprach, einen Segen in[1021] die Biertonne zu legen, daß dieselbe niemals leer werde, wenn nicht über die Tonne geflucht würde und sie das nicht ihrem Manne verrathen würde. Die Frau schwieg, der Zwerg legte seinen Segen in die Biertonne und der durstige Niß lief wie früher jeden Augenblick aus der Schmiede nach dem Keller, um sich einen Schluck aus der Tonne zu holen, doch ohne daß der Biervorrath vermindert zu werden schien. Als der Schmied das Wunder entdeckte, rief er aus: »Das ist doch eines Teufels Tonne, die nimmer leer wird.« Sofort verschwand der Segen, die Tonne war leer und die Zwerge stahlen wie früher Brod und Bier aus dem Keller ohne einen Ersatz zu geben. Die Frau erzählte nun Niß, was sie ihm bisher verschwiegen hatte, und beide berathschlagen sich jetzt mit den Nachbarn und Nachbarinnen, wie es anzufangen wäre, um das diebische Gesindel los zu werden. Man rieth Niß, er solle die Unterirdischen fangen und todtschlagen, allein diese waren klüger und flinker als er. Zuletzt kam eine alte Frau, die in ihrer Jugend oft mit den Zwergen gespielt hatte, und erzählte Niß, die Unterirdischen hätten ihr einst offenbaret, sie könnten nicht gegen das Kreuz und alles das, was dem Kreuze ähnlich oder verwandt sei; sie könnten nicht über dasselbe und nicht unter dasselbe kommen, vor dem Kreuze müßten sie fliehen oder verderben. Die Frau rieth deshalb dem Schmied, er solle ein Wagenrad vor jede Thür seines Hauses stellen, sein Haus aber in Brand stecken, dann würden die Zwerge sämmtlich mit dem Hause verbrennen. Niß Schmied that das, und als das Haus in Flammen stand, wollten die Zwerge fliehen, aber konnten nicht auskommen vor allen den Kreuzen, welche die Wagenräder machten. Sie steckten die kleinen Hände hinaus bei den Speichen und riefen um Hilfe, jedoch die Morsumer ließen sie alle verbrennen. Zuletzt gewahrten die Unterirdischen in der Nähe des brennenden Hauses die alte Frau, die den Rath zu ihrem Untergange gegeben hatte, da riefen sie vorwurfsvoll: »Gespielin, Gespielin, wie hast Du uns verrathen!« Das war das Letzte, was man auf Sylt von den Unterirdischen gehört hat, sie verbrannten nun sämmtlich und es waren jetzt die letzten derselben ausgerottet.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 1016-1022.
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